dent update: Praxiswissen pur



Kaum ein anderes Teilgebiet der Zahnerhaltung hat in den vergangenen Jahren eine so stürmische Entwicklung erfahren wie die Endodontologie. Wurzelkanalbehandlungen gehören seit eh und je zum Standardrepertoire jeder Allgemeinzahnarztpraxis. Wird der Endo-Spezialist konsultiert, liegt es häufig daran, dass nicht alle Wurzelkanäle gefunden wurden. „Der häufigste Überweisungsgrund“, wie Dr. Josef Diemer in seinem dent update-Auftaktvortrag hervorhob. Das Auffinden der Wurzelkanäle sei der Schlüssel für die gesamte Endodontie, deshalb „muss ich die Anatomie kennen“, betonte der Endodontologe aus Meckenbeuren. „Und Wurzelkanalanatomie können wir heute in 3D-Technik durch Laboruntersuchungen mit dem Mikro-CT an extrahierten Zähnen lernen. Dazu gibt es viele Veröffentlichungen.“

Definitiv unentbehrlich sei das Mikroskop in der Endodontie. Diemer: „Man muss einfach die feinen Strukturen klar erkennen können.“ Das Arbeiten mit Mikroskop sei anfangs sehr zeitintensiv, bringe aber schon nach kurzer Zeit enorme Erleichterung. „Man gewöhnt sich daran wie seinerzeit an die Lupenbrille.“

Unter dem Titel „Mit lohnendem Aufwand sinnvoll erhalten – Moderne endodontische Therapiekonzepte“ brachte Diemer, gemeinsam mit Prof. Dr. Werner Geurtsen auch Chairman der Veranstaltung, neueste Erkenntnisse aus der Endodontie, deren Umsetzungsmöglichkeiten in der Praxis und die Grenzen der Zahnerhaltung nach „best practice“ auf den Punkt. Interessant war sein Statement, dass es heute darum gehe – neben Zugangspräparation und Aufbereitung der Wurzelkanäle – maximal Zahnsubstanz zu erhalten. „Das ist heute möglich, bedarf allerdings Wissen, Können und Erfahrung seitens des Behandlers.“ Und bei der Versorgung dieser Zähne müsse die klassische Krone mit Stiftaufbau immer mehr den adhäsiven Techniken mit maximalem Zahnhartsubstanzerhalt weichen.

Zu den Erfolgsgaranten der Kompositrestaurationen im Seitenzahnbereich zählen die Erreichbarkeit aller Kavitäten‧areale, die Qualität des adhäsiven Verbundes und die Sicherstellung einer suffizienten Polymerisation der Inkremente, nicht aber die Philosophie der Schichttechnik.

Das stellte Prof. Dr. Claus-Peter Ernst in seinem Vortrag „Adhäsiv und direkt restaurieren im Seitenzahnbereich – was sonst?“ klar. Der Adhäsivspezialist, Oberarzt an der Poliklinik für Zahnheilkunde der Universitätsmedizin in Mainz und darüber hinaus in Teilzeit in einer großen Mainzer Praxis tätig, schätzt aufgrund der Probleme bei der Schichttechnik in Einzelfällen durchaus auch die Bulk-Fill-Technik. Als typische Bulk-Fill-Indikation betrachtet er beispielsweise lange, schmale Slotkavitäten. Denn ob man im Rahmen der Schichttechnik tatsächlich alle Winkel und Ecken bei diesen Kavitäten erreicht habe, sei kaum zu kontrollieren. Zudem helfe das Bulk-Material aufgrund kürzerer Behandlungszeiten enorm bei der Versorgung besonders „unruhiger Patienten“. Ernst: „Zwei Minuten weniger“ bedeuteten eine erhebliche Erleichterung. Nachteile sieht er bei der Kauflächengestaltung. Bulk-Filling könne die Schichtung daher auf keinen Fall komplett ersetzen.

Positiv bewertet Ernst generell eine zusätzlich aufgebrachte Flow-Schicht. Dadurch ließen sich ebenfalls alle Ecken und Winkel erreichen. Speziell in dem Bereich Matrize/Anschrägung sei ein pastöses Material ohne Lufteinschlüsse nicht einfach zu applizieren.

Ausgesprochen detailliert, Preisvergleiche inklusive, präsentierte Ernst auch gleich Vor- und Nachteile sämtlicher gängigen Matrizen- und Teilmatrizen-Systeme sowie unterschiedliche Spannringe. Wer also sein System wechseln wollte, konnte sich schnell und umfassend orientieren.

Angetan zeigte sich Ernst von der neuen Gruppe der Universaladhäsive: Damit lasse sich durchaus die Fehler‧anfälligkeit beim Arbeiten mit Adhäsiven reduzieren. Er selbst bleibe aber nach wie vor bei den Mehr-Flaschen-Systemen. „Das funktioniert immer.“ Auch auf die Lichtpolymerisation, den entscheidendsten Schritt für eine lange Überlebensrate von Kompositrestaurationen, ging Ernst ein. Unter anderem legte er den Teilnehmern ans Herz, die Lichtpolymerisationsgeräte regelmäßig zu prüfen und einen Sichtschutz zu verwenden.

Prof. Dr. Jürgen Manhart, Oberarzt der Poliklinik für Zahn‧erhaltung und Parodontologie der Medizinischen Fakultät der Universität München, konzentrierte sich in seinem Part auf die „Moderne Frontzahnfüllung“. Mit Kompositversorgungen ließen sich heute auch in der ästhetischen Zone beste Ergebnisse realisieren, die sich durchaus mit Vollkeramikrestaurationen messen könnten, sagte er einleitend. Neben der Schonung der Hart- und Weichgewebe im Vergleich zu indirekten Verfahren (Veneers, Kronen) ließen sich die Restaurationen in einem Termin ohne Abformung und Provisorium bei reduziertem Kostenaufwand erstellen. „Besprechen Sie die Alternativen mit Ihren Patienten“, appellierte er. Die Vorteile indirekter Versorgungen wie Kronen sieht er vor allem in der besseren Vorhersagbarkeit. Nachteile seien das Chipping und mögliche endodontische Probleme nach Abschleifen von zu viel Zahnhartsubstanz.

 Um auch mit Komposit vorhersagbare und vor allem reproduzierbare Restaurationen mit einer hohen Natürlichkeit zu erreichen, die von der umgebenden Zahnsubstanz praktisch nicht mehr zu unterscheiden sind, hält Manhart eine profunde Kenntnis der technischen und ästhetischen Grundlagen ebenso für erforderlich wie ein „Verständnis der korrekten Kompositschichttechnik mit verschiedenen Farben und Transluzenzen“. Dem Thema Farbauswahl im Frontzahnbereich widmete er sich dann auch intensiv und präsentierte et‧liche „Tipps und Tricks“, wie beispielsweise:

  • Farbringe aus dem gleichen Material wie das Komposit des eingesetzten Komposits verwenden
  • Ausschalten starker Kontraste (Kofferdam, Lippenstift)
  • Tageslicht oder standardisierte Beleuchtung nutzen
  • Konstanter Abstand zwischen Auge und Zahn bei allen Farbbestimmungen, Abstand 50 cm, nicht zu nah
  • Bei mehreren Farbnahmen das Auge entspannen
  • Beteiligung des Patienten nach einer Farb-Vorauswahl

Manhart stellte außerdem Step by Step die Silikonschlüsseltechnik vor, die er sehr empfiehlt. Als Vorteile dieses Verfahrens nannte er definierte anatomische Konturen – sowohl bei der Inzisalkante als auch bei den palatinalen Flächen – sowie die Möglichkeit der schnelleren Ausarbeitung ohne okklusale Interferenzen. Und: Bei einer mehrfarbigen Schichttechnik sei das erste Inkrement so immer an der korrekten Stelle. Allerdings müsse der Approximalraum trotzdem mit einer Matrize gestaltet werden, fügte er an. Zwar nehmen direkte Kompositversorgungen auch im Frontzahnbereich zu, doch es gibt nach wie vor klare Veneer-Indikationen, zum Beispiel bei höchsten ästhetischen Patientenansprüchen. Das zeigte Manhart an einem Fallbeispiel: Eine junge Asiatin erhielt 14 Veneers und war von dem ästhetisch-funktionellen Resultat begeistert.

Das Abschlussreferat rückte dann auch die indirekten Restaurationen in den Fokus: „Haben ästhetische Restaurationen aus Keramik eine Zukunft?“, diese Frage griff der Zahnarzt und Zahntechniker Horst Dieterich aus Winnenden auf. Die Einführung der Adhäsivtechnik in Verbindung mit modernen verstärkten Keramiken habe den Einsatzbereich dieses „faszinierenden Werkstoffs“ erweitert, stellte er gleich zu Beginn klar. Eindringlich legte er den Kolleginnen und Kollegen ans Herz, bei der adhäsiven Befestigung grundsätzlich mit Kofferdam zu arbeiten – am besten sogar schon bei der Präparation. Für ihn sei das eine unglaubliche Erleichterung. Die Zähne, die präpariert werden müssten, seien viel besser erreichbar: „Keine Probleme mit Speichel, Zunge und Wange des Patienten und die adhäsive Aufbautechnik gestaltet sich viel einfacher.“

Eine der klinischen Situation entsprechend mögliche Befestigungstechnik – konventionell oder adhäsiv – soll seiner Ansicht nach heute entscheiden, welche Versorgung eingesetzt wird. Dieterich unterschied dabei zwischen sub- und supragingivalen Restaurationen. Sollte eine adhäsive Befestigungstechnik, die zwingend absolute Trockenlegung erfordert, nicht möglich sein, empfiehlt er die Anwendung von Metallkeramik oder Zirkonkronen, die sich konventionell mit Glasionomer zementieren lassen. „Das ist einfacher und bringt wirtschaftlich Vorteile.“ In der Einzelzahnversorgung im Seitenzahnbereich werden sich seiner Ansicht nach künftig aber Hybrid- und Polymerkeramiken, die CAD/CAM-basiert gefertigt werden, aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften durchsetzen. In der ästhetischen Zone sei dagegen momentan und wohl auch künftig Lithiumdisilikat das Mittel der Wahl, gepresst, geschichtet oder CAD/CAM-basiert.

Wie bei der dent update-Auftaktveranstaltung am 15. Februar lebte auch die Fortbildung „Zahnerhaltung und Ästhetik“ von der engen Interaktion zwischen Teilnehmern und Referenten. Nach den Vorträgen und in allen Pausen standen die Referenten für Fragen der Teilnehmer – auch für Vier-Augen-Gespräche – bereit. Diese Option nutzten viele Zahnärztinnen und Zahnärzte intensiv. Chairman Geurtsen sieht genau in dieser Interaktion zwischen Teilnehmern und Referenten den größten Gewinn des praxisnahen Fortbildungskonzepts.

Auch die Firmeninformationen von 3M ESPE und DENTSPLY Maillefer waren begehrte Zielpunkte der Besucher. Dazu Sebastian Guggenmos, Marketing Manager Dental Products/Restorative bei 3M ESPE: „Der Titel Zahnerhaltung und Ästhetik passt perfekt zu unserem Tätigkeitsschwerpunkt.“ Auf dieser Veranstaltung erreiche man eine große Anzahl von Interessenten. Die Produkte würden in Prozesse eingebunden, die klinisch funktionierten.

Am 17. Mai findet die dritte dent update-Fortbildung des Deutschen Ärzte-Verlags 2014 zum Thema Parodontologie statt. Der Wunsch, auch parodontal stark vorgeschädigte Zähne langfristig zu erhalten, rückt mehr und mehr in den Fokus von Patienten und Zahnärzten. Wenngleich Implantate auch bei parodontal erkrankten Patienten eine Versorgungsalternative bei Zahnverlust darstellen, gibt es bei dieser Patientengruppe langfristig deutlich mehr biologische Risiken.

Plastische Parodontaltherapie

Andererseits zeigen viele Langzeitstudien, dass bei adäquater Behandlungsstrategie auch parodontal stark vorgeschädigte Zähne langfristig (sogar über einen Zeitraum von 30 Jahren) erfolgreich therapiert und erhalten werden können.

Dazu kommt: Die plastische Parodontaltherapie ist heute aus der ästhetischen Zahnheilkunde nicht mehr wegzudenken, wenn es um das Zusammenspiel von roter und weißer Ästhetik geht.

„Ziel ist es, mit vier erfahrenen Referenten an nur einem Tag zu den wichtigsten parodontologischen Themen erfolgreiche, wissenschaftlich fundierte Behandlungskonzepte vorzustellen“, wie die Chairmen der Veranstaltung, Prof. Dr. Anton Sculean, Bern, und Prof. Dr. Michael P. Christgau, Düsseldorf, herausstellen: In praxisnahen Übersichtsvorträgen anhand vieler klinischer Fälle und auf der Basis aktueller wissenschaftlicher Studienergebnisse bringen die Referenten den „State of the Art“ auf den Punkt.

Christgau liefert ein Update zur regenerativen Parodontitistherapie. Er zeigt, welche regenerativen Verfahren aktuell für den klinischen Einsatz wissenschaftlich akzeptiert sind, welche Verfahren sich kombinieren lassen und wo die regenerativen Eingriffe in der Parodontitistherapie an ihre Grenzen stoßen.

Sculean präsentiert neue Erkenntnisse der Plastisch-Ästhetischen Parodontaltherapie und veranschaulicht anhand unterschiedlicher Fälle, welche OP-Techniken und welche Materialien wann indiziert sind. Immer wieder kontrovers diskutiert: die Antibiotikatherapie in der Parodontologie. Wann sind systemische Antibiotika ein Muss? Wann ist die lokale Antibiotikatherapie wirklich indiziert? Prof. Dr. Andrea Mombelli, Genf, schafft dazu Klarheit.

Die nichtchirurgische Parodontitistherapie ist das Thema von Dr. Ralf Rößler, Ludwigshafen. Zentraler Bestandteil: die mechanische Entfernung der Wurzelauflagerungen und des Biofilms. Dabei kommen neben den traditionellen Handinstrumenten auch schall- oder ultraschallbetriebene, oszillierende Scaler und weitere therapeutische Verfahren wie Laser- oder photodynamische Verfahren zum Einsatz. Getreu dem dent update-Motto „Samstag hören, Montag in der Praxis umsetzen“ präsentiert der Praktiker die Möglichkeiten und Grenzen neuer Verfahren.

Nachbereitung

Im umfassenden dent update-Handbuch, das alle Teilnehmer ausgehändigt bekommen, lassen sich nach der Veranstaltung alle Vorträge samt Abbildungen als Skripte in Ruhe nachlesen. Im Dental Online College (DOC) können Teilnehmer Mitschnitte der Veranstaltung kostenlos abrufen.

Weitere Informationen und Anmeldung:

www.dent-update.de, info@dent-update.deTel.: 06359 308787