Innovation für Wundverschlüsse und Geweberegeneration

Weshalb ein neues Biomaterial Spinnenfäden nachahmt

Werden Wunden in Medizin und Zahnmedizin mit Fäden vernäht oder mit Wundauf- oder einlagen versorgt, bildet sich auf der Oberfläche bereits nach kurzer Zeit ein bakterieller Biofilm. Nicht selten ist das die Ursache von Entzündungen oder Störungen der Wundheilung. Bayreuther Wissenschaftler haben jetzt ein neuartiges Biomaterial für Wundverschlüsse und die Geweberegeneration entwickelt – auf der Basis von Spinnenseide. Welche Vorteile versprechen sie sich davon?


Biomaterial Spinnenfäden

Spinnenfäden verfügen über Struktureigenschaften, die ihre Oberfläche mikrobenabweisend machen. Forscher der Universität Bayreuth haben sich diese Eigenschaften jetzt für ein neues Biomaterial zunutze gemacht. © C.M. – stock.adobe.com


Es gibt Materialien in der Natur, die es Mikroben allein aufgrund ihrer Struktur erschweren, sich anzulagern. Die Spinnenseide ist so ein Fall. An ihr findet man in der Natur nur sehr selten Bakterien oder Pilze. Der Grund dafür: Die Spinne bildet ihre Fäden mit der Hilfe bestimmter Proteine. Diese verfügen im Nanometerbereich über Struktureigenschaften, die die Spinnenseidenoberfäche mikrobenabweisend machen.

Künstliche Spinnenseidenproteine sollen Biofilme verhindern helfen

Forscher des Instituts für Biomaterialien der Universität Bayreuth haben sich diese Eigenschaft der Spinnenfäden nun zum Vorbild für ein Biomaterial genommen. Das Team um Prof. Dr. Thomas Scheibel, Lehrstuhl für Biomaterialien der Universität Bayreuth, hat Spinnenseidenproteine biotechnologisch hergestellt und mit verschiedenen Nanostrukturen versehen. Auf diese Weise wollten die Wissenschaftler herausfinden, welche biomedizinisch relevanten Eigenschaften sich am besten für welche medizinischen Anwendungen eignen.

Die künstlichen Spinnenseidenproteine verarbeitete das Team zu folienartigen Beschichtungen von nur wenigen Nanometern Dicke. Sie sollen zukünftig dabei helfen, die Bildung von Biofilmen auf Implantaten, Prothesen, medizinischen Instrumenten oder Kontaktlinsen zu verhindern, so die Hoffnung der Forscher.

Biomaterial aus Spinnenfäden auch für Implantologie interessant

Erste Studienergebnisse sprechen für einen Erfolg des neuen Biomaterials: In Versuchen gelang es weder Pilzen noch krankheitserregenden Bakterien wie Escherichia coli oder Staphylococcus aureus, sich an die mit der Beschichtung versehenen Oberflächen anzuheften.

Gleichzeitig förderte das neuentwickelte Biomaterial offensichtlich die Anlagerung humaner Zellen sowie die Zellproliferation, wie das Forscherteam herausfand. Diese Eigenschaft könnte für eine weitere Entwicklung der Bayreuther Wissenschaftler von Nutzen sein. Denn neben der 2D-Beschichtung aus künstlichen Spinnenseidenproteinen konstruierte das Team auch ein Spinnenseiden-Hydrogel, das die Struktur eines dreidimensionalen Netzwerks aufwies. Den Forschern zufolge könne dieses Hydrogel-Gerüst das Wachstum neuer Zellen unterstützen, während es sie gleichzeitig vor einem Mikrobenbefall abschirmt. Für Anwendungsbereiche wie den Hautersatz oder die Osseointegration von Implantaten kann diese Entdeckung zukünftig interessant werden.

 

Quelle:

Kumari S, Lang G, DeSimone E, Spengler C, Trossmann V, Lücker S, Hudel M, Jacobs K, Krämer N, Scheibel T: Engineered spider silk-based 2D and 3D materials prevent microbial infestation. Materials Today 2020. DOI: dx.doi.org/10.1016/j.mattod.2020.06.009