Kooperation in einer Praxisgemeinschaft

Missbrauch der Niederlassungsform Praxisgemeinschaft

Anders als noch vor einigen Jahren stehen dem Zahnarzt heute diverse Formen der rechtlichen Ausgestaltung einer Niederlassung zur Verfügung. Wie immer hat alles seine Vor- und Nachteile: Unter gewissen Umständen kann der Vorwurf einer missbräuchlichen Nutzung aufkommen.


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Das Bundessozialgericht (BSG) hat nun entschieden, dass eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft vorliegt, wenn Ärzte oder Zahnärzte ihre Zusammenarbeit im Innen- und Außenverhältnis so gestalten, wie dies für eine Gemeinschaftspraxis (heute: Berufsausübungsgemeinschaft) typisch ist.

Das heißt zunächst einmal nichts anderes, als dass es Konsequenzen haben kann, wenn tatsächlich eine andere Rechtsform gelebt wird, als offiziell vorgegeben wird. In dem vom BSG entschiedenen Fall war es so, dass zwar offiziell eine Praxisgemeinschaft bestand, tatsächlich aber eine Gemeinschaftspraxis „gelebt“ wurde.

Praxisgemeinschaft versus Gemeinschaftspraxis

Zwischen einer Praxisgemeinschaft und einer Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) existieren einige grundlegende Unterschiede. Bei einer Praxisgemeinschaft bestehen zwei getrennte Praxen mit eigenem Patientenstamm. Die Patientendaten werden getrennt verwaltet und die Behandlung wird regelmäßig nur von einer Praxis innerhalb dieser Gemeinschaft durchgeführt. Der Zusammenschluss zu einer Praxisgemeinschaft dient vorrangig der Teilung von Ressourcen wie Geräten, Räumen und gegebenenfalls Personal. Nach außen zeigen sich zwei rechtlich voneinander getrennte Praxen, es gibt also kein gemeinsames Briefpapier und keine gemeinsame Homepage. Anders ist das bei der Gemeinschaftspraxis. Sie stellt eine rechtliche Einheit dar, hat einen gemeinsamen Patientenstamm und nur ein Patientenverwaltungssystem. Bei einem Behandlungsfehler haftet die gesamte Praxis. Nicht so bei der Praxisgemeinschaft. Da es sich bei dieser jeweils um Einzelpraxen in eigener Verantwortung handelt, haften die Praxen jeweils nur für sich.

Das Bundessozialgericht hat mit Beschluss vom 02.07.2014 (Az. B 6 KA 2/14 B) klargestellt, dass die missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft nicht ohne Konsequenzen bleibt. In dem konkreten Fall ging es um zwei Urologen, die in Praxisgemeinschaft zusammenarbeiteten. Im Rahmen einer erweiterten Plausibilitätsprüfung fiel der Kassenärzt‧lichen Vereinigung (KV) auf, dass über 30 Prozent der Patienten zugleich bei beiden Ärzten in Behandlung waren und dass das Einlesedatum der Chipkarte überwiegend identisch war. Wegen der auffälligen erhöhten Patientenidentität forderte die KV schließlich Geld zurück. Der Streit entbrannte und endete in mehreren Instanzen vor Gericht, nachdem das vorgeschaltete Widerspruchsverfahren für die Ärzte erfolglos geblieben war. Die sich anschließenden Instanzen blieben im Ergebnis ebenfalls erfolglos. Die Gerichte bestätigten die Rechtmäßigkeit der Honorarrückforderung.

Missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform

In der Begründung seiner Entscheidung führte das BSG aus: „Danach liegt eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft vor, wenn Ärzte oder Zahnärzte ihre Zusammenarbeit im Innen- und Außenverhältnis so gestalten, wie dies für eine Gemeinschaftspraxis (heute: Berufsausübungsgemeinschaft) typisch ist (…). Ein hoher Anteil von Patienten, an deren Behandlung sowohl der von der Prüfung betroffene Arzt als auch Kollegen derselben Praxisgemeinschaft beteiligt sind, indiziert eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform (…). Ein hoher gemeinsamer Patientenanteil spricht stets dafür, dass die Rechtsform der Praxisgemeinschaft im Praxisalltag nicht transparent realisiert wurde (…), sondern tatsächlich die für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende Ausübung der ärztlichen Tätigkeit stattfindet (…).

Bei hoher Patientenidentität muss das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für die Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation erfordert (…). Ein Formenmissbrauch ist nicht erst bei einer Patientenidentität von mehr als 50 Prozent anzunehmen; vielmehr hat der Senat ausdrücklich betont, dass auch deutlich unter 50 Prozent liegende Quoten ausreichen können (…).

Was deutet auf einen Missbrauch hin?

Soweit sich die Frage des Klägers darauf bezieht, ob die wechselweise Versorgung von Heimpatienten beziehungsweise die wechselweise Durchführung von ambulanten Operationen einen die Annahme einer missbräuchlichen Nutzung ‚rechtfertigenden‘ Umstand darstellt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung des Senats immer von einer hohen Quote der gemeinsamen Behandlung von Patienten ausgegangen ist, die grundsätzlich die Annahme eines Rechtsformmissbrauchs trägt.

Weitere Umstände, die auf einen Missbrauch hindeuten, hat der Senat mehrfach angesprochen (…), aber nicht gefordert, dass neben einer auffälligen Patientenidentität stets zusätzliche Sachverhalte eines Formenmissbrauchs gegeben sein müssen. Er entzieht sich einer generellen Festlegung, ob bei einer nur in geringem Maße auffälligen Patientenidentität und plausiblen Erklärungen dafür die Feststellung eines Formenmissbrauchs das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte erfordert. Jedenfalls im Regelfall ist nach der Rechtsprechung des Senats bei einem bestimmten Vom-Hundert-Satz gemeinsam behandelter Patienten ein Missbrauch der Rechtsform ‚ohne Weiteres‘ anzunehmen (…).

Indiz für eine gemeinsame Praxisführung

Zudem sind die vom Kläger angeführten Gesichtspunkte nicht geeignet, eine hohe Patientenidentität zu ‚rechtfertigen‘ beziehungsweise der Annahme einer missbräuchlichen Nutzung entgegenzustehen. Zum einen hat der Senat bereits entschieden, dass Fälle einer ‚kollegialen Vertretung‘ nicht aus der Zahl der von beiden Ärzten behandelten Fällen heraus zu rechnen sind (…). Dies hat der Senat damit begründet, dass Umfang und Häufigkeit der gemeinsamen Behandlung von Patienten gerade als Indiz für eine gemeinsame Praxisführung zu werten seien; bei hohen Patientenidentitäten stehe außer Zweifel, dass sie sich nicht durch Vertretungsfälle im üblichen Umfang erklären ließen. Dass innerhalb einer Gemeinschaftspraxis eine Vertretung grundsätzlich nicht abgerechnet werden kann, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt.

Zum anderen ist die zwischen dem Kläger und Dr. B. abgestimmte Behandlung von Heimbewohnern durch abwechselnde Hausbesuche in den Altenheimen mit aufeinander abgestimmten An- und Abwesenheitszeiten der beiden Ärzte in ihren Praxen sowie die ebenfalls aufeinander abgestimmte Durchführung von ambulanten Operationen im Krankenhaus nur deswegen durchführbar, weil der Kläger sowie Dr. B. ihre Praxisorganisation so gestaltet haben, wie sie für eine Gemeinschaftspraxis beziehungsweise Berufsausübungsgemeinschaft kennzeichnend ist. Seinen ‚Hausbesuchstag‘ konnte der Kläger nur durchführen, weil Dr. B. regelhaft – wie der Partner einer Berufsausübungsgemeinschaft – für die Versorgung seiner Patienten zur Verfügung stand. Entsprechendes gilt für die Durchführung ambulanter Operationen.

Auch die vom Kläger angeführten ‚versorgungsbedingten Besonderheiten‘ rechtfertigen seine Vorgehensweise nicht. Es mag durchaus sinnvoll sein, Hausbesuche in Heimen an bestimmten Tagen zu ‚bündeln‘. Es steht dem Kläger sowie Dr. B. frei, hierzu die Organisationsform der Berufsausübungsgemeinschaft zu wählen, so wie sie dies bereits in der Vergangenheit (bis 1997) getan hatten.“

Dr. Susanna Zentai
ist Medizinanwältin in der Kanzlei Dr. Zentai – Heckenbücker in Köln und als Beraterin sowie rechtliche Interessenvertreterin (Zahn-)Ärztlicher Berufsvereinigungen tätig.
kanzlei@d-u-mr.de