Prof. Günter Dhom im Porträt

Thank God, it’s difficult

Kann man dem Zahnmedizin-Nachwuchs heute noch zur Niederlassung raten? Wir sprachen darüber mit Prof. Günter Dhom. Er betreibt drei Praxen mit 20 angestellten Zahnärzten und ist ehrenamtlich engagiert – 20 Jahre davon im DGI-Vorstand. Wir fragten, was auch Praxisgründer fragen würden.


Dhom Porträt

Praxismarketing bedeutet: Der Patient hat das Gefühl, dass er für den Behandler wichtig ist. © Privat


Herr Prof. Dhom, ein Blick auf Ihren Lebenslauf zeigt zahllose auch ehrenamtlichen Aktivitäten, die zum großen Teil zeitgleich verliefen. Das wirft zunächst eine Frage auf: Wie geht das alles – neben einer eigenen Praxis?

Dhom: Mir ging es auch damals besonders gut. Ich war Partner in der Praxis und habe dann 1995 die Anteile der anderen mit übernommen. Mir war damals schon klar: Man muss an sich selbst arbeiten, trainieren, damit man selbst besser werden kann. Im Detail solltest Du Deine Arbeit lieben, dann hast Du Spaß – bei der Arbeit und am Leben. Ich hatte damals einen Freund, der mir sagte: „Ich gehe erst dann eine feste Beziehung ein, wenn ich Lehrstuhlinhaber bin.“ Und das hat er auch geschafft. Ich aber wollte das nicht. Das einzige, was ich damals vernachlässigt habe, war meine körperliche Fitness. Und das hole ich gerade intensiv nach.

Und doch sind das sehr viele Aktivitäten, die man unter einen Hut bekommen muss…?

Dhom: Das stimmt. Als DGI-Fortbildungsreferent bist Du mehr als zwei Stunden am Tag gefragt! Man sollte die Fähigkeit haben, sich zu motivieren, die Dinge einfach wegzuschaffen. Es geht darum, positiv zu sein und sich nicht in Problemen wohlfühlen. Das Positivsein kann man sich bis zu einem gewissen Punkt antrainieren – zu 50 Prozent ist das aber sicher genetisch.

Springen wir in die Gegenwart: Ist die Niederlassung heute noch attraktiv? Der Zahnmedizinnachwuchs fragt sich: Wann passt sie zu mir und wann nicht?

Dhom: Als erstes: Die Zeiten sind immer schwierig. Die DGI ist entstanden aus der Fusion zweier Fachgesellschaften, die kurz vor dem Untergang standen: die GOI (Gesellschaft für Orale Implantologie) und die Arbeitsgemeinschaft für Implantologie in der DGZMK. Zusammen waren es damals 800 Mitglieder. Die DGZI war auch noch da, die wollte aber lieber alleine bleiben. Unser Ziel für den zweiten oder dritten Kongress, bei dem ich Kongresspräsident war, lag bei 200 Teilnehmer, es kamen 250. Wir fanden das damals total cool. Wenn etwas vor Dir steht, ist es immer schwer. In den 70er-Jahre war der Zahnarztberuf übrigens nichts anderes als die Maschine zum Gelddrucken. Das Durchschnittseinkommen war genauso hoch wie heute, nur die Kosten sind heute eklatant viel höher. Die Kaufkraft war also um ein Vielfaches höher.

Das war damals…

Dhom: Wenn man es geschickt macht, geht das auch heute. Man darf nicht alles negativ sehen, gern Opfer sein oder ein „Die-Schuld-auf-die-anderen-Schieber“ – oder ein „Work-Life-Balance-Jünger“ oder jemand mit der Parole „Man bohrt sich so durch“. Dann hast Du als Praxisgründer keine Chance. Wer Erfolg haben möchte, muss leistungsbereit sein, sich verausgaben können, ein Vorbild sein. Erst dient man, dann verdient man. Und ich glaube, das Ego kostet am meisten Geld. Wer denkt: Life ist good, Work ist mies, der sollte keine Praxis eröffnen. Und wenn Du keine Menschen liebst, dann solltest Du Maschinen bedienen.

Und doch scheinen heute die Hürden für Praxisgründer sehr hoch…

Dhom: Das kann sein. Mein Praxiskollege Dr. Peter Gehrke ist mal auf den Kilimandscharo gestiegen – und zwar nicht die „Coca-Cola-Route“ für die Touristen, sondern er hat den schwierigen, den anstrengenden Weg genommen. Ich hab ihn mal gefragt: „Warum eigentlich?“ Und er hat gesagt: „Ja, sonst hätte das doch keinen Spaß gemacht.“ Wer also vor Herausforderungen steht und sagt: „Thank God, it‘s difficult“, der schafft das auch.

Dhom Kollegen

Dhom hält Vorträge, leitet den DGI-Master-Studiengang und ist Professor an der Steinbeis-Hochschule in Berlin. Zu Fallbesprechungen treffen sich Dhom und seine Kolleginnen und Kollegen regelmäßig im Praxisgebäude in Ludwigshafen. © Privat

Welche Unternehmerqualitäten braucht es denn heute, um in der Niederlassung erfolgreich zu sein?

Dhom: Es gibt Kernqualitäten, ohne die es nicht geht. Und das sind Fachkompetenz, hohe Sozialkompetenz, hohe eigene Motivation und eine Finanzkompetenz, also ein vernünftiger Umgang mit Geld. Und Du brauchst Mut!

Was davon wird am ehesten unterschätzt?

Dhom: Am schwierigsten davon zu lernen ist Sozialkompetenz. Die wird nicht unterschätzt, die meisten sehen überhaupt gar nicht die Notwendigkeit dafür. Und dann haben sie Probleme. Aber: Man kann lernen. Und wenn Du heute offen bist, dann kannst Du auch in vielem besser werden und bereit sein, Dinge zu verändern. Ich habe mal einen Kollegen gecoacht, der in vielen meiner Seminare war. Der hat mich angesprochen und gefragt, was er denn machen könne: Er habe jede Menge Arbeit auf seinem Schreibtisch – Rechnungen, Belege für den Steuerberater usw. Dem habe ich gesagt: „Heute Abend ist das weg.“ Und dann haben wir uns das angeguckt, fast alles in einen großen Karton gepackt und zum Steuerberater gebracht.

Anderes Beispiel: Eine meiner Masterstudentinnen, sie hat vor zwei Jahren den Abschluss gemacht, hat eine Tochter und eine sehr coole Praxis. Sie sagt: „Klar brauche ich jemanden, der sich um meine Tochter kümmert. Aber wenn ich da bin, dann bin ich zu 100 Prozent für sie da.“ Also: Für Sachen, die man nicht kann, sollte man sich Unterstützung holen. Und nicht versuchen, Schwächen in Stärken zu verwandeln. Vieles können auch die eigenen Teammitglieder kompensieren.

Also Teamarbeit ist der Schlüssel?

Dhom: Ja, aber am Ende muss man selbst entscheiden. Und da liegt am Ende auch für Praxisgründer und -inhaber das größte Defizit: keine Entscheidungen treffen zu können.

Würden Sie einem Nachwuchs-Zahnarzt die Arbeit in den berufsständischen Gremien empfehlen?

Dhom: Ja, unbedingt. Das ist nach wie vor wichtig, weil man die Rahmenbedingungen für die eigene Arbeit mitgestalten kann. Die Menge an Gestaltungsmöglichkeiten ist zwar gering, und man muss eine hohe Frustrationstoleranz haben, wenn man solche Arbeit macht. Aber es ist wichtig. Als ich anfing in unserer Kassenzahnärztlichen Vereinigung, da saßen in den Prüfungsausschüssen „schwierige Persönlichkeitsstrukturen“. Aber das ist jetzt nicht mehr so. Natürlich ermutige ich jeden, das zu machen. Wenn einer motiviert ist, ist es einfach. Ich zum Beispiel fühle mich verpflichtet, mich für andere einzusetzen. Ich habe eine Praxis für Obdachlose gegründet und ein großes internationales Projekt in Afrika auf die Spur gesetzt.

Welche Rolle spielen heute Maßnahmen zum Praxismarketing?

Dhom: Das ist sicher wichtig, auch mit den neuen Kanälen wie Social Media. Aber es funktioniert nur auf vernünftiger Basis. Man sollte nix versprechen, was man nicht halten kann. Das wichtigste Praxismarketing ist, dass die Patienten das Gefühl haben, dass sie für Dich wichtig sind. Wenn es Dir gelingt, den Patienten auf dem Stuhl zu überzeugen, dass er ein wichtiger Mensch ist, dann brauchst Du Dir keine Sorgen um Deine Praxis zu machen. Daran kann man arbeiten, und darin kann sich jeder verbessern. Aber es setzt wieder voraus: die Arbeit an mir selbst.


Der Experte

Prof. Dr. Günter Dhom

  • Seit 1985 niedergelassen als Oralchirurg in Ludwigshafen
  • In 1996 (parallel) Vorsitzender im Bundesverband Dt. Oralchirurgen in Rh.-Pfalz, Aufsichtsrat Compudent AG, Stadtratsmitglied Ludwigshafen, Aufsichtsrat Klinikum Ludwigshafen, Fortbildungsreferent der DGI
  • Seit 2004 Leiter des MSc-Studiengangs der DGI und Direktor des Steinbeis-Transfer-Instituts
  • 2002-2006 Direktoriumsmitglied der APW, 2003-2006 Vorsitzender
  • 2003-2009 Vorstandsmitglied der DGZMK
  • 2006-2009 Präsident der DGI
  • 2006 Ehrentitel „Sanitätsrat“