Parodontologie

dent update Paro begeistert

Aktuelles Know-how zum Thema Parodontologie bot die dritte dent update-Fortbildung am 17. Mai. Das Referententeam – Prof Dr. Anton Sculean, Prof. Dr. Michael Christgau, Prof. Dr. Andrea Mombelli und Dr. Ralf Rößler – präsentierte fundierte Therapieansätze auf dem neuesten Stand der Wissenschaft.



Knapp 150 Teilnehmer ließen sich von den Experten über aktuelle Möglichkeiten der modernen Parodontologie informieren. Den Auftakt übernahm Dr. Ralf Rößler mit einem Update zur biofilmorientierten Parodontitistherapie. Er skizzierte den aktuellen Kenntnisstand und beleuchtete die Praxistauglichkeit unterschiedlicher Verfahren und Strategien. Es gelte, Entzündungszeichen und Sondierungstiefe zu reduzieren, das klinische Attachmentlevel zu verbessern sowie das Parodontium zu stabilisieren. Dies lasse sich mit Hand- oder Schall- und Ultraschallinstrumenten gleichermaßen gut erreichen. Rößler selbst bevorzugt eine Kombination der Instrumente, und zwar in der Reihenfolge: „Erst Ultraschall, dann manuell glätten.“ Auch die photodynamische Therapie (PDT) führe zu guten Ergebnissen, hob er hervor. Adjunktiv zur nichtchirurgischen PA-Therapie angewendet, ließen sich so die Entzündung und die Sondierungstiefen nachweislich deutlicher reduzieren als durch SRP allein.
Wenig hält Rößler von dem primären Einsatz mikrobiologischer Parodontitistests. „Sie outen sich nicht als guter Parodontologe, wenn Sie diese Tests routinemäßig immer durchführen“, machte er den Teilnehmern klar. Beim Rezidiv beispielsweise spielten sie schon eher eine Rolle. Am Ende seines Parts kam eine Diskussion über die Effektivität von Spüllösungen bei PA-Patienten auf. Anders als bei der supragingivalen Keimreduktion hält Rößler das Spülen mit Chlorhexidin in subgingivalen Regionen für irrelevant. Die Chlorhexidinaktivität sei aufgrund des Kontakts mit Blut und Sulkusflüssigkeit limitiert, sagte er.
Antibiotikatherapie
Systemische und lokale Antibiotika in der Parodontologie. Wann ist was indiziert? Diesem Thema widmete sich Prof. Dr. Andrea Mombelli. Basierend auf neuesten Erkenntnissen, präsentierte er ein praktisches antimikrobielles Behandlungskonzept und illustrierte die Anwendung an unterschiedlichen Fallbeispielen. Werden Patienten mit multiplen tiefen Taschen mit Wurzelglätten und systemischem Amoxicillin und Metronidazol behandelt, so kann der Bedarf an zusätzlicher parodontalchirurgischer Therapie deutlich reduziert werden. Zweck einer Antibiose sei es, die parodontale Infektion möglichst gründlich zu eliminieren, damit spätere Nachbehandlungen auf ein Minimum reduziert werden können. Sie ersetze jedoch nicht das sorgfältige Wurzelglätten oder die gute Mundhygiene. Mit Blick auf das Risiko der Entwicklung von Resistenzen rät er zu „hohen Dosen für kurze Zeit“.
 Er hob ausdrücklich auch den ökonomischen Aspekt dieser Therapievariante hervor. Lokale Antibiotika dagegen, die ihn noch vor Jahren begeistert hätten, würden in seiner Klinik heute nicht mehr eingesetzt, auch nicht zur Behandlung von Resttaschen. Etliche dieser Produkte seien inzwischen auch „vom Markt verschwunden“.
Bei einer Penicillin-Allergie rät er zu Ciprofloxacin statt Amoxicillin. Allerdings bestehe die Gefahr von Kreuzreaktionen. Ist ein Patient hoch empfindlich, empfiehlt er eine andere Stoffklasse, beispielsweise Azithromycin.

Regenerative Parodontitistherapie

Die Erzielung einer parodontalen Regeneration ist derzeit nur möglich mit der gesteuerten Geweberegeneration (GTR) mithilfe von zellokklusiven Membranen und Schmelzmatrix-Proteinen (EMD). So lautet das Resümee von Prof. Dr. Michael Christgau. In seinem Vortrag zur regenerativen Parodontitistherapie stellte er die Möglichkeiten und Grenzen für den klinischen Einsatz wissenschaftlich akzeptierter Verfahren vor.
Mit der GTR lasse sich zumindest bei intraossären Defekten tendenziell ein etwas größerer Attachmentgewinn im Vergleich zu Schmelzmatrix-Proteinen erzielen, sagte er. EMDs ermöglichten allerdings oft eine schnellere und unkompliziertere Wund- und Weichgewebsheilung.
Das Regenerationsergebnis sei mit beiden Verfahren langfristig stabil. Als extrem wichtig für den dauerhaften Erfolg bezeichnete er die Infektionsprophylaxe im Rahmen einer weiterhin strikt durchgeführten unterstützenden Parodontitistherapie (UPT).

Defektfüllung mit Knochenersatzmaterialien

Bei „gefährdetem Raumerhalt“ (weite 3-Wand-Defekte, 1- bis 2-Wand-Defekte) plädiert Christgau für die zusätzliche Verwendung von Knochen oder Kochenersatzmaterialien. Hier spreche die derzeitige Datenlage für die Verwendung von autogenem und xenogenem Knochenmaterial. EMDs allein machen nur bei „ganz schmalen, raumschaffenden Defekten Sinn“. Mit Knochenersatzmaterial allein lasse sich dagegen kein parodontaler Defekt regenerieren, jedenfalls nicht auf vorhersagbarer Basis, unterstrich er. Knochenersatzmaterial diene lediglich als Defektfüller und stabilisiere die Wunde. Soll eine parodontale Regeneration erzielt werden, gelte es, Knochenersatzmaterial zusammen mit einer Membran oder Schmelzmatrixporteinen zu verwenden, also mit einem der „wissenschaftlich akzeptierten Verfahren für die Erzielung einer parodontalen Regeneration“.

Klassische Indikationen

Als die klassischen Indikationen für die regenerative Parodontitistherapie nannte Christgau die intraossären (vertikalen) Defekte sowie die Grad-2-Furkationsdefekte an den Unterkiefermolaren mit horizontalen Sondierungstiefen von mehr als 3 mm, die nicht vollständig durchgängig sind. Für die Frage, wie gut regenerative Verfahren bei Grad-2-Furkationsdefekten an den Oberkiefermolaren funktionieren, liegt in der Literatur wenig Datenmaterial vor, sagte Christgau. Bei den bukkalen Oberkieferfurkationen hält er die Heilungsresultate in der Regel für vergleichbar mit den Unterkieferfurkationen. Bei den für die Defektreinigung oft nur sehr schwer erreichbaren mesio- und distopalatinalen Furkationen im OK müsse man wohl Abstriche in Kauf nehmen.
Nicht indiziert sind die „heutigen Verfahren für eine parodontale Regeneration“ bei horizontalem (suprakrestalem) Knochenabbau sowie bei Grad-3-Furkationsdefekten. Daneben gibt es patientenbezogene Kontraindikationen wie mangelhafte Mundhygiene und vor allem das Rauchen.
Christgau: „Ich kann es nicht oft genug betonen, dass die Raucherentwöhnung ein ganz wesentlicher Bestandteil in der parodontalen Vorbehandlung ist. Das muss auf jeden Fall über die Bühne gegangen sein, bevor regenerative Verfahren erfolgreich durchgeführt werden können.“

Rezessionsdeckung

Mit dem Hinweis, dass tiefe Rezessionen und Verluste von Weichgewebe die Plaquekontrolle erschwerten und so eine Gingivitis oder sogar einen Verlust von bindegewebigem Attachment verursachen könnten, eröffnete Prof. Dr. Anton Sculean, zusammen mit Prof. Christgau Chairman der Veranstaltung, seinen abschließenden Vortrag. Nach Darstellung der biologischen Problematik und Betonung der wichtigen Rolle der Patientenselektion und Risikoanalyse präsentierte er ein Behandlungskonzept zur vorhersagbaren Deckung von singulären und multiplen Rezessionen.

Einleitend nannte der die Indikationen:

  • Verbesserung der Plaquekontrolle und Mundhygiene,
  • Verbesserung der Ästhetik und
  • Therapie der überempfindlichen Zahnhälse.

Die Verbesserung von Hygienemöglichkeiten solle grundsätzlich im Vordergrund stehen, unterstrich Sculean. Denn nur dann sei auf lange Sicht die Gesundheit des Zahnfleisches zu gewährleisten.
Hauptziel sei die hundertprozentige Deckung, also bis zur Schmelz-Zement-Grenze. Je ausgeprägter die Rezession, desto schlechter ständen jedoch die Chancen, dies zu erreichen. Rezessionen der Miller-Klassen 1 und 2 (Rezession reicht nicht über die mukogingivale Grenze, interdentales Gewebe ist nicht verloren) attestierte er gute Prognosen. Bei Defekten der Miller-Klasse 3 (interdentales Gewebe teilweise zerstört) sei eine vollständige Wurzeldeckung dagegen nicht immer vorhersagbar möglich. Reicht die Rezession über die mukogingivale Grenze hinaus und ist das interdentale Gewebe stark zerstört (Miller-Klasse 4), hält Sculean eine Rezessionsdeckung momentan noch für kontraindiziert. Als konkrete Behandlungskonzepte nannte er im dickeren Biotyp (d. h. Lappendicke ≥ 1 mm) den lateralen oder koronalen Verschiebelappen, in dünnem Biotyp (d. h. Lappendicke ≤ 1 mm) den koronalen Verschiebelappen mit Bindegewebe und darüber hinaus den modifizierten koronal verschobenen Tunnel plus Bindegewebe (Tunneltechnik plus Bindege‧webs‧transplantat). In allen Fällen empfiehlt er, falls möglich, die Applikation von Emdogain.

Rezessionen am Implantat

Es gibt einige wenige Fälle von Rezessionen am Implantat, die nicht mit der Periimplantitis assoziiert sind. Und diese seien für die Rezessionsdeckung interessant, sagte Sculean. Man müsse da unbedingt akribisch selektieren, mahnte er. Denn „die Verbesserung des Weichgewebsdefekts“ stehe hier im Fokus, nicht die Therapie einer Infektion. Und Weichgewebsdefekte ließen sich in einigen gut selektierten Situationen mit einer Kombination von koronaren Verschiebelappen und Bindegewebstransplantat optimieren. Allerdings sei die Datenlage ist noch sehr schwach, weshalb Sculean hier aktuell noch für Zurückhaltung plädiert.
Wie die dent update-Veranstaltungen „Implantologie“ und „Zahnerhaltung und Ästhetik“ lebte auch die Paro-Fortbildung von der engen Interaktion zwischen Teilnehmern und Referenten. Nach den Vorträgen und in allen Pausen standen die Referenten für Fragen der Teilnehmer – auch für Vier-Augen-Gespräche – zur Verfügung. Diese Option nutzen viele Zahnärztinnen und Zahnärzte intensiv. Genau diese Interaktion zwischen Teilnehmern und Referenten ist auch das Markenzeichen dieses nun schon etablierten praxisnahen Fortbildungskonzepts des Deutschen Ärzte-Verlags. In wenigen Tagen werden alle Vorträge für die Teilnehmer zusätzlich als Video-Casts innerhalb des Dental Online College (DOC) kostenfrei zur Verfügung stehen.
dent update-Partner vor Ort

Industriepartner

Auch die Produktinformationen von Henry Schein Dental und TePe Mundhygieneprodukte kamen an: TePe präsentierte unter anderem mit Implant Care die Möglichkeit zur adäquaten Implantatpflege. Implant Care hat einen Winkel, durch den die schwer zugänglichen Flächen besser zu erreichen sind. Dadurch ist die Anwendung einfacher. Das Design des Bürstenkopfs erleichtert die schwere palatinale und linguale Reinigung bei Implantaten. Der Hals kann unter heißem Wasser noch weiter in den gewünschten Winkel gebogen werden.  Henry Schein lieferte Interessierten quasi eine zusätzliche „Fortbildung in Sachen Praxiskonzept“. Gezeigt wurde alles rund um den digitalen Workflow. Außerdem erfuhren die Teilnehmer, was das Besondere an PerioSafe, dem PA-Früherkennungstest, ist.

dent update 2015

Aufgrund der enormen Resonanz bietet der Deutsche Ärzte-Verlag 2015 die Fortsetzung der dentupdate-Fortbildungen an – die Anzahl der Veranstaltungen wird auf vielfachen Wunsch erhöht. Geplant sind sechs Fortbildungen. Die genauen Termine und Veranstaltungsorte finden Sie in Kürze auf www.dentalmagazin.de und www.dent-update.de. Hier stehen auch Video-Interviews mit allen Referenten bereit.