Implantologie

Interview: Wie viele Implantate wo?

In welchen Fällen sollte die Anzahl der Implantate mit der der natürlichen Zähne übereinstimmen? Wann sollten es mehr, wann weniger sein? Reichen im zahnlosen OK vier Implantate? Oder sollten es besser sechs sein? BDIZ-EDI-Präsident Christian Berger zum Expertensymposium und den Ergebnissen der 9. Europäischen Konsensuskonferenz (EuCC).



Welche Implantat-Fehlpositionierungen kommen in der Praxis am häufigsten vor?

Berger: In der Literatur wird von Fehlpositionierung nur bei einem Prozent aller Implantate berichtet, aber in die Zählung fließen dabei vielleicht nur grobe Fehlstellungen. Schon kleine Abweichungen von der Idealposition können Probleme bei der Versorgung verursachen. Die größten Schwierigkeiten bei der Weiterbehandlung entstehen durch Implantate, die zu tief oder in der falschen Achse gesetzt werden.

Wie und mit welchen Hilfsmitteln lassen sich solche Fehler vermeiden?

Berger: Sowohl bei der freihändigen also auch bei der schablonengeführten Implantation ist es wichtig, vor jedem Bohrvorgang die Richtung des Bohrers nochmals aus verschiedenen Blickwinkeln zu kontrollieren. Das meist abgedeckte Gesicht erschwert die intraoperative Orientierung. Der bei der Richtungskontrolle betriebene Aufwand ist sicher in der ästhetischen Zone größer als im Seitenzahnbereich, aber jede Implantation muss Fehlpositionierungen vermeiden.

Gibt es inzwischen evidenzbasierte Daten zur Anzahl der Implantate bei unterschied‧lichen Indikationen?

Berger: Evidenz ist immer eine Frage des Evidenzgrads. Selbstverständlich gibt es Expertenmeinungen und Zusammenfassungen von Studien, wie auch unsere Europäische Konsensuskonferenz, aber man muss schon bedenken, dass evidenzbasierte Studien gerade in der Medizin und Zahnmedizin an ethische Grenzen stoßen. Es ist einem Patienten nicht zuzumuten, als Versuchskaninchen zu dienen.

In welchen Fällen sollte die Anzahl der Implantate mit der der natürlichen Zähne übereinstimmen?

Berger: Auf dem Experten-Symposium hat Dr. Dr. Bonsmann einen erschreckenden Fall aus Mexiko vorgestellt, in dem ein Kollege 44 Implantate in die Alveolen von 44 Wurzeln gesetzt hat. In der Implantologie steht immer das patientenindividuelle Optimum im Vordergrund. Leitfäden und Leitlinien wie die der Konsensuskonferenz Implantologie helfen aber in der Vielzahl der Fälle. Dabei sind die Indikationsklassen für Implantatversorgung zur Regelversorgung der Konsensuskonferenz Implantologie seit 2002 unverändert.

Der Implantologe bahnt dem Prothetiker den Weg. Wie soll die Zusammenarbeit aussehen? Was ist bei konischen Implantaten zu beachten?

Berger: Die Planung auch der prothetischen Versorgung geht jeder Implantation voraus. Selbstverständlich werden dabei auch Befestigungskonzepte und Implantatarten gemeinsam diskutiert und festgelegt. Entscheidend ist aber, dass Chirurg und Prothetiker sich mit den verwendeten Systemen und Konzepten auch tatsächlich intensiv beschäftigt haben und diese häufig anwenden.

Wie viele Implantate sind im zahnlosen Oberkiefer ein Muss? Wann reichen vier, wann müssen es sechs sein? Zum All-on-4-Konzept sollen in Kürze evidenzbasierte Daten vorliegen. Wurde das Thema diskutiert?

Berger: Als derzeitiger Vorsitzender der Konsensuskonferenz Implantologie kann ich bestätigen, dass sie unverändert an ihrer Auffassung für Regelfallversorgungen festhält: Im zahnlosen OK werden für eine festsitzende Versorgung acht Implantate, für eine herausnehmbare Versorgung sechs Implantate empfohlen. Einzelne Konzepte zeigen, dass man bei bestimmten Patienten auch mit weniger Implantaten auskommen kann. Das darf aber nicht zur Folge haben, dass Kostenträger die geplante Anzahl der Implantate nun mit Hinweis auf solche Konzepte reduzieren und dann nur zwei oder vier Implantate bezahlen wollen.

Die Europäische Konsensuskonferenz (EuCC) hat unter Federführung Ihres Verbandes einen Praxisleitfaden zur Implantatpositionierung erstellt, um den Behandler bei der Planung, der Chirurgie und der Prothetik zu unterstützen. Richtet sich der Leitfaden auch an Einsteiger?

Berger: Selbstverständlich richtet sich der Leitfaden sowohl an Einsteiger als auch an erfahrene Behandler. Die ausführ‧liche Literaturliste gibt dabei beste Möglichkeiten zur Vertiefung. Die wichtigste Empfehlung unserer Konferenz ist sicher: durch geeignete Planung und Ausführung die Fehlpositionierung zu vermeiden, weil nachträgliche chirurgische Korrekturen zwar im Einzelfall möglich und empfehlenswert sind, aber immer mit einem hohen Aufwand einhergehen. Neben der Fehlpositionierung in mesio-distaler, oral-fazialer oder koronal-apikaler Richtung sind auch eine falsche Neigung des Implantats und die Schädigung von Nachbarstrukturen zu vermeiden. Nötigenfalls muss das Implantat entfernt und ggf. nach Knochenaufbau eine erneute Implantation durchgeführt werden. Das ist aufwendig, kostet Zeit und Geld und sollte möglichst vermieden werden. Die korrekte Beachtung aller Parameter ist also conditio sine qua non.

9. Europäische Konsensuskonferenz

  • Nach der ausführlichen Darstellung der Möglichkeiten der Implantatpositionierung bei Tumorpatienten durch Priv.-Doz. Dr. Dr. Daniel Rothamel (Köln) fasste Priv.-Doz. Dr. Hans Joachim Nickenig (Köln) die Ergebnisse der 9. Europäischen Konsensuskonferenz (EuCC) unter Federführung des BDIZ EDI zusammen.
  • Als Ursache einer Fehlpositionierung nennt die EuCC fehlerhafte oder nicht ausreichende bzw. nicht angemessene Planung und Diagnostik; chirurgische und/oder prothetische Fehler im Allgemeinen; Ungeübtheit/Unkenntnis des Implantologen sowie die fehlende Abstimmung zwischen Prothetiker und Chirurg.
  • Als therapeutische Konsequenz müsse je nach Ausmaß der Fehlpositionierung eine Entfernung des betroffenen Implantats erwogen werden. Eine Stilllegung des Implantats im Sinne einer Nichtnutzung könne nur im Ausnahmefall angezeigt sein, z. B. bei zusätzlicher Gefahr der Schädigung von Nachbarstrukturen bei der Explantation in Nervnähe oder Nachbarzahnnähe. Nur im Einzelfall erscheinen der EuCC nachträgliche chirurgische Korrekturen (z. B. Segmentosteotomien) aus fachlicher Sicht möglich und empfehlenswert. Insgesamt aber gilt es Fehlpositionierungen durch exakte Planung und korrekte Umsetzung der Planung während der Chirurgie zu vermeiden.