Implantologie

Wie schmal darf es sein?

Es gibt dicke, stabile Implantate sowie im Durchmesser reduzierte Varianten. Und dann kommen noch die Miniimplantate, allein die Definition ist schon schwierig. Wann sind Minis indiziert, wann schmale Implantate, ab welchem Durchmesser wird es riskant?



Lassen sich durchmesserreduzierte Implantate oder auch kurze Implantate unter dem Begriff Miniimplantate fassen?

Drüke: Bei Miniimplantaten handelt es sich in der Regel um einteilige Implantate mit einem Durchmesser unter 3 mm. Kurze Implantate mit Längen unter 10 mm haben meist größere Durchmesser. Durchmesserreduziert und kurz, das funktioniert nicht.

Wann gelten Implantate denn als durchmesserreduziert?

Drüke: Implantate mit einem Durchmesser von 3,5 mm und weniger sind durchmesserreduziert. Ab einem Durchmesser unter 3,0 mm wird es für zweiteilige Systeme allerdings problematisch. Denn aufgrund der Innenverbindung sind nur sehr dünne Wanddimensionen möglich. Je geringer der Durchmesser desto höher die Frakturgefahr. Varianten mit weniger als 3 mm Durchmesser sind deshalb nicht als zweiteilige Systeme im Angebot. Einteilige Implantate sind hier keine wirkliche Alternative: Sie haben den Nachteil, dass sich eine ungünstige Inklination nur durch Präparation ausgleichen lässt. Das könnte zu thermischen Belastungen führen, die den Knochen schädigen. Die Bruchgefahr, der höhere Knochenverlust im krestalen Bereich und das schlechtere Emergenzprofil begrenzen sehr stark den Anwendungsbereich einteiliger Systeme mit Durchmessern unter 3 mm.

Wie sieht es bei den einteiligen Miniimplantaten aus? Wann sind sie indiziert bzw. kontraindiziert?

Drüke: In der ästhetischen Zone oder in Bereichen mit sehr hoher Kaubelastung sind sie klar kontraindiziert. Ihr Einsatz beschränkt sich auf Bereiche mit vergleichsweise geringer Kaubelastung.

Bitte etwas konkreter: Wann genau werden sie eingesetzt?

Drüke: Vor allem bei Vollprothesenträgern in hohem Lebensalter, die aufgrund eines schlechten Allgemeinzustands wenig belastbar sind. Für diese Indikation existieren zahlreiche Empfehlungen und Fallberichte. Bei einem hohen Atrophiegrad im zahnlosen Unterkiefer lässt sich alternativ zu Miniimplantaten mit zwei konventionellen Implantaten interforaminal mit Attachmentverbindungen oder Steg ein prognostisch besseres Ergebnis erreichen. Allerdings ist das auch teurer. In Studien wurde gerade bei einteiligen Implantaten ein erhöhter marginaler Knochenabbau festgestellt. Auftretende Belastungsspitzen am Knochen-Implantat-Interface führen zu typischen Osteolysen im Durchtrittsbereich und zu Ermüdungsbrüchen bei dieser Implantatart. Die Minis zeigen zudem eine schlechte Erweiterungsfähigkeit. Insgesamt gibt es für einteilige Implantate wenig valide Langzeitstudien und kaum belastbare Daten über das Osseointegrationsverhalten, wie sie für konventionelle Durchmesser existieren.

Wie gehen Sie in Ihrer Praxis vor?

Drüke: Einteilige Implantate mit reduziertem Durchmesser setzen wir als Interimsimplantate ein, wenn Knochenaufbau erforderlich wird, eine Belastung im augmentierten Abschnitt aber auf jeden Fall zu vermeiden ist. Zweiteilige unterdimensionierte Implantate von weniger als 3,5 mm Durchmesser eignen sich zur Versorgung kleiner zahnbegrenzter Lücken. Ein günstiges Knochenangebot zirkulär um ein Implantat und eine Knochenbreite von 1,5 mm zum benachbarten Zahn ist die beste Garantie für die Stützung und den Erhalt gesunder Weichgewebe.

Was empfehlen Sie für schmale Lücken?

Drüke: Bei einer Lückenbreite von 6 mm, die wir häufig vorfinden, lässt sich der Mindestabstand von 1,5 mm zur Nachbarbezahnung nur mit einem Implantat mit Durchmesser 3,0 mm realisieren. Da zweiteilige Systeme mit genormten und auch individuellen Aufbauten versorgt werden können, sind diese Implantate bestens für ästhetische Versorgungen geeignet.

Implantate mit 3,5 mm Durchmesser verwenden wir seit Jahren nicht nur im Frontzahnbereich, sondern auch in Verbindung mit Brücken bei reduzierten Kammbreiten sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer. Unsere gute Erfahrung basiert auf den bis Anfang der 1990er Jahre verwendeten IMZ-Implantaten mit einem Durchmesser von 3,3 mm. Für diese Implantate konnte 1995 bereits Prof. Dr. Dr. Hubertus Spiekermann eine Überlebensrate von 95 Prozent nach sechs Jahren feststellen.

Welche Rolle spielt das Implantatdesign?

Drüke: Implantate sind heute fast ausschließlich als schraubenförmige Körper im Einsatz. Das Design wird bestimmt durch die

  • Dimension,
  • die Schraubenform: parallelwandig, konisch oder oval
  • und durch die spezielle Konfiguration der Gewinde: Einfachgewinde, Doppelgewinde, Neigung der Gewindegänge, Auslage und Abstand der Gewindegänge.

Finite-Elemente-Studien zeigen, dass konische Designs und progressive Schraubengewinde bei der Krafteinleitung und der Stressverteilung von Vorteil sind. Durch das besondere Schraubendesign beim NobelActive-Implantat lässt sich beispielsweise auch in schwachen Knochenverhältnissen hohe Primärstabilität erreichen. Zur Erhöhung der Bruchfestigkeit durchmesserreduzierter Implantate wird Titan kaltverformt oder man arbeitet mit Titanlegierungen.

Wie wichtig ist die Oberflächenstruktur?

Drüke: Da gerade schmale Implantate hohen Belastungen im krestalen Bereich ausgesetzt sind, ist die belastungsstabile knöcherne Einheilung ein Muss. Besonderen Oberflächeneigenschaften, wie Mikrostrukturen, Rauigkeiten, physikalisch und chemisch optimierte Kriterien der Oberflächen und hydrophile Eigenschaften verbessern die biologische Einheilung der Implantate.

Die Implantatoberfläche hat sicher eine hohe Bedeutung. Aber gleichgültig welche Oberfläche, zweiteilige Implantate mit einem 3-mm-Durchmesser sind nicht für den Seitenzahnbereich, so sehen das auch die Hersteller.

Lieber augmentieren und dann ein normales Implantat oder die Insertion von Miniimplantaten?

Drüke: Wie gesagt, die einteiligen Miniimplantate haben etliche Nachteile. Infolge des geringen Querschnitts wird häufig keine Osseointegration bei Sofortbelastung erreicht. Die Implantate heilen transgingival ein mit entzündlichen Folgen und weiterem Knochenverlust. Frakturgefahr, Lockerung und Verlust der Implantate sind weitere Gründe für den kritischen Umgang mit diesen Minis, für die es bislang nur wenige Langzeitstudien gibt. Eine Behandlungsoption mit durchmesserreduzierten einteiligen Implantaten kann sich allerdings in der Behandlung anamnestisch vorbelasteter Patienten ergeben. Auch Patienten, die über ein unzureichendes Knochenangebot verfügen, Augmentationen aber ablehnen, könnten Kandidaten für Miniimplantate sein. Gleichwohl müssen wir bedenken, dass bei reduziertem Knochenangebot keine einfache anatomische Ausgangssituation für eine Implantatmaßnahme vorliegt. Durchmesserreduzierte Implantate ergänzen das Behandlungsspektrum, mehr nicht. Der Einsatz von Standardimplantaten im aufgebauten Knochen hat sich bewährt.

Wie lautet Ihr Fazit?

Drüke: Derzeit vorliegende wissenschaftliche Untersuchungen zu Miniimplantaten haben eine geringe Evidenz. Daher sind durchmesserreduzierte Implantate besonders kritisch zu betrachten, wenn es sich um einteilige Systeme unter 3 mm Durchmesser handelt. Für diese Implantate ist bei hohem Risiko für Komplikationen nur ein schmaler Indikationsbereich vorhanden.

Zweiteilige Implantate, wie etwa das 3,0 mm von Nobel Biocare, verwenden wir für enge zahnbegrenzte Lücken. Die besondere Geometrie der Schraube ermöglicht eine günstige und sehr hohe mechanische Stabilität beim Einbringen und erlaubt in vielen Fällen eine sofortige Versorgung. Von Herstellerseite ist dieses Implantat jedoch nur für den Ersatz seitlicher Schneidezähne im Oberkiefer und für die mittleren Schneidezähne des Unterkiefers vorgesehen. Da die Osseointegration für dieses Implantat aufgrund seiner speziellen Eigenschaften gut ist, kann ich mir eine Verwendung in zahnbegrenzten Lücken des Prämolarenbereichs auch gut vorstellen. Etwas größer dimensionierte Implantate mit 3,5 mm verwenden wir seit vielen Jahren in großer Zahl erfolgreich in allen Kieferabschnitten. Es ist jedoch entscheidend, dass verwendete Implantate möglichst gut zirkulär von Knochen umfasst werden. Wann immer diese Vorgabe nicht erfüllt ist, muss eine Verbesserung des Knochenlagers durch Augmentation durchgeführt werden. (ab)

Dr. Bernhard Drüke studierte Zahnheilkunde in Münster und ist seit 1986 niedergelassen in eigener Praxis in Münster. Seit 1992 wird die Praxis als Gemeinschaftspraxis geführt. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in Oralchirurgie, Implantologie, Sofortimplantation und Sofortversorgung, Knochen- und Weichgewebsmanagement.