Vermischtes

Zahnmedizin: Welche Master sich wirklich lohnen

Wer sich als Zahnarzt intensiv weiterbilden und spezialisieren möchte, kann sich für einen berufsbegleitenden Masterstudiengang in den verschiedenen Fachgebieten einschreiben. So zahlreich die Programme sind, so unterschiedlich ist ihr Qualitätsniveau, sagen Studierende und Professoren.


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Die Universität Freiburg hat einen, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf auch. Und sogar die private Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB), eigentlich bekannt für ihre Technologie- und Managementprogramme, schmückt sich mit einem Masterstudiengang in der Zahnmedizin. An die 20 Ausbildungen mit Master-of-Science-Abschluss können approbierte Zahnärzte im deutschsprachigen Raum absolvieren, in den unterschiedlichsten Spezialgebieten von Kinderzahnheilkunde bis zu ästhetischer Gesichtschirurgie.

Laut Erkenntnissen einer Studie des Instituts Deutscher Zahnärzte (IDZ) zum Rollenverständnis im Berufsstand hat fast jeder fünfte Zahnarzt Interesse an einer „Spezialisierung mit formalem Abschluss“. So reichen vielen Zahnmedizinern die Curricula etwa der Akademie für Praxis und Wissenschaft (APW) nicht aus. Sie wollen theoretisches und praktisches Wissen vertiefen und schreiben sich daher für ein zwei- bis dreijähriges postgraduales Universitätsstudium ein. „Das Curriculum, das ich zuerst absolviert hatte, war deutlich oberflächlicher als der anschließende Master“, erzählt Dr. Sabine Hessabi, die in Baden-Baden eine Fachpraxis für Parodontologie und Periimplantäre Therapie betreibt und den gleichnamigen Online-Masterstudiengang der Universität Freiburg absolviert hat. „Ich finde Parodontologie extrem spannend und wollte mein Wissen vertiefen – deshalb habe ich den Master gemacht.“

Curricula der Akademie Praxis und Wissenschaft

Um dem Wunsch und der Notwendigkeit nach Fortbildung in der Zahnmedizin nachzukommen, wurde vor 40 Jahren die Akademie Praxis und Wissenschaft (APW) der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) ins Leben gerufen. Seither hat die APW zahlreiche Curricula in allen zahnmedizinischen Disziplinen auf den Weg gebracht, die heute bei einigen Masterprogrammen als Teil des Studiums anerkannt werden. „Der Master kann und sollte die höhere Stufe sein“, sagt APW-Vorsitzender Dr. Norbert Grosse. So biete die DGZMK gemeinsam mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ein Masterprogramm in der Endodontologie an. „Ein gutes Beispiel dafür, wie unter Anerkennung der Curriculum-Inhalte ein Master aufgesetzt werden kann“, erklärt Grosse. „Der einzige Studiengang in Deutschland in diesem Fach“, sagt Studiengangleiter Dr. David Sonntag. „Die Stärke unseres Programms ist der internationale Referentenpool.“

Da es für das Gros der Zahnärzte praktisch unmöglich ist, ihre eigene Praxis für drei Jahre aufzugeben und nach geschafftem APW-Curriculum mit Abschluss „Tätigkeitsschwerpunkt“ eine Vollzeitweiterbildung zum Fachzahnarzt zu absolvieren, starteten vor rund 15 Jahren die ersten berufsbegleitenden Masterstudiengänge. „Ein Kompromiss, der niedergelassenen Kollegen eine tiefergehende Ausbildung im Sinne einer Weiterbildung ermöglicht“, erklärt Professor Dr. Peter Eickholz vom Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO). Seit 2007 bietet die Fachgesellschaft ein berufsbegleitendes Masterprogramm an.

Postgraduale Universitätsstudien für Heilberufe

In Kooperation mit den österreichischen Hochschulen Donau-Universität Krems (DUK) und Danube Private University (DPU) in Krems initiierte die PUSH (Postgraduale Universitätsstudien für Heilberufe) GmbH mit Sitz in Bonn schon im Wintersemester 2000/2001 postgraduale Masterstudiengänge in der Zahnmedizin. Das Bonner Institut geriet seither öfter in die Kritik der dentalen Fachgesellschaften. „Das Programm ist wesentlich theoretischer und kann mit dem unsrigen, praktisch ausgerichteten nicht mithalten“, sagt Professor Dr. Ulrich Schlagenhauf, Leiter der Abteilung für Parodontologie in der Poliklinik für Zahn‧erhaltung und Parodontologie der Universität Würzburg und Mitinitiator des Masterstudiengangs der DG PARO. „Absolventen aus Krems wissen vielleicht theoretisch, wie etwas funktioniert – jedoch lernen unsere Teilnehmer mehr Praktisches.“ Die postgradualen Programme laufen in der Regel zwei bis drei Jahre und kombinieren wissenschaftliche mit praktischen Inhalten.

„Viele DGI-Mitglieder wollten damals den Implantologie-Masterstudiengang nicht in Krems absolvieren“, sagt Professor Dr. Günter Dhom, langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI). Deshalb entwickelte Dhom 2003 mit Kollegen im Auftrag des DGI-Vorstands das Postgraduierten-Programm Master of Oral Implantology, das 2005 ins erste Studienjahr startete und mittlerweile rund 400 Absolventen zählt. „Die Module finden jeweils an den Wirkungsstätten unserer hochkarätigen Referenten statt“, erklärt der Implantologe. „Dadurch haben die Teilnehmer eine Chance, ins Allerheiligste von berühmten Implantologen zu schauen und zu erleben, wie diese ihre Patienten behandeln, mit ihren Mitarbeitern umgehen und ihr Berufsumfeld organisieren.“ Die Präsenztage anderer Masterstudiengänge finden oft nur im Hörsaal statt, während die Teilnehmer des DGI-Masters fast an jedem Seminarwochenende auch bei Live-OPs und Hands-on-Übungen trainieren, betont Dhom. „Wir möchten nicht, dass die Leute nur Champions in theoretischem Wissen werden. Deshalb kommen diejenigen, die lediglich ein Zertifikat oder einen Titel wollen, auch nicht zu uns. Unsere Teilnehmer wollen viel lernen und selbst etwas tun.“

Kostenintensive Zeit

Interessenten an Programmen wie dem DGI-Master, der in Zusammenarbeit mit der privaten Steinbeis-Hochschule Berlin stattfindet, müssen eine Approbation und zwei und mehr Jahre Berufspraxis sowie ein finanzielles Polster mitbringen. Um die 25.000 Euro plus betragen allein die Studiengebühren. „Hinzu kommen Reise-, Material- und Übernachtungskosten sowie andere Gebühren“, weiß Zahnärztin Hessabi.

Einen Masterstudiengang in der Implantologie bietet ebenfalls die Universität Witten-Herdecke in Zusammenarbeit mit der Europäischen Fortbildungsakademie für Medizin und Zahnmedizin (EFMZ) an, der auch eLearning-Komponenten enthält. Als Novum hat die Universität Freiburg unter der Leitung von Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger 2007 einen Online-Master der Parodontologie ins Leben gerufen, mit einer Förderung des Landes Baden-Württemberg von 860.000 Euro. „Ohne diese Summe hätten wir den Studiengang nicht etablieren können“, sagt die Studiengangleiterin. So können Parodontologie-Interessierte einen Master durch „Blended Learning“ – eine Kombination von Präsenz- und Online-Lehre – erwerben. „Das ist ideal für berufstätige Zahnärzte, die sich weiterbilden wollen, aber gleichzeitig in einer Praxis sind und eine Familie haben“, argumentiert Ratka-Krüger. Allerdings sei das Pensum nicht unerheblich, sagt Hessabi.

„Den zeitlichen Aufwand, der in Hochphasen zehn bis zwölf Wochenstunden beträgt, hatte ich unterschätzt“, gesteht die Zahnärztin, die den Online-Master 2011 abgeschlossen hat. Zweimal im Monat treffen sich die zwölf Teilnehmer im „virtuellen Klassenzimmer“ (siehe Kasten). Dafür sind die Präsenzzeiten reduziert – nur neun Mal kommen die Zahnärzte innerhalb der drei Studienjahre nach Freiburg, um dort gemeinsam Praktisches zu lernen. „Ein großer Vorteil ist unser guter Kontakt zur Anatomie“, sagt Ratka-Krüger. „So können Studierende am Humanpräparat üben, bevor sie am Patienten operieren.“

DG PARO bietet ein Master-Programm an

Niedergelassene, die sich in der Parodontologie weiterbilden möchten, haben die Qual der Wahl: Denn auch die DG PARO bietet ein Master-Programm an. „Die Parodontologieausbildung im Zahnmedizinstudium ist nicht adäquat“, moniert Schlagenhauf. Deutschlandweit gebe es zudem wenige Lehrstühle für Parodontologie, nämlich an lediglich fünf der 32 zahnmedizinischen Fakultäten. Um mehr Spezialisten auszubilden, hat Schlagenhauf das Masterprogramm der DG PARO mit entwickelt. Allerdings reisen die Teilnehmer dieses Studiengangs quer durch die Republik zu den Wirkungsstätten der Referenten. „An nur einen Ort zu fahren ist sicherlich müheloser“, sagt DG-PARO-Präsident Eickholz. „Doch die Referenten dort zu erleben, wo sie arbeiten, ist dafür authentischer. Unser weiteres Qualitätsmerkmal: Der Master wurde aus der Fachgesellschaft heraus entwickelt“, fügt er an. Anfangs war der Studiengang nach dem Vorbild des DGI-Master an der SHB angesiedelt; nach zwei Jahren wechselte die DG PARO zur Dresden International University (DIU), einer Tochter der TU Dresden. „Günstigere Konditionen, bessere Zusammenarbeit, mehr Engagement“, so fasst Eickholz die Vorteile der Verbindung mit der DIU zusammen.

Etwa 25 Studierende registrieren sich alle zwei Jahre für den Master Endodontologie der HHU Düsseldorf; etwa 30 Teilnehmer streben den DGI-Master pro Studiengang an. „Das Programm trägt sich zu 100 Prozent selbst“, versichert Dhom. Für ihn und die DGI funktioniert die Zusammenarbeit mit der Steinbeis-Hochschule, die keine medizinische oder zahnmedizinische Fakultät hat, gut. „Wir haben hier größtmögliche inhaltliche Flexibilität“, erklärt er. Die Hochschule stelle den erforderlichen akademischen Rahmen und den Kontakt zur Kultusbürokratie zur Verfügung.

Der Markt ist versorgt

Ob sich alle zurzeit existierenden Studiengänge in Zukunft halten können, ist für Dhom zumindest fraglich. „In der Implantologie ist der Markt versorgt“, bemerkt er. Waren die Teilnehmer zu Beginn der Masterprogramme noch zwischen 40 und 50 Jahre alt, sind die Studierenden jetzt jünger – auch ein Indiz dafür, dass diejenigen etablierten Kollegen, die eine universitäre Weiterbildung beabsichtigten, diese mittlerweile absolviert haben. Der Freiburger MasterOnline Parodontologie startet jetzt im Herbst zum achten Mal. 50 Studierende haben ihn bisher abgeschlossen. Für Ratka-Krüger kein Grund zur Sorge – ebenso wenig wie die gleichbleibend niedrige Teilnehmerzahl; pro Gruppe zehn bis zwölf. „Eine kleine Gruppe garantiert intensive Betreuung“, erklärt sie.

Mehr Gedanken macht sich Schlagenhauf von der DG PARO über die Studierendenzahlen – und sucht nach Abhilfe. „Ich könnte mir vorstellen, dass die DG PARO und die Universität Freiburg ihre Masterprogramme zusammenlegen, sodass das Beste aus beiden Programmen vereint wird“, sagt er. Im DG-PARO-Master sank die Teilnehmerzahl in diesem Jahrgang erstmals auf 24, von vormals 30 bis 35 Studierenden. „Seit Langem hat die DUK 2013/2014 wieder einen Paro-Masterstudiengang gestartet – so haben sich sicherlich auch Zahnärzte dort statt bei uns eingeschrieben“, vermutet Eickholz. „Aufgrund von Rücklagen war der diesjährige Studiengang auch mit nur 24 Studierenden realisierbar – weiter sollte die Zahl langfristig allerdings nicht absinken“, sagt Schlagenhauf. „Mir scheint, dass das Angebot in quantitativer Hinsicht eine Sättigung erreicht hat“, sagt auch APW-Vorsitzender Grosse. Schlange stehen muss wohl kein Teilnehmer mehr.

Ziel sei es daher, auch Zahnärzte aus dem Ausland zur Teilnahme zu motivieren. „Momentan haben wir Teilnehmer aus Griechenland und Ungarn; wir hatten aber auch bereits Absolventen aus Finnland, England, Holland, Österreich, der Schweiz oder Libyen“, informiert Dhom. Auch die Klientel des Online-Paro-Studiengangs ist international – und soll es künftig noch stärker werden. „Für eine Internationalisierung hat uns das Ministerium jetzt eine Förderung zugesagt“, erklärt Ratka-Krüger.

Alumni gründen Netzwerke

Nach den zwei oder drei Jahren Masterstudium ist für viele Teilnehmer noch nicht Schluss. Seit vier Jahren treffen sich Absolventen des Freiburger Programms virtuell im „Continuum“, und um den DGI-Master ist eine regelrechte Alumni-Kultur entstanden, mit Absolventenzeitschrift, Webseite und jährlichem Treffen in Berlin auf der „Reunion“-Tagung. „Unter den Absolventen sind viele Freundschaften entstanden und Netzwerke gegründet worden“, erzählt Dhom. „Das ist ein Zeichen für die Langzeitwirkung des Studiengangs.“

Blick ins virtuelle Klassenzimmer

Es ist Montagabend, kurz vor 20 Uhr. Nach und nach trudeln die Studierenden ein. „Hallo Christoph, wie geht’s dir“, begrüßt Teletutorin Eva Streletz den Neuankömmling, der sich gerade eingeloggt hat.

Denn die zwölf Teilnehmer des MasterOnline Parodontologie, den die Universität Freiburg seit 2007 anbietet, treffen sich nicht im Hörsaal, sondern im virtuellen Klassenzimmer. Per Mausklick melden sie sich zu Wort und kommunizieren per Headset mit der Klasse, den Teletutoren und den Referenten. Oder posten einen Beitrag im Chat.

Fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn heißen Eva Streletz und Studiengangleiterin Professor Petra Ratka-Krüger auch drei österreichische Gasthörer willkommen, die sich für den Studiengang interessieren. Alle sprechen sich mit Vornamen an, tauschen Befindlichkeiten aus. „Wie war dein Tag? Was gibt es Neues? Wie ist bei euch das Wetter?“ Sie kennen sich seit mehr als einem Jahr und haben sich in der Zeit auch persönlich getroffen, können also der Stimme am Computer ein Gesicht zuordnen.

Auch der technische Koordinator Stefan Meiershofer ist anwesend, um bei Verbindungs- oder Kommunikationsschwierigkeiten oder technischen Störungen zu helfen. Dann geht’s los. „Wer jetzt noch kommt, wird nur noch schriftlich begrüßt“, lässt Eva Streletz verlauten. Auf der rechten Seite des Bildschirms steht die Agenda für die heutige Unterrichtsstunde, links die Teilnehmer-, Referenten- und Tutorenliste und in der Mitte läuft neben dem Chat auch eine Powerpoint-Präsentation zu Ratka-Krügers Vortrag. Jetzt ist Multitasking gefragt: zuhören, Nachrichten posten, zu Wort melden. Es geht um akute Parodontalerkrankungen. Der Vortrag funktioniert im Grunde wie im Hörsaal. Während der Präsentation werden Fragen gestellt, im Kollektiv wird nach Therapiemöglichkeiten gesucht. Wer kein Mikro hat, kann sich per Chat an der Diskussion beteiligen.

Zum Schluss sagen alle „Tschüs bis in zwei Wochen“ – dann treffen sich Christoph, Jens, Marie und die anderen Zahnärzte, die irgendwo in Deutschland oder einem anderen Land der Erde praktizieren, wieder im virtuellen Klassenraum.

Praktizieren und Studieren: Ein Erfahrungsbericht

Zahnärztin Dr. Sabine Hessabi aus Baden-Baden hat nach drei berufsbegleitenden Studienjahren ihr Online-Studium Master of Science Parodontologie und Periimplantäre Therapie an der Universität Freiburg erfolgreich abgeschlossen.

Warum haben Sie sich für ein Masterprogramm entschieden?

Ich finde Parodontologie extrem spannend, auch angesichts der demografischen Entwicklung. Also wollte ich das Wissen, das ich bereits während eines Curriculums auf diesem Gebiet erworben hatte, vertiefen.

Warum ein Online-Studium?

E-Learning garantiert eine hohe Flexibilität. Da ich ein Nachtmensch bin, kam mir das Lernen zu Hause sehr gelegen, weil ich so weiter fulltime arbeiten und gleichzeitig studieren und meine Zeit frei einteilen konnte.

Wie hoch war der Arbeitsaufwand?

Gewaltig. Mit den kalkulierten sechs bis acht Wochenstunden kam ich nicht hin. Eher sind es in den Hochphasen zehn bis zwölf. Man muss die Zahnmedizin schon richtig gerne mögen, um das zu machen. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, besonders die damals noch wöchentlichen virtuellen Klassenzimmer.