Substanzschonende Kariestherapie

Minimalinvasives Exkavieren: Kons ohne Lobby?

Würde die substanzschonende Kariestherapie besser honoriert, könnte sie flächendeckend Fuß fassen. Und volkswirtschaftlich würde sich das auch rechnen, da das minimalinvasive Exkavieren so manchen Zahn vor der kostspieligeren endodontischen Behandlung bewahrt. Wie stehen die Chancen?



Seit mindestens 20 Jahren sind Substanzschonung und minimalinvasives Arbeiten en vogue. Die Dentinadhäsive haben enorme Fortschritte gemacht, dichte Kavitätenränder gelingen damit heute mehr oder weniger problemlos. Das hat einem ganzen Spektrum neuer substanzschonender Kariesexkavationsansätze den Weg bereitet, nicht nur Polymerbohrern, die helfen, unnötige Pulpaeröffnungen und damit kostspielige endodontische Behandlungen zu vermeiden. Auch Enzyme und drehmomentbegrenzte Bohrer haben sich bewährt, sind aber derzeit kommerziell nicht erhältlich.

Ein weiteres gutes Konzept ist die fluoreszenzunterstützte Kariesexkavation (FACE). Das Thema nimmt an Fahrt auf, dringt ins Bewusstsein der Zahnmediziner – auch der Praktiker. „Schade nur, dass all die substanzschonende Denkweise nicht angemessen honoriert wird“, bedauert Prof. Dr. Karl-Heinz Kunzelmann, München. Dabei ließe sich damit langfristig durch Vermeiden von Wurzelkanal- und Folgebehandlungen sogar ein volkswirtschaftlicher Vorteil erzielen. Der Wissenschaftler sieht da sowohl die Standespolitik als auch die GKV in der Pflicht. Denn „für Kompositfüllungen gibt es im Kassensystem nur einen Minibetrag“, kritisiert er.

Unterschiedliche Bewertungshöhen

Teilkronen und Kronen bringen deutlich mehr Geld als Kompositfüllungen. Um den gleichen Umsatz mit Füllungen zu erzielen, bräuchte es einen deutlich höheren Patientendurchlauf. Wird in Deutschland die Zahnerhaltung durch die Prothetik subventioniert? Diese Frage stellen sich immer mehr Zahnärzte.
Zurzeit „kennt“ man im BEMA lediglich die Kompositfüllungen im Seitenzahnbereich bei Patienten, die eine Unverträglichkeit auf Amalgam-Inhaltsstoffe haben. Diese Unverträglichkeit muss noch nach den Kriterien der Kontaktallergiegruppe der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft festgestellt werden.

„Die Bewertung dieser Füllungen, die auch mengenmäßig nicht mehr als ein Prozent aller Füllungen ausmachen sollen, wurde seinerzeit vom Erweiterten Bewertungsausschuss vorgenommen – mit dem im Protokoll verzeichneten Vermerk, dass die Bewertungshöhe aus Kostengründen am unteren Ende vorgenommen wurde und für Zahnärzte gerade noch zumutbar gewesen sei“, heißt es dazu bei der KZBV. Die Richtlinien sehen dazu ein Herstellen der Füllung in Schichttechnik vor. Ansonsten gibt es im BEMA nur eine Einheitsposition (je nach Füllungsgröße), die auch Kompositfüllungen umfasst. Die Bewertung von Füllungen und Kronen wurde bei der sogenannten BEMA-Umrelationierung auf der Basis von Zeitmessstudien vorgenommen. Das erkläre die unterschiedlichen Bewertungshöhen.

BEMA-Position keine Lösung

Wären neue BEMA-Gebührenpositionen eine Lösung? „Nein“, antwortet Dr. Wolfgang Menke, Präsident der Zahnärztekammer Bremen und Vorsitzender des Ausschusses für Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer (BZÄK): „Im SGB-V-Bereich wäre die Schaffung neuer Gebührenpositionen unter dem Aspekt einer budgetierten, begrenzten Gesamtvergütung sinnlos, weil sie von den Zahnärzten durch floatende Punktwerte und Kürzungen über die Honorarverteilungsmaßstäbe oder- systeme selbst bezahlt werden würden.

Das heißt, per Saldo ergibt sich durch die Hereinnahme neuer Leistungen in den BEMA für die Zahnärzte in ihrer Gesamtheit eine Verschlechterung und keine finanzielle Verbesserung, sondern allenfalls Verschiebungen zugunsten oder zulasten einzelner Sparten.“ Die Aufnahme einer neuen Leistung in den BEMA bedeute ja schließlich noch nicht, dass für diese Leistung auch entsprechende zusätzliche Mittel bereitstehen. Dies wäre erst dann der Fall, wenn diese Leistungen als extrabudgetär vereinbart würden, was in der jetzigen Zeit illusorisch erscheint. Menkes Tipp: Im SGB V konsequent die Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 und in der GOZ bei nicht beschriebenen Leistungen die analoge Berechnung nutzen.

GKV-NOG: Guter Ansatz gekippt

Das GKV-System hat den Wandel vom Reparaturbetrieb zur präventionsorientierten Zahnheilkunde bis heute nicht nachvollzogen, kritisiert dagegen die Abrechnungsexpertin Christine Baumeister-Henning. Ihrer Ansicht nach wäre es bei Weitem sinnvoller und auch kostengünstiger, Prophylaxe, PZR für Erwachsene, minimalinvasive Restaurationen und weitere zahnerhaltende und substanzschonende Leistungen in den Katalog aufzunehmen. Einen guten Ansatz dazu hatte ihrer Ansicht nach das 2. GKV-Neuordnungsgesetz (2. GKV-NOG) im Jahr 1998. Leider sei dieser nach bereits einem Jahr gekippt und nie wieder in Angriff genommen worden, bedauert sie. Allerdings habe mit Blick auf die Problematik der Budgetierung auch damals seitens der Zahnärzteschaft die Bereitschaft gefehlt, neue Leistungen auf eigene Kosten in den BEMA aufzunehmen. Darauf weist auch Menke hin. Das 2. GKV NOG habe sich im zahnärztlichen Bereich dann vor allem mit folgenden Themen beschäftigt:

  • Verringerung der Kassenzuschüsse für Zahnersatz bei allen vor 1979 Geborenen,
  • Einführung des Kostenerstattungsprinzips bei Zahnersatz und kieferorthopädischer Behandlung von Jugendlichen sowie eines Festzuschusses.

Pflicht zur Minimalinvasivität

Grundsätzlich sind Zahnärzte aber verpflichtet, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Materialien minimalinvasiv zu präparieren. Das heißt, sie dürfen nicht mehr gesunde Zahnsubstanz opfern als notwendig, wie es der GKV-Spitzenverband ausdrückt. Die Idee, neue minimalinvasive Füllungsleistungen in den BEMA aufzunehmen, sei bei den Gesprächen mit der KZBV auch aus dem Grund nicht weiter verfolgt worden, weil es dabei zu Abgrenzungsproblemen kommen kann, nach dem Motto: Wann ist eine Füllung als minimalinvasiv zu bezeichnen? Die Übergänge seien da fließend. Grundsätzlich ließen sich Kompositfüllungen zwar am besten minimalinvasiv gestalten. Doch zählen diese nur im Frontzahnbereich zum Leistungskatalog der GKV.

„Insofern haben die fehlende Möglichkeit einer eindeutigen Abgrenzung und das Wirtschaftlichkeitsgebot gegen die Aufnahme spezieller minimalinvasiver Füllungen in den BEMA gesprochen“, so der GKV-Spitzenverband. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass auch heute mit den bestehenden Füllungspositionen eine minimalinvasive Präparation in Abhängigkeit vom gewählten Füllungsmaterial jederzeit möglich ist.
Die substanzschonende Kariesexkavation ist allerdings nur mit Adhäsivtechnik möglich, wie Kunzelmann betont. Wer als Kassenpatient also nichts zuzahle, sei davon dann bei Seitenzahnproblemen definitiv ausgeschlossen. Denn mit Glasionomerzementen kann man zumindest mit dem Polymerbohrer nicht substanzschonend exkavieren.