Tagung der DG PARO in Würzburg

Nichtchirurgische Therapie im Fokus

Bakterien und Biofilm, Infektion und Regeneration waren die prägenden Schlagworte der jüngsten Tagung der DG PARO, die unter der Leitung von PD Dr. Bettina Dannewitz und Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf in Würzburg stattfand und sich vornehmlich mit der nichtchirurgischen Therapie befasste.



Sowohl internationale Referenten als auch Experten aus anderen akademischen Gebieten umfasste das ansehnliche Feld der Vortragenden im Würzburger Congress Center. Zum Auftakt des wissenschaftlichen Hauptprogramms klärte der Mikrobiologe Prof. Dr. Hans-Curt Flemming aus Duisburg über die Hartnäckigkeit von Biofilmen, der ältesten Lebensform überhaupt, auf. Der ständige Kampf gegen die bakteriellen Attacken auch in der Zahnarztpraxis sei nur zu gewinnen, wenn ein klarer Hygieneplan existiere und eingehalten und das beste Material für Leitungen und Behälter verwendet werde, sagte der Mikrobiologe. „Spülen, spülen, spülen“ sei das Mindeste, was zu tun sei. Und: Man sollte für die Praxisausstattung auf ein wenig bindendes und vor allem leicht zu reinigendes Material setzen.

In der Gingiva angesiedelte Bakterien seien „ein Risikofaktor, aber weniger ein Verursacher einer Parodontitis“, versuchte sich Prof. Dr. Georg Hajishengallis aus Philadelphia an einer Relativierung der Bedeutung der Entzündungsverursacher, die es zu bekämpfen gilt. Nachweislich, so belegte Dr. Norbert Cionka von der Universität Genf, erhöhe die PZR die Erfolgsquote der Elimination von Bakterien.

Auch die Metronidazole und Amoxicillin, systemisch und ergänzend zu einem Debridement eingesetzt, steigerten die Erfolgsrate signifikant. Cionka riet den Kollegen, die Uhr noch einmal zurückzudrehen und sich intensiv mit dem Stoffwechsel des Biofilms und der Bakterienvirulenz zu befassen.

GTR kann von Füllungen profitieren

Prof. Dr. Heinz H. Topoll, Münster, stellte heraus, dass die Stabilität des Blutkoagulums Voraussetzung für alle anderen Regenerationsverfahren ist, sie also der Schlüssel zum parodontalen Regenerationserfolg ist. Und der stelle sich eher dann ein, wenn der Patient gut mitmache – sowohl prä- wie postoperativ – und Nichtraucher sowie geduldig sei. Der Behandler sollte das Weichgewebe und die Defektform in der Therapie vorrangig beachten, für eine stabile Wunde sorgen und die regelmäßige Nachsorge organisieren.

Prof. Dr. Peter Eickholz, Frankfurt, erläuterte, dass durchgängige Furkationen nicht von regenerativen Techniken und Maßnahmen profitierten. Nicht resorbierbare und biologisch abbaubare Materialien zeigten gleiche Erfolge, die GTR könne vom zusätzlichen Einsatz von Füllungen profitieren. Die regenerative Furkationstherapie funktioniere deutlich besser unter günstigen Bedingungen – also bei Nichtrauchern und bei Schlüssellochdefekten: Sie halte erfolgreich über zehn Jahre in mehr als 80 Prozent aller Fälle. Diese zehn Jahre, so ergänzte er später in der Diskussion, ergäben sich aus dem durch Studien überblickbaren Zeitfenster: „Und zehn Jahre sind an sich schon nicht schlecht.“

Beim horizontalen Knochenverlust, so stellte Prof. Dr. Filippo Graziani aus Pisa dar, habe sich gezeigt, dass Enamel Matrix Derivative (EMD) durchaus bessere Heilungsraten hervorrufen – unabhängig vom Verlauf der Regeneration. Derzeit müsse zudem von einer neuen Generation an gingivalen Fibroblasten (GF) ausgegangen werden.

Gefahr durch Küretten

Die Vor- und Nachteile der Anwendung von Küretten, oszillierenden und Pulverstrahl-Geräten erörterte PD Dr. Gregor Petersilka, Würzburg. Neben den ökonomischen Aspekten (Anschaffungskosten, Wartung, Material) sprach Petersilka auch die gesundheitlichen Folgen für das Behandlungsteam an: zum Beispiel Schulter-/Arm-Syndrom bei Kürettenanwendung, akustisches Trauma oder „weißer Finger“ bei oszillierenden Geräten oder Aerosolkontamination bei Pulverstrahlgeräten.

Das Problem der Plaquebesiedelung bearbeitete Prof. Dr. Jörg Meyle. Die Hauptursache für die Plaqueneubildung sei die Sulkusflüssigkeit, auch der Speichel spiele möglicherweise eine Rolle. Eventuell sei die Plaquebildungsrate Ausdruck der Wirtsempfindlichkeit für die parodontale Entzündung. Ein sekundäres Phänomen sei die Menge der supragingivalen Plaque. Meyle: „Menschen mit viel Entzündung entwickeln viel Plaque.“

Scaling und Root Planing stellen nach wie vor die Standardtherapie auch bei schweren parodontalen Erkrankungen dar, betonte Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf, Würzburg, anschließend. Nur bei fortgeschrittener Parodontitis sei eine adjunktive Antibiose sinnvoll. Und: Ernährungslenkung bei den Patienten und der Einsatz von Probiotika seien erste Ansätze für eine ursachengerichtete Therapieund Prophylaxestrategie gegen Parondontalerkrankungen.

„Downhill-Patienten“

Wer am Ende des Kongresses ein leidenschaftliches „Plädoyer für das Implantat“ erwartet hatte, der wurde von PD Dr. Stefan Fickl enttäuscht. Er befasste sich mit der Frage, ob das „Implantat die bessere Alternative“ sei. Fickl erläuterte, dass es patienten- und zahnspezifische Faktoren gebe, die es zu berücksichtigen gelte. So sei bei Rauchern, Diabetespatienten und Patienten mit Restentzündung eine Regeneration nur schwer möglich – nicht umsonst nenne man diese auch „Downhill-Patienten“. Doch die Probleme bleiben auch, wenn das Implantat als Therapieoption gewählt wird. Fickl: „Wir ändern nicht das Entzündungsprofil dieser Patienten.“ Zwar erleide nicht jeder Paro-Patient eine Periimplantitis. Fickl: „,All-on-4‘, oder wie man auch sagt ,One-on-three‘“, sei keine Lösung.

Eher biete sich eine Strategie an, um zunächst Zeit zu gewinnen. Dazu gehöre, extrahierte Zähne adhäsiv einzukleben, gefräste (günstige) Provisorien als Zeitgewinn einzusetzen oder auch mal mit verkürzten Zahnreihen zu arbeiten. Das Hauptaugenmerk solle zunächst immer auf der nichtchirurgischen Therapie liegen.

UPT in die GKV?

Der Kongresssamstag startete mit einer Diskussionsrunde, an der Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Ute Maier, Vorsitzende der KZV BW, Dr. Michael Kleinebrinker vom GKV-Spitzenverband, Prof. Dr. Thomas Kocher, Universität Greifswald, und Dr. Wolfgang Westermann, Parodontologe aus Emsdetten, teilnahmen. Die Moderation übernahm DG-PARO-Präsident Prof. Dr. Christof Dörfer. Die einzelnen Themenkomplexe wurden jeweils mit Kurzvideos eingeleitet. Über die Aufnahme der unterstützenden Parodontaltherapie (UPT) in den Leistungskatalog der GKV diskutierten die Experten anschließend ebenso angeregt wie über die nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung.

Bezüglich der Wirtschaftlichkeitsprüfung stellte Maier klar, dass es keine nachträgliche Leistungskürzung gibt, sofern beim Antrag alles korrekt beachtet wurde. Westermann heizte die Diskussion an, indem er die offene Frage stellte, warum Zahnärzte das Gespräch mit dem Patienten bezüglich Mehrzahlung für die UPT scheuen, dies für den Zahnersatz oder für den Einsatz von Implantaten aber nicht der Fall sei. Ob es gut ist, die UPT in den Leistungskatalog der GKV aufzunehmen, konnte letztlich nicht vollständig konsentiert werden. Zu unterschiedlich waren die Meinungen der einzelnen Diskussionspartner.

Festzuhalten ist, dass in Deutschland die Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten im Vergleich zu anderen Ländern auf einem sehr hohen Niveau liegt und dass man nicht den Anschein erwecken darf, die Patienten hierzulande seien unterversorgt.

Teamtag auf der DG-PARO-Tagung

Probiotika in der PA waren auch in Würzburg ein Thema – unter anderem beim DG-PARO-Teamtag. Kongresspräsident Prof. Dr. Urich Schlagenhauf berichtete über die unterstützende Wirkung des Lactobacillus reuteri und weitere bekannte Ansätze. „Generell ist das Thema Ernährung mit den parodontalen Entzündungen eng verbunden“, betonte Schlagenhauf. Ideal wäre es, wenn PA-Patienten ihren gesamten Lebensstil änderten. Da dies oft nicht der Fall sei, könnten Probiotika einen Nutzen haben.

Schlagenhauf stellte Studien vor, bei denen der Lactobacillus reuteri in der Abheilungsphase nach Scaling und Root Planing Patienten gegeben wurde. Die Ergebnisse bestätigten die entzündungshemmende Wirkung des Probiotikums.

Entzündung macht Plaque

In einer weiteren Studie aus Würzburg wurden die positiven Auswirkungen des Lactobacillus reuteri sogar bei einer periimpläntären Mukositis nachgewiesen. Zudem bewirkte das Probiotikum sogar die Reduzierung der Plaque. „Diese Ergebnisse weisen immer deutlich darauf hin, dass man von dem Grundsatz ‚Plaque sorgt für die Entzündung‘ abrücken muss. Stattdessen heißt es heute: ‚Entzündung macht Plaque‘“, sagt Schlagenhauf.

Regelmässiger Pulverstrahleinsatz

Einen Überblick über „Hard- und Software“ des Pulverstrahleinsatzes in der parodontologischen Nachsorge gab PD Dr. Gregor Petersilka. Die Bakterien in der Nachsorge aus den Taschen zu pusten verglich er mit Gartenarbeit. „Den Rasenmäher müssen Sie auch regelmäßig verwenden.“

Den Überblick der aktuell am Markt erhältlichen Pulver kombinierte er mit einem einfachen Tipp: „Verwenden Sie nur die Produkte, die für den subgingivalen Gebrauch zugelassen sind.“ Natürlich gebe es auch mögliche Komplikationen, wie Schäden beim Patienten, an Geräten („Prüfen sie regelmäßig die Rückschlagventile!“) und nicht zu vernachlässigende Kosten. „Trotzdem ist für mich in der Praxis ein Leben ohne Pulverstrahl nicht vorstellbar“, sagte Petersilka.