Reparatur-Chirurgie

Periimplantitis: Vorbeugen, behandeln, reparieren

Um Weichgewebsstrategien zur Perimplantitisvermeidung, Maßnahmen zur Rettung nicht erhaltungswürdiger Implantate sowie neue Möglichkeiten der Periimplantitisbekämpfung ging es bei der 5. Geistlich-Konferenz in Baden-Baden. „Reparatur-Chirurgie“ lautete das Thema. Ziel war es, „Pionierarbeit zu leisten“, um Behandlungsstandards für die tägliche Praxis weiter zu entwickeln und neue zu etablieren.


Was passiert, wenn die erste Generation der Implantate verloren geht? Das diskutierten die Experten Prof. Michael Stimmelmayr, Dr. Dr. Markus Tröltzsch, Dr. Florian Rathe und Prof. Moritz Kebschull unter der Moderation von Prof. Hendrik Terheyden auf der 5. Geistlich Konferenz in Baden-Baden. © Schunk


Was passiert, wenn die erste Generation von Implantaten verloren geht? Diese Frage stand im Fokus der Veranstaltung. Denn die steigenden Fallzahlen von Periimplantitis und Defekten nach Implantatverlust und -entfernung stellen Behandler vor die Herausforderung, die Kaufunktion mithilfe von Regenerationsmaßnahmen für Knochen und Weichgewebe wiederherzustellen zu müssen. Aber: Je häufiger man an der gleichen Stelle operiert, desto anspruchsvoller wird es, wie der Vorsitzende der Konferenz Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden, Kassel, mahnte. „Das Erstimplantat muss gut sein.“ Es gelte, bereits bei der Erstimplantation einzukalkulieren, dass es zu einer zweiten Implantation kommen könne. Er empfahl, „ein bisschen demütig“ zu sein, das Weichgewebe zu schonen, bei der Zweitimplantation sichere Verfahren zu wählen und dem Patienten „nicht zu viel zu versprechen“.

Implantaterfolg hängt am Weichgewebe

Nach einer Studie von Agari et al. sinke die Erfolgsquote bei Zweitimplantation von 95, 4 auf 77,4, bei Drittimplantation auf 72,7 Prozent. Bei einer vierten Implantation überleben demnach nur noch 50 Prozent der Implantate. Dass ausreichendes Weichgewebe eine enorme Bedeutung für den Implantaterfolg hat, zeigte Prof. Dr. Michael Stimmelmayr, Cham. Linkevicius et al. hätten als erste gezeigt, dass zu dünne Mukosa Knochenverlust verursacht. Der zirkuläre periimplantäre Knochenverlust bei einer Weichgewebsdicke unter 2 mm könne nach dieser Untersuchung zirka 1,35 mm betragen. Stimmelmayr: „Wenn ich heute implantiere und die Gingiva misst weniger als 2 mm, verdicke ich immer, entweder mit Bindegewebstransplantat oder Ersatzmaterial. Wir wollen natürlich keine 10 mm, ideal sind 3 bis 4 mm an Implantaten.“

Weichgewebsverhältnisse so relevant wie ausreichender Knochen

Stabile Weichgewebsverhältnisse um Implantate sind seiner Ansicht nach für die Funktion und die Ästhetik ebenso relevant wie ausreichender Knochen. Für die Verbreiterung der keratinisierten Gingiva empfiehlt er freie Schleimhauttransplantate und – indikationsbedingt – porcine Weichgewebsmatrizes. Die Weichgewebsmatrizes reduzierten die Entnahmemorbidität, was vor allem bei größeren Augmentationen, bei denen größere Transplantate nötig seien, Vorteile bringe. Wichtig beim Einsatz der Weichgewebsmatrix Fibro-Gide sei es, ganz akribisch zu nähen, sonst drohten Dehiszenzen. Stimmelmayr: „Fibro-Gide quillt auf.“

Reparatur-Chirurgie: Periimplantitis und ihre Folgen behandeln

Wie aber lässt sich eine vorhandene Periimplantitis und ihre Folgen behandeln? Eine Anleitung zur Reparatur-Chirurgie für nicht erhaltungswürdige Implantate lieferte Dr. Dr. Markus Tröltzsch, Ansbach. Ist bei bestehender Infektion noch Restknochen vorhanden, empfiehlt er den Kieferkammerhalt mit Deproteinized Bovine Bone Mineral (DBBM), resorbierbarer Kollagenmembran und PRF – vorausgesetzt, der Patient verhält sich compliant. Eine Kieferkammaugmentation hält Tröltzsch für indiziert, wenn ein großer, nicht infizierter Defekt vorliegt, der Patient gesund ist und sich kooperativ (compliant) verhält. Als Augmentationsmittel der Wahl nannte er das individuelle Titangitter oder die Schalentechnik mit KEM, partikulärem Material & resorbierbarer Kollagenmembran & Platelet-rich Fibrin (PRF). Bei einem entzündlichen Prozess sei es immer die sicherste Variante, erst einmal abheilen zu lassen und erst dann zu augmentieren, sagte er.


Augmentieren in Entzündung?

Bei Nicht-Risikopatienten nehme er auch kleinere augmentative Maßnahmen wie Ridge Preservation (mit xenogenen Materialien mit hohen Kollagenanteilen) in gering entzündetem Gebiet vor. Tröltzsch: „Wir hoffen, dass wir in den nächsten ein bis zwei Jahren Daten dazu haben.“

Älter als sechs Monate darf der Anamnesebogen nicht sein. Dann sind Sie erledigt, wenn es zum Prozess kommt. <span class="su-quote-cite">Dr. Dr. Markus Tröltzsch</span>

Als eine der besten Strategien gegen Periimplantitis und einen späteren Implantatverlust nannte Tröltzsch eine akribische Anamnese. Dabei gelte es, auch die Erwartung des Patienten abzufragen. Wichtig: Älter als sechs Monate darf der Anamnesebogen nicht sein. „Dann sind Sie erledigt, wenn es zum Prozess kommt.“

Periimplantitis behandeln: Bioaktive Implantatoberfläche erhalten

Über Strategien zur erfolgreichen Osseointegration nach dem Behandeln einer Periimplantitis sprach Dr. Florian Rathe, Forchheim. Er stellte das von Dipl.-Ing. Holger Zipprich, Dr. Urs Brodbeck und PD Dr. Dr. Markus Schlee entwickelte elektrolytische Implantatreinigungsverfahren GalvoSurge vor.

Es gehe nicht nur darum, den Biofilm zu entfernen, sondern eine bioaktive Oberfläche zu erhalten, damit das Implantat wieder vollständig vom Knochen umwachsen werde, betonte er. Der wesentliche Schritt des GalvoSurge-Verfahrens ist, dass das Wasser quasi elektrolytisch gespalten wird in H+- und OH–Ionen. Das negativ geladene Implantat zieht die H+-Ionen an, welche auf der Implantoberfläche reduziert werden, es entsteht Wasserstoff, sichtbar als kleine Bläschen auf dem Implantat, die den Biofilm vom Implantat aus wegdrücken. Allerdings muss dazu die Prothetik entfernt werden. Insofern sei mit Blick auf die Kosten akribisch zu prüfen, für welche Indikationen es eingesetzt werden soll, hieß es.

Nicht sinnvoll ist es, ein Implantat zu retten, das falsch positioniert oder zu dick sei.

Augmentieren und Diabetes – wenig Evidenz

Welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implantation aus wissenschaftlicher Sicht erfüllt sein müssen, brachte Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Mainz, auf den Punkt. Der Zusammenhang zwischen Allgemeinerkrankungen und Implantatreparatur werde derzeit vernachlässigt, kritisierte er. „Es ist enttäuschend, wie wenig in der Literatur zum Thema Augmentationen und Diabetes zu finden ist.“ Aufgrund der geringen Evidenz riet er, im Vorfeld von Augmentationen zu intensiven Anamnese-Gesprächen mit Diabetes-Patienten.

Aktuell beschäftigten sich zudem Konsensuskonferenzen mit dem Einfluss von Medikamenten auf die Osseointegration, führte er aus. In Tierversuchen habe sich bei der Gabe von Antidepressiva eine deutlich geringere Knochenregeneration gezeigt. Auch retrospektive, klinische Studien dokumentierten einen höheren Implantatverlust. Das gelte auch für Protonenpumpenblocker, zum Beispiel für den Wirkstoff Omeprazol. Dort gebe es eine eindeutige Evidenz zur verminderten Osteoklastenaktivität. Kontrovers diskutiert werde nach wie vor die prophylaktische Gabe von Vitamin D bei Implantatpatienten. Ob die Gabe sinnvoll sei, lasse sich wissenschaftlich aber nicht belegen. Jede Form von Tabakkonsum ist dagegen als Risikofaktor für Wundheilungsstörung und Periimplatitis gut belegt. Das gelte auch für den Zusammenhang von Parodontitis und Periimplantitis.

Es ist enttäuschend, wie wenig in der Literatur zum Thema Augmentationen und Diabetes zu finden ist. <span class="su-quote-cite">Prof. Bilal Al-Nawas</span>

Al-Nawas widmete sich noch weiteren Forschungsergebnissen, unter anderem den genetischen Risikofaktoren, dem Für und Wider eines Einsatzes von Schablonen und der (etablierten) Antibiotikaprophylaxe vor der OP.

Unbefestigte Mukosa – höherer Implantatverlust

Prof. Dr. Moritz Kebschull, Birmingham, skizzierte die weichgewebigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implantation aus wissenschaftlicher Sicht. Der langfristiger Implantaterfolg hänge mit der Güte des Weichgewebes zusammen, betonte er. Unbefestigte Mukosa gehe mit einem höheren Implantatverlust einher. Nach einer Weichgewebsaugmentation werde weniger Plaque und weniger Entzündung gemessen. Optimaler Augmentationszeitpunkt sei bei der Implantation oder beim second stage. Sein Fazit: Eine Weichgewebsaugmentation führe zur verbesserten Hygienefähigkeit und Ästhetik sowie zu weniger Entzündungen. Als Ersatz fürs Freie Schleimhauttransplantat seien Kollagenmatrizes geeignet.