Restaurative Zahnheilkunde

Frontzahntrauma: Biokompatibel repariert

Erleiden Kinder oder Jugendliche ein Frontzahntrauma, ist es oberste Pflicht, den Zahn in der ästhetisch wichtigen Zone zu erhalten und Folgeschäden möglichst zu minimieren. Selbst größere Kronenfrakturen lassen sich meist unproblematisch reparieren. Keramisch basiertes Füllungsmaterial ohne klassische Monomere eignet sich dafür perfekt und ist deutlich kostengünstiger als eine indirekte Technik.



Bei fast jedem dritten Kind oder Jugendlichen muss ein Trauma an bleibenden Zähnen behandelt werden, meist sind obere Frontzähne betroffen (1). Es ist daher empfehlenswert, gut vorbereitet zu sein, zum Beispiel mit der entsprechenden Checkliste der DGZMK (2) und einem abgesicherten Konzept (3). Neben der traumabezogenen Anamnese werden immer Knochen und Weichgewebe gründlich untersucht und nach Möglichkeit ein Röntgenbild aufgenommen. Ausführliche Informationen zum Thema finden sich auf der Seite www.dentaltraumaguide.org oder in der aktuellen Leitlinie von DGZMK und DGMKG (4).

Liegt eine unkomplizierte Kronenfraktur ohne Pulpabeteiligung vor, wird zunächst das Dentin abgedeckt, um Infektionen des Endodonts zu vermeiden. Pulpanekrosen treten dann nur in maximal sechs Prozent der Fälle auf (4). Ist kein Fragment zur adhäsiven Wiederbefestigung vorhanden, kann der Zahn zeitnah mit einem plastischen Material aufgebaut werden. Möglich sind auch indirekte Restaurationen, vorzugsweise keramische Veneers oder Teilkronen (4). Innerhalb des ersten Jahres nach dem Trauma sollte die Vitalität mindestens einmal kontrolliert werden. Bei Kindern ist in der Regel die direkte Technik mit Kompositen angezeigt. Ein erneutes Trauma ist nicht unwahrscheinlich, zudem sind indirekte Restaurationen zeitaufwendiger und wegen der Laborkosten meist teurer.

Aufbautechnik

Wie bei allen Zahnrekonstruktionen wird der ästhetische Eindruck auch in der direkten Aufbautechnik durch Form und Farbe bestimmt. Aufbauten wirken nur dann natürlich, wenn beide Merkmale erfolgreich nachgeahmt wurden. Die Form lässt sich mit geeigneten Matrizentechniken erreichen. Diese habe ich gemeinsam mit dem Urheber der Methode, dem Würzburger Hochschullehrer Dr. Burkhard Hugo (†), in einem Fachbuch detailliert beschrieben (5). Das Prinzip besteht darin, die Anatomie der Restauration mithilfe der Matrize möglichst exakt wiederzugeben.

Dafür wird diese von der approximalen Außenseite mit temporärem Komposit geformt. Nach Aushärtung kann das definitive Material in die entstehende Negativform geschichtet werden. Wenn notwendig, wird zusätzlich palatinal oder lingual aus Schmelzmasse eine „Rückwand“ aufgebaut, zum Beispiel durch Schichtung gegen einen Silikonschlüssel. Genaues Vorgehen und verwendete Hilfsmittel werden im Fallbericht beschrieben.

Der konkrete Fall

Ein 8 ½-jähriger Junge war beim Fangenspielen in der Schule mit den Zähnen gegen ein Geländer geprallt. Er hatte sich beim Laufen umgedreht und das Geländer nicht bemerkt. Noch am selben Tag kam er mit seiner Mutter in unsere Praxis. Die gute Nachricht war, dass umgebende Gewebe einschließlich der Pulpa intakt geblieben waren und der betroffene Zahn 11 vital reagierte (Abb. 1 und 2). Die schlechte Nachricht: Das Fragment ging beim Unfall verloren und konnte nicht für die Restauration genutzt werden. Durch entsprechendes Zeitmanagement (Behandlung am Ende der Sprechstundenzeit und darüber hinaus), konnten wir den Zahn noch in derselben Sitzung wieder aufbauen. Zunächst erfolgte im feuchten Zustand die Bestimmung der Dentinfarbe. Dazu wurden simultan zwei ähnliche Farben aus dem Farbschlüssel des verwendeten Nanohybrid-Ormocer-Füllungsmaterials (Admira Fusion, VOCO) an den Zervikalbereich des Nachbarzahns gehalten (6). Da das Dentin noch mit Schmelzmasse (Referenz: Schneidekante) überschichtet wird, sollte eine Farbstufe dunkler gewählt werden.

Wegen der supragingivalen Lage des gesamten Defekts konnte auf den Einsatz von Kofferdam verzichtet werden. Stattdessen kam ein Lippen-Wangen-Zungen-Retraktor zum Einsatz (Arcflex, FGM). Unter Lokalanästhesie wurde das freiliegende Dentin im zentralen Anteil mit lichthärtendem Kalzium-Trisilikat-Liner (TheraCal LC, Bisco) abgedeckt und der Schmelz etwa 0,5 mm breit angeschrägt (Abb. 3). Dann wurde mit einem dünnen Holzkeil (Dr. Barman’s Anatomical Wedges) ein transparentes Matrizenstück hochkant im Approximalraum fixiert (Abb. 3).

Matrize als Negativform

Vor der Schmelzätzung mit 36%iger Phosphorsäure wurde die anatomisch günstige Matrizenposition mit fließfähigem temporärem Komposit gesichert (Clip Flow, VOCO, Abb. 4). Bei dieser Modifikation der Methode nach Hugo wird das drucklos anfließende Material mit einer feinen Kanüle gegen die Matrize in den Approximalbereich gespritzt. Dabei wird die Matrize manuell oder mit einem Spatel palatinal und vestibulär leicht an den zu restaurierenden Zahn gedrückt und das Flow-Material gleich ausgehärtet. Abbildung 5 zeigt die Defektausdehnung inszisal.

Nach Auftragen und Aushärtung des Universaladhäsivs (Futurabond U, VOCO) (Abb. 6) wurde dann der Dentinkern mit zwei unterschiedlichen Farben des definitiven Füllungsmaterials (Admira Fusion) schichtweise modelliert. Dazu wurde zunächst Dentinmasse der Farbe A3, dann der Farbe A2 dachziegelartig aufgetragen und jeweils lichtgehärtet (Abb. 7) (7). Zervikal wurde Material bis über die Anschrägung gezogen, um einen grau gefärbten Randbereich der Restauration zu vermeiden.
Als letzte Schicht wurde Schmelzmasse (Inzisal) mit einem dünnen, leicht elastischen Modellierspatel aufgetragen (Composite 4, American Eagle Instruments, Abb. 8). Dabei ist darauf zu achten, dass nur die erforderliche Materialmenge verwendet wird. Nach Polymerisation der letzten Schicht (Abb. 9) und Abnehmen der Matrize (Abb. 10) zeigt sich bereits eine weitgehend natürliche Form des Aufbaus, einschließlich der Übergänge im Bereich der Schneidekanten (Eintrennung, Abb. 11). Die Ausarbeitung gelingt dadurch sehr viel schneller als bei Überkonturierung.

Kontaktflächen werden bei diesem Vorgehen zudem regelmäßig wieder hergestellt, und auch zervikal gibt es praktisch keine Überschüsse. Das Endergebnis stellte – auch farblich – den jungen Patienten und vor allem seine Mutter zufrieden (Abb. 12).

Diskussion

Traumata, vor allem der Oberkieferfrontzähne, sind in der zahnärztlichen Praxis ein häufiges Phänomen. Wenn, wie im beschriebenen Fall, keine Komplikation in Form von knöchernen oder weichgeweblichen Verletzungen oder Wurzelfrakturen vorliegt, können Kronendefekte zeitnah mit direktem Komposit versorgt werden. Wie bei kariösen Läsionen müssen für erfolgreiche Restaurationen Farbe und Form erfolgreich wieder hergestellt werden. Je nach individuellen Zahnmerkmalen kann beides sehr anspruchsvoll sein. Im Fallbeispiel wurde das gewünschte Ergebnis mit einer modifizierten Matrizentechnik nach Hugo in Verbindung mit einer relativ einfachen Schichttechnik erreicht (5, 8). Die Modifikation besteht darin, dass ein spritzbares temporäres Komposit verwendet wird. Dieses lässt sich nicht wie höher visköse temporäre Materialien modellieren (zum Beispiel Clip, VOCO).

Beim vorgestellten Patienten war dies möglich, weil die Matrize bereits sehr gut passte und kein Druck für eine zusätzliche anatomische Ausformung erforderlich war. Die Matrize lag zervikal eng an und stellte sicher, dass die fehlende Substanz parallel zur Approximalfläche des Nachbarzahns aufgebaut werden konnte. Aus demselben Grund wurde auch auf einen Silikonschlüssel zur palatinalen Verschalung verzichtet. Wer sichergehen möchte, kann ein direktes Mock-up im Mund herstellen oder versuchen, zum Beispiel ein kieferorthopädisches Modell für einen Silikonschlüssel zu nutzen. Durch entsprechende Schichtung mit zwei Dentinfarben und einer Schmelzfarbe konnte die fehlende Substanz auch farblich naturnah wiederhergestellt werden. Das verwendete OrmocerNanohybridkomposit Admira Fusion enthält keine für Allergien bekannten Monomere wie HEMA oder BisGMA. Stattdessen basieren sowohl die Matrix als auch die Glasfüllkörper auf Sili‧ziumoxid. Dadurch ist es im Vergleich zu anderen Materialien besonders biokompatibel. Da es sich sonst wie konventionelle hochwertige Nanohybridkomposite verhält, einschließlich einer äußerst geringen Schrumpfung, ist Admira Fusion in meiner Praxis erste Wahl.


Der Experte

Dr. Walter Denner
studierte Zahnmedizin in Würzburg, arbeitete anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universität Würzburg. Seit 2011 praktiziert er in der Praxis Dres. Denner & Denner in Fulda. Seit 2013 ist Denner Mitglied der Neuen Gruppe. Hauptarbeitsgebiete: adhäsive Restaurationstechniken im Front- und Seitenzahnbereich sowie die Endodontologie und Implantologie
walter@dr-denner.de