Neue Studie zu Implantatversagen und SSRI

Wie Antidepressiva Implantatverlust begünstigen

Erhöhen Antidepressiva aus der Gruppe der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer für Patienten das Risiko, Zahnimplantate zu verlieren? Eine aktuelle Studie legt diesen Schluss nahe.


SSRI Antidepressiva Implantatverlust Implantatversagen

Stimmungsaufheller mit Nebenwirkungen: Die Einnahme von Antidepressiva aus der Klasse der SSRI kann unter bestimmten Umständen negative Folgen für das Implantatüberleben haben, wie eine aktuelle Studie herausfand. © luchschen – iStockphoto


Sie finden weltweit Anwendung in der Pharmakotherapie von Affekt-, Angst- und Zwangsstörungen: Antidepressiva des Typs Selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – oder kurz: SSRI.  Deren stimmungsaufhellender und angstlösender Effekt gilt wissenschaftlich als unbestritten. Doch immer mehr Untersuchungen deuten auf unerwünschte Nebeneffekte hin: So scheinen sich die Antidepressiva negativ auf den Knochenstoffwechsel und das Einheilen von Implantaten auszuwirken und damit Implantatverlust zu fördern, wie jüngst US-amerikanische Wissenschaftler in einer Studie berichteten.

20 Jahre Beobachtung des Zusammenhangs von SSRI und Implantatverlust

Die Forscher des Department of Dental Specialties der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, hatten den Zusammenhang zwischen dem Versagen von Zahnimplantaten und einer SSRI-Behandlung untersucht. Dabei analysierten sie retrospektiv die Daten von Patienten, die zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 31. Dezember 2014 mindestens ein Implantat erhalten hatten. Die Wissenschaftler gliederten die Probanden in verschiedene Gruppen – je nachdem, ob die Patienten in ihrer Vorgeschichte SSRI eingenommen hatten, diese während der Zeit ihrer Implantation konsumierten oder erst nach der Implantatinsertion mit der Einnahme begonnen hatten.

Auch der jeweilige SSRI-Wirkstoff spielte in der Untersuchung eine Rolle: Die US-Forscher unterteilten die Studienteilnehmer danach, ob sie Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Paroxetin oder Sertralin eingenommen hatten. Anschließend werteten sie die Häufigkeit für ein Implantatversagen in den verschiedenen Gruppen aus.

Erhöhtes Risiko für Implantatversagen unter Sertralin

Innerhalb des untersuchten Zeitraums von 20 Jahren erhielten insgesamt 5456 Patienten ihr erstes Implantat – durchschnittlich im Alter von 53 Jahren. Die mediane Follow-up-Dauer betrug 5,3 Jahre. Bei rund 90 Prozent der Patienten verlief die Implantatinsertion langfristig erfolgreich. Bei 529 Patienten aus der Kohorte jedoch kam zu einem Implantatverlust, im Schnitt ein halbes Jahr nach der Insertion.

Dabei fielen besonders Patienten auf, die in ihrer Vorgeschichte den SSRI Sertralin eingenommen hatten: In dieser Population lag das Risiko eines Implantatverlusts um 60 Prozent höher als in den übrigen Gruppen. Ob ein SSRI zum Zeitpunkt der Implantation oder post-OP angewendet wurde, korrelierte dagegen nicht signifikant mit einem erhöhten Risiko für Implantatversagen.

SSRI-Einnahme in Vorgeschichte ungünstig für Knochenheilung

Die US-Forscher sahen in den gewonnenen Daten einen Hinweis darauf, dass eine Therapie mit SSRI in der Patienten-Vorgeschichte möglicherweise langfristig negative Folgen für die Knochenheilung haben könnte. Auch auf die Anzahl der Präparate kam es an: Wie die Wissenschaftler berichteten, hatten Patienten mit einer Anamnese von zwei oder mehr SSRI ein signifikant höheres Risiko, ihr Implantat zu verlieren als solche, die keine SSRI eingenommen hatten.

Hintergrund: SSRI und ihre Folgen für die Mundgesundheit

Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (Selective Serotonin Reuptake Inhibitors; SSRI) sind eine Klasse von Antidepressiva und die am häufigsten verwendeten Pharmaka zur Therapie einer Depression. Sie wirken, indem sie Serotonintransporter blockieren und dadurch die Konzentration des Neurotransmitters Serotonin im Gehirn erhöhen. Dabei gehen sie selektiv vor, weil sie an andere Monoamintransporter nicht oder nur sehr schwach binden. Das Wirkspektrum des Neurotransmitters Serotonin im Körper ist breit: Somit kommt es auch zu weitreichenden systemischen und psychologischen Effekten, wenn der sensible Neurotransmitter-Stoffwechsel durch SSRI beeinflusst wird. Für Zahnmediziner relevant sind insbesondere die Wirkung der SSRI auf die Speichel- und Knochenbildung. Wer über einen längeren Zeitraum Antidepressiva aus dieser Klasse einnimmt, hat beispielsweise ein höheres Risiko, eine Karies zu entwickeln. Grund dafür ist die Mundtrockenheit, die als Nebenwirkung bei der SSRI-Einnahme auftritt: Der fehlende Speichel wirkt sich ungünstig auf die Mundflora aus und erschwert die Wundheilung. Davon sind auch Implantate betroffen, deren Einheilen negativ beeinflusst wird. Frühere Studien deuten zudem darauf hin, dass SSRI die Knochenbildung verringern und das Risiko für Knochenbrüche erhöhen. Das wirkt sich auch auf die Osseointegration eines Implantats aus: So legen eine Reihe von Studien einen Zusammenhang zwischen einer SSRI-Therapie und dem Risiko des Verlustes bei osseointegrierten Implantaten nahe.


Alan B. Carr, Ricardo L. Vidal Gonzalez, Li Jia, Christine M. Lohse: Relationship between Selective Serotonin Reuptake Inhibitors and Risk of Dental Implant Failure. Published in Journal of Prosthodontics 13 January 2019. DOI: doi.org/10.1111/jopr.13015.