Varna, Budapest, Wien oder lieber Valencia?

Zahnmedizin im Ausland studieren

Die Zulassung zum Zahnmedizinstudium ist hart umkämpft. Wer nicht jahrelang auf einen Studienplatz in Deutschland warten will, geht 2016 nach Bulgarien, Österreich oder Ungarn. Das kostet pro Semester mehrere tausend Euro. Agenturen vermitteln Studienplätze ins Ausland.



Eine Leistungskursarbeit in der Oberstufe in den Sand gesetzt, und der Traum vom Zahnmedizinstudium rückt in weite Ferne. Ein Einserschnitt im Abitur ist heute trotz hervorragender schulischer Leistungen keine Garantie mehr für einen Studienplatz, ebenso wenig wie eine Zahntechnikerausbildung oder mehrere Wartesemester.

„Hätte ich in Deutschland auf einen Studienplatz gewartet, hätte mich das mindestens zwölf Wartesemester gekostet“, sagt Lena Bogena. Sie studiert im zweiten Jahr Zahnmedizin an der MU Varna in Bulgarien. Wie sie verwirklichen sich viele Deutsche den Traum vom Wunschstudium im Ausland. Laut Statistischem Bundesamt studierten im Jahr 2012 rund 12 000 Deutsche Human- oder Gesundheitswissenschaften – darunter auch Zahnmedizin – im Ausland.

Beliebt bei Deutschen ist die staatliche Universität Varna in Bulgarien, die in diesem Wintersemester die Zahl der Neuanfänger auf 50 limitiert hat. Die Universität ist attraktiv, denn einen NC für Zahnmedizin gibt es in Varna nicht. Wer zugelassen werden will, muss eine Aufnahmeprüfung bestehen und die Unterrichtssprache Englisch gut beherrschen.

Zahnmedizinstudenten behandeln früh eigene Patienten

Bereut hat Lena den Schritt ins Ausland nie. Die Zahnmedizinische Fakultät ist neu und erheblich moderner eingerichtet als eine durchschnittliche deutsche Fakultät. Der Kontakt zu den Professoren und Assistenten ist enger als in Deutschland, und es gibt eine E-Learning-Plattform zum Austausch und Training. Auch die Stadt bietet viele Vorzüge: Die Lebenshaltungskosten sind sehr niedrig, so beträgt die Monatsmiete für eine eigene Wohnung rund 160 Euro, und der Strand ist zehn Minuten zu Fuß von der Universität entfernt. Das Studium in Varna kostet 4000 Euro pro Semester, was verglichen mit anderen ausländischen Universitäten günstig ist.

Einblicke in die klinische Praxis erhalten Studierende früh, bereits im dritten Jahr fangen sie mit der Behandlung eigener Patienten an. Die neu gebaute Dental Clinic besteht aus mehreren Etagen, in denen jeweils zwölf bis 16 Studierende, jeder an einem eigenen Behandlungsstuhl, ihre Patienten fachspezifisch behandeln. Nach fünf Jahren und einem praktischen Jahr wird Lena mit dem Abschluss „Master of Dental Medicine“ ihr Studium beenden, der Abschluss wird in Deutschland anerkannt.

Deutsche zieht es nach Österreich und Ungarn

Die deutschen Studierenden bevorzugen deutschsprachige Studiengänge, viele gehen nach Österreich. Vor wenigen Jahren eröffnete in Krems an der Donau die Danube Private University, die pro Semester 45 Studierende nach einem Zulassungstest aufnimmt. Die Privatuniversität ist mit einem Propädeutiklabor, Phantomarbeitsplätzen für die klinische Einführung und Behandlungsplätzen im eigenen Behandlungszentrum ausgestattet. Die Studiengebühren pro Semester betragen 13 000 Euro.

Im Vergleich dazu sind die Semestergebühren an der staat‧lichen Medizinischen Universität Wien mit 382 Euro sehr niedrig. Allerdings werden nur 18 von 70 Plätzen pro Jahrgang an Nicht-Österreicher vergeben, dabei machen die Deutschen den mit Abstand größten Anteil aus. Nicht der NC, sondern das Abschneiden im Auswahltest ist Voraussetzung für eine Zulassung. In dem Test werden schulisches Grundwissen in Biologie, Chemie, Physik und Mathematik abgefragt, Gedächtnis- und Merkfähigkeit getestet, aber auch praktische Fertigkeiten beurteilt, wie das Biegen von Draht und Spiegelzeichnen. „Das heterogene Schulsystem in Österreich macht einen Vergleich der Bewerber nur auf der Basis von Schulnoten nicht sinnvoll“, begründet Harald Jäger, Leiter der Studien- und Prüfungsabteilung, das Auswahlverfahren.

Männerquote für Studium Zahnmedizin gefordert

In Deutschland dagegen werden 20 Prozent der Studienplätze nach Abiturnote vergeben, 20 Prozent nach Wartezeit und 60 Prozent nach hochschuleigenen Auswahlverfahren – wobei auch hier für viele Hochschulen die Durchschnittsnote ein wichtiges Auswahlkriterium darstellt. Je nach Bundesland lag im Wintersemester 2015/2016 der NC zwischen 1,1 und 1,4. Auch wer zwölf Wartesemester vorzuweisen hatte und eine Abiturnote von 3,0 oder besser, wurde zugelassen.

Für Diskussionen sorgte im Sommer der Landesverband Niedersachsen im FVDZ mit der Forderung, eine „Männerquote“ bei der Studienplatzvergabe in der Zahnmedizin einzuführen. „Durch die Art der Vergabe von Studienplätzen gibt es mittlerweile Studienjahrgänge mit 100 Prozent Frauenanteil“, argumentiert der Verband. Junge Männer hingegen müssten oft zum Zahnmedizinstudium ins Ausland ausweichen: „Ungarn und Rumänien sind recht beliebte Studienländer“, sagt Dr. Ulrich Keck, Pressesprecher des FVDZ-Landesverbandes. „Dort sind viele deutsche männliche Studenten im Fach Zahnmedizin immatrikuliert.“

Deutschsprachiger Studiengang Zahnmedizin im Ausland

In der Tat ist die Semmelweis Universität im ungarischen Budapest weit vorne auf der Beliebtheitsskala deutschsprachiger Studiengänge im Ausland. Seit fast 30 Jahren können sich Studierende dort zum Dr. med. dent. ausbilden lassen. „Wir bieten kleine Gruppen, eine familiäre Atmosphäre, eine kontinuierliche Lern‧erfolgskontrolle und einen praxisnahen klinischen Teil“, sagt Andrea Fekete vom Studierendensekretariat der Universität.

Unterrichtet wird nach deutscher Fachliteratur, Ungarisch ist nur im 1. Semester Pflicht. Allerdings sollte man die Sprache lernen, wenn man sein Studium dort beenden will. 6900 Euro beträgt die Studiengebühr in den ersten vier Semestern, danach verringert sie sich um 800 Euro. Wer einen der 40 Studienplätze erhalten will, muss gute Leistungen in Physik, Chemie, Biologie oder Mathematik aufweisen und mit praxisbezogenem Engagement punkten. Eine Aufnahmeprüfung und einen NC gibt es nicht.

Vermittlung von Studienplätzen Zahnmedizin ins Ausland

„Die Abiturnote sagt wenig bis sehr wenig über die Studierfähigkeit in diesem Bereich aus“, sagt auch Studienplatzberater Adrian Kaiser von MediStart. Die Hamburger Agentur hat sich auf die Vermittlung von Studienplätzen ins Ausland spezialisiert. An sie wenden sich Bewerber, die kein Spitzenabitur haben, oder jene mit sehr gutem Abitur, die auf Nummer sicher gehen wollen und sich parallel zur Inlandsbewerbung für einen Studienplatz im Ausland interessieren. Rund tausend Bewerber berät die von drei Rechtsanwaltsbüros gegründete Agentur pro Jahr, einige hundert gehen in diesem Wintersemester ins Ausland. Die Provision in Höhe einer Jahresstudiengebühr erhält MediStart nur, wenn der Bewerber den Platz an der gewünschten Auslandsuniversität erhält und annimmt.

Zahnmedizin im Ausland: Bis zu 11.000 Euro Semestergebühr

Am häufigsten vermittelt Kaiser Bewerber nach Budapest, Pécs, Varna, Vilnius oder Riga, wo in modern ausgestatteten Räumen auf Englisch unterrichtet wird. „Die an den dortigen Universitäten erzielten Abschlüsse sind in Deutschland anerkannt“, sagt er. Die Abbruchquoten seien gering, und die Rückmeldungen sehr positiv. Erstmals ins Vermittlungsprogramm aufgenommen hat MediStart zu diesem Wintersemester die Sigmund Freud Privatuniversität in Wien. Die Aufnahme ist von Noten unabhängig und erfolgt ohne Med-AT, den Aufnahmetest an den staatlichen österreichischen Universitäten. Stattdessen findet ein Assessment Center statt, auf das die Agentur mit einem Crashkurs vorbereitet. „Für das Jahr 2016 ist es sinnvoll, aufgrund der hohen Nachfrage MediStart bereits im Frühjahr zu beauftragen. Der Bewerbungsbeginn ist auch vor Erhalt des Abiturzeugnisses schon möglich“, wirbt Kaiser.

Wie hoch die Studiengebühr ausfällt, variiert von Land zu Land. In Riga zahlen Studenten 7000 Euro pro Semester, an den Privaten Universitäten in Wien und Valencia 11.000 Euro. „Das ist zwar viel Geld, aber eine sinnvolle Investition, wenn ein Bewerber in Deutschland aufgrund seines NCs ansonsten eine lange Wartezeit in Kauf nehmen müsste“, sagt Kaiser.

Quereinstieg in die Zahnmedizin in Deutschland möglich

Welche Auslandsuniversität die richtige ist, hängt auch davon ab, ob der Student in einem späteren Fachsemester nach Deutschland zurückkehren möchte. Etwa die Hälfte beendet ihr Studium nicht im Ausland, schätzt Kaiser. In den klinischen Semestern wird der Patientenkontakt in der Landessprache schwierig, viele kehren deshalb in ihr Heimatland zurück. Für andere sind die hohen Studienkosten ausschlaggebend.

Der Quereinstieg ist oftmals möglich, das Anerkennungsverfahren jedoch aufwendig. Die deutschen Landesprüfungsämter erkennen zwar die Abschlüsse an, allerdings wird nicht jeder Schein als äquivalent betrachtet. „An einigen Hochschulen ist das Studium so aufgebaut, dass jemand neun Semester Zahnmedizin im Ausland studiert hat, aber in Deutschland kein einziges Semester anerkannt bekommt, weil eine Kleinigkeit fehlt. Das lässt sich bei guter Planung vermeiden“, berichtet Kaiser.

Für Lena steht fest, dass sie ihr Studium an der Medizinischen Universität Varna abschließen möchte. „Ich habe hier die Möglichkeit, nach erfolgreicher Beendigung meines zweiten Jahres das Ärztliche Physikum anerkannt zu bekommen.“ Damit hätte sie die Chance, nach dem Zahnmedizinstudium noch die klinischen Semester in Medizin zu absolvieren, um eine Doppelapprobation anzustreben.

Als Repräsentantin der Fakultät Zahnmedizin hilft sie neuen Studenten, die aus dem Ausland nach Varna kommen, sich zurechtzufinden. „Ich kann nur jedem raten, der wirklich Zahnmedizin oder Medizin studieren möchte, hierhin zu kommen. Das Leben, die Studenten, die Umgebung, das schöne Wetter und das Meer machen das Studium schön, denn lernen müssen wir schon ganz schön viel.“

Wird mein Auslandsstudium anerkannt?

Die Zahnärztin Dr. Daniela Bogena stieß auf der Suche nach einem Auslandsstudienplatz für ihre Tochter auf die MU Varna. Dorthin vermittelt sie heute Studieninteressierte. Im Interview spricht sie über die Anerkennung des Zahnmedizinstudiums und Rückkehrmöglichkeiten.

Wird ein Abschluss in Zahnmedizin an der Universität Varna von den deutschen Landesprüfungsämtern problemlos anerkannt?
BOGENA:
Die MU Varna verfügt über das „Highest level of recognition”, also die höchstmögliche Anerkennung der European Foundation for Quality Management und der National Evalua‧tion and Accreditation Agency. Der Master-Abschluss „Arzt in Zahnmedizin“ ist in Deutschland und der EU voll anerkannt. Das gilt auch für andere ausländische Universitäten, dazu zählen Ungarn, Polen, Kroatien und Rumänien, ich kann aber nur für Varna sprechen. Zuständig für die Anerkennung ist das jeweilige Landesprüfungsamt, das dem ersten Wohnsitz des Studenten entspricht.

Welche Möglichkeiten des Quereinstiegs gibt es für Rückkehrer?
BOGENA:
Zahnmedizinstudenten können sich schon nach dem ersten Jahr, nach der Anerkennung des zahnmedizinischen Vorphysikums in Deutschland, über einen Quereinstieg für das dritte vorklinische Fachsemester bewerben. Da in Deutschland das zahnärztliche Physikum erst nach fünf Semestern vergeben wird, müssen auch die Studenten in Bulgarien zunächst in das dritte Jahr gehen und werden dann erst nach dem sechsten Semester das zahnärztliche Physikum anerkannt bekommen, das wäre somit ein Semester später als in Deutschland. Nach der Anerkennung des ärztlichen Physikums – einer Besonderheit in Varna – haben sie ebenfalls die Möglichkeit des Quereinstiegs, müssen dann aber in Deutschland den Schein Werkstoffkunde, den ersten technisch propädeutischen Kurs sowie die beiden zahntechnischen Phantomkurse nachholen.

Was gibt es generell bei der Anerkennung von Scheinen zu beachten?
BOGENA:
Um einen Quereinstiegswechsel in ein höheres Fachsemester in Deutschland vornehmen zu können, ist es absolut notwendig, vorher sicherzustellen, dass der zeitliche Umfang in Theorie und praktischen Übungen dem in Deutschland entspricht. Sollte dies nicht der Fall sein, wird keine Anerkennung erfolgen. In solch einem Fall, so wird z. B. teilweise an spanischen Universitäten das Fach Physik nicht unterrichtet, muss das gesamte Studium im Ausland absolviert werden, um dann nicht die einzelnen Scheine, sondern den erworbenen Abschluss anerkennen zu lassen. Dies sollte aufgrund des gemeinsamen europäischen Rechts innerhalb der EU-Staaten nicht problematisch werden.

Dr. Daniela Bogena ist niedergelassene Zahnärztin in Bremen und vermittelt als Deutschlandbeauftragte der Agentur Medical Career Development Platform Medizin- und Zahnmedizin-Studienplätze an der MU Varna (Bulgarien). Bei erfolgreicher Vermittlung beträgt die Vermittlungsgebühr 2600 Euro. Mehr Informationen: www.medizinstudium-bulgarien.net oder deutschland@medizinstudium-bulgarien.eu.

Alternative zum Zahnmedizin-Studium im Ausland: Privatuni in Deutschland

Wer nicht ins Ausland gehen möchte, schaut sich nach Alternativen zur staatlichen Universität um. Eine Möglichkeit, in Deutschland Zahnmedizin zu studieren, bietet die private Universität Witten/Herdecke. 440 Bewerber gab es für das Wintersemester 2015/16, die besten 40 bekamen einen Studienplatz.

„Wir denken tatsächlich darüber nach, ob wir die Studienkapazität angesichts dieser Bewerberzahlen und der Tatsache, dass wir sehr viele überzeugende Bewerber nicht aufnehmen können, aufstocken. Allerdings müsste die Aufstockung so geschehen, dass die Qualität unseres Studienangebots darunter nicht leidet“, sagt Univ.-Prof. Dr. Stefan Zimmer, Leiter des Departments für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Prodekan der Fakultät für Gesundheit.

Das Angebot: Die Universität verfügt über acht Lehrstühle in der Zahnmedizin. Prof. Zimmer sieht die integrierte Ausbildung als großen Pluspunkt: Die Studierenden betreuen ihre Patienten unter Aufsicht und Anleitung aller Fachdisziplinen durchgehend vom Beginn bis zum Abschluss der Behandlung. „Eine Wittener Besonderheit ist auch, dass wir im zeitlichen Umfang sehr viel klinische Ausbildung anbieten können und damit unsere Studierenden mit einer vergleichsweise hohen praktischen Erfahrung die Uni verlassen“, sagt er.

Die Vorteile: „Ich glaube, dass ein wesentlicher Vorteil unserer Uni darin besteht, dass wir nur so viele Studierende aufnehmen, wie wir auch wirklich bis zum Ende ausbilden können. Das heißt, dass jeder, der hier anfängt, Zahnmedizin zu studieren, einen sicheren Platz hat und nicht befürchten muss, als Opfer eines Verdrängungswettbewerbs in der Vorklinik rauszufliegen.“ Was aber nicht bedeutet, dass man an der Uni Witten/Herdecke nicht durchfallen kann, die Abbruchquote aufgrund nicht bestandener Prüfungen liegt bei 0,74 Prozent.

Die Kosten: Wer in Witten Zahnmedizin studiert hat, muss nach seinem Studium zehn Jahre lang 14 Prozent eines „maßgeblichen Einkommens“, das so etwas Ähnliches wie das „zu versteuernde Einkommen“ ist, als Studienbeitrag zahlen. Die Berechnung ist auf ein maßgebliches Einkommen von 100 000 € gedeckelt. Alternativ kann der Studierende auch für jeden Monat seines Studiums 1085 Euro sofort zahlen, das entspricht einem Gesamtbetrag von 65 100 Euro. Wer später den Beruf nicht ausübt oder unter der Eingangsschwelle bleibt, weil er zum Beispiel in die Entwicklungshilfe geht, zahlt gar nichts.