Dokumentationspflicht

Beweisschwierigkeiten unbedingt vermeiden

Die Verletzung der zahnärztlichen Aufklärungs- und Dokumentationspflichten kann nicht nur Beweisschwierigkeiten im (Zahn-)Arzthaftungsprozess nach sich ziehen und einen haftungsrechtlichen Anspruch des Patienten gegenüber dem Behandelnden begründen. Es kann auch eine Strafbarkeit wegen Abrechnungsbetrugs oder Körperverletzung konstituieren, wie das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 19.03.2020 (B 1 KR 20/19 R) klarstellte.


Dokumentationspflicht Zahnarzt Aufklärung

Dass der Patient tatsächlich in einem persönlichen Gespräch sachgerecht aufgeklärt worden ist, muss in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang ordnungsgemäß dokumentiert werden. © rh2010 – stock.adobe.com


Oft bedingen auch und gerade Unachtsamkeiten im Rahmen der zahnärztlichen Aufklärung sowie der hierzu gehörenden Dokumentationspflicht negativ verlaufende zivilrechtliche Arzthaftungsprozesse für den Behandler. Insbesondere eine schlechte oder gar nicht erfolgte Dokumentation des persönlichen Aufklärungsgesprächs bringt den Behandelnden in erhebliche Beweisnot. Denn es ist an ihm, eine ordnungsgemäße Aufklärung zu beweisen.

Neben der Wahrung der persönlichen Interessen des Patienten und dessen Recht auf Selbstbestimmung gebietet auch das persönliche Interesse des Zahnarztes auf Vermeidung eines Haftungs- bzw. Strafbarkeitsrisikos höchste Sorgfalt bei der Aufklärung des Patienten und deren Dokumentation.

Aufklärungs- und Dokumentationspflicht

Der behandelnde Zahnarzt ist gemäß § 630e Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Darüber hinaus ist bei der Aufklärung auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können. Ferner muss die Aufklärung gemäß § 630e Abs. 2 Nr. 3 BGB so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann.

„Die formularmäßige Aufklärung  kann das persönliche Gespräch  jedoch in keinem Fall ersetzen.“RA Helge Rust

Die Aufklärung muss gemäß § 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB stets mündlich durch den Behandelnden selbst oder eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahmen notwendige Ausbildung verfügt. Zwar kann hier ergänzend auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhalten hat. Die formularmäßige Aufklärung kann das persönliche, individuelle Gespräch jedoch in keinem Fall vollumfänglich ersetzen.

Ordnungsgemäß dokumentieren

Angesichts der Beweispflicht des Arztes in einem Arzthaftungsprozess (§ 630h Abs. 2 S. 1 BGB), dass der Patient tatsächlich in einem persönlichen Gespräch sachgerecht aufgeklärt worden ist, gilt es, dies in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang ordnungsgemäß zu dokumentieren. Diese Dokumentationspflicht wurde vom Gesetzgeber 2013 mit der Einführung von § 630f BGB festgeschrieben. Oftmals werden hierzu handschriftliche Ergänzungen auf einem vorher an den Patienten ausgegebenem, allgemeinem Aufklärungsbogen getätigt. Auch ein entsprechender elektronischer Vermerk ist möglich und ausreichend. Wichtig ist in jedem Fall, dass an diesem keine nachträglichen Veränderungen vorgenommen werden können und nicht der Eindruck einer bloß standardisierten Ergänzung entsteht, sondern aus dem Vermerk deutlich hervorgeht, dass tatsächlich eine individuelle Aufklärung stattgefunden hat.

Neben Aufzeichnungen über die persönliche Aufklärung des Patienten ist der Behandelnde gemäß § 630f Abs. 2 BGB verpflichtet, sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen sowie Eingriffe und ihre Wirkungen. Lässt der Behandelnde zu dokumentierende Maßnahmen undokumentiert, wird gemäß § 630h Abs. 3 BGB vermutet, dass diese nicht erfolgt sind.

Haftungsrechtliche Ansprüche vermeiden

Abgesehen von benannten Beweisschwierigkeiten, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung stattgefunden hat, kann die Verletzung der (zahn-)ärztlichen Aufklärungs- und Dokumentationspflicht gegebenenfalls haftungsrechtliche Ansprüche des Patienten gegenüber dem Behandelnden begründen. Voraussetzung ist dann jedoch zusätzlich, dass die Aufklärungspflichtverletzung für den vom Patienten geltend gemachten Schaden auch ursächlich war.

Von der Selbstbestimmungsaufklärung grundsätzlich zu differenzieren sind die Informationspflichten des Behandelnden nach § 630c Abs. 2 BGB. Ein Verstoß gegen diese Pflichten stellt einen Behandlungsfehler dar, der ebenso wie die Verletzung der Selbstbestimmungsaufklärung haftungsrechtliche Ansprüche des Patienten begründen kann.

Grundsätzlich hat der Behandelnde die Patientenakte gemäß § 630f Abs. 3 BGB für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Allerdings empfiehlt es sich, angesichts der Verjährung haftungsrechtlicher Ansprüche erst nach bis zu 30 Jahren, die Patientenakte möglichst über die Frist von zehn Jahren hinaus aufzubewahren.

Strafbarkeit wegen Körperverletzung entfällt

Seit einer Entscheidung des Reichsgerichts im Jahr 1894 stellt auch der lege artis durchgeführte (zahn-)ärztliche Heileingriff eine tatbestandsmäßige Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) dar. Diese seither ständige Rechtsprechung ist grundsätzlich, um eine vollumfängliche Wahrung des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechtes des Patienten zu garantieren. Nur eine vollumfängliche Aufklärung des Patienten vermag sicherzustellen, dass die (zahn-)ärztliche Behandlung auch dem Willen und dem Interesse des Patienten entspricht. Wurde der Patient ordnungsgemäß aufgeklärt und liegen die weiteren Voraussetzungen einer Einwilligung – wie etwa die Einwilligungsfähigkeit des Patienten – vor, fehlt es an der Rechtswidrigkeit des durchgeführten Heileingriffs und eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung entfällt.

Fehlt es hingegen an einer ordnungsgemäßen Aufklärung und damit an einer Einwilligung des Patienten, droht nicht nur eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung, sondern auch wegen Abrechnungsbetrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB. Ist die zahnärztliche Behandlung (im Ergebnis) ohne Einwilligung des Patienten und somit rechtswidrig erfolgt, steht dem Behandelnden kein Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zu. Dabei ist die Frage nach der medizinischen Gebotenheit einer Behandlung und ob diese lege artis durchgeführt worden ist, nachrangig zu beantworten.

„Zahnkliniken, ZMVZ und Zahnarztpraxen sollten ihre Aufklärungspraxis regelmäßig kritisch hinterfragen und stets weiter optimieren.“ RA Helge Rust

Möglichen Abrechnungsbetrug vermeiden

Hier liegt auch der Anknüpfungspunkt für eine mögliche Strafbarkeit wegen Abrechnungsbetrugs. Mit der Abrechnung der Behandlung gegenüber der Krankenkasse erklärt der Behandelnde schlüssig, dass der geltend gemachte Vergütungsanspruch sozialrechtlich tatsächlich besteht. War die Behandlung wegen Verletzung der Aufklärungspflichten rechtswidrig, besteht ein entsprechender Vergütungsanspruch aber gerade nicht. In diesem Fall täuscht der Zahnarzt nämlich mit der Abrechnung die Krankenkasse über das Bestehen des Vergütungsanspruchs, und mit der Auszahlung auf Grundlage dieser Abrechnung erfolgt eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung.

Mit der Vergütung der Behandlung liegt nach der streng formalen Betrachtungsweise auch ein Vermögensschaden vor und der objektive Tatbestand des Betrugs ist erfüllt. Fraglich bleibt sodann, ob auch die subjektiven Voraussetzungen für einen strafbaren Betrug vorliegen. Der Abrechnende müsste vorsätzlich, also mit Absicht gehandelt haben. Er müsste die Aufklärungspflichtverletzung vor der Abrechnung klar erkannt und diese Erkenntnis bewusst unberücksichtigt gelassen haben. Solches eindeutig, absichtlich mit Mängeln behaftetes Verhalten zu beweisen ist schwer. Allerdings können wiederholte oder gar ständige und erst recht offensichtliche Aufklärungsfehler einen Vorsatz anzeigen.

Zahnkliniken, ZMVZ und Zahnarztpraxen sollten ihre Aufklärungspraxis regelmäßig kritisch hinterfragen und diese sowie die Dokumentationspflicht stets weiter optimieren, um Beweisschwierigkeiten in haftungsrechtlichen Angelegenheiten und das Risiko einer Ermittlung wegen Abrechnungsbetrugs gering zu halten bzw. zu vermeiden.


Der Experte

RA Helge Rust

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RA Helge Rust
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarzthaftungsrecht.
koeln@medizin-recht.com