Restaurative Zahnheilkunde

Wie viele Befestigungsmaterialien braucht es?

Die Eingliederung indirekter Restaurationen ist eine Wissenschaft für sich: Es bestehen mehrere Optionen der Vorbehandlung der Restauration, und es stehen unterschiedliche Befestigungsmaterialien mit eigenen Anwendungsprotokollen zur Verfügung. Welche Materialien und Vorgehensweisen in einer klinischen Situation zu den bestmöglichen Ergebnissen führen, hängt u. a. von dem Restaurationsmaterial, der Indikation und der Möglichkeit der Trockenlegung ab.


Bock_Befestigungsmaterialien_Überschussentfernung im gelartigen Zustand

Überschussentfernung im gelartigen Zustand. © Dr. Daniel Poticny


Bei der Bestimmung der geeigneten Art der Vorbehandlung ist der Glasanteil in der Keramik zu berücksichtigen. Ist eine Glasmatrix vorhanden, kann ein mikroretentives Muster durch Ätzen mit Flusssäure erzeugt werden. Die Klebefläche wird dadurch vergrößert und der Haftverbund optimiert. Zu den ätzbaren Keramiken zählen Feldspat-, Leuzit-, Lithiumdisilikat-, Lithiumsilikat– und Lithium-Aluminosilikat-Keramik. Bei allen Werkstoffen mit einem sehr geringen bis gar keinem Glasanteil, zu denen Oxidkeramiken wie Zirkoniumoxid gehören, wird der gewünschte Effekt durch Sandstrahlen mit Aluminiumoxid (Körnung unter 50 µm, Strahldruck 1 bis 2 bar) erzielt.

Drei Klassen von Befestigungsmaterialien

Nicht nur im Sinne der korrekten Vorbehandlung sollte der Zahnarzt genau über den verwendeten Restaurationswerkstoff informiert sein. Auch die Wahl der Befestigungsmaterialien wird durch den Werkstoff und seine Festigkeit beeinflusst. Die verfügbaren Materialien lassen sich in drei Klassen einteilen: adhäsive Befestigungskomposite, selbstadhäsive Befestigungskomposite und konventionelle Zemente. Die erste Gruppe wird mit einem separaten Adhäsiv angewendet und bietet die höchstmögliche Haftkraft sowie optimale ästhetische Eigenschaften, ist jedoch wenig feuchtigkeitstolerant und komplex in der Anwendung. Konventionelle Zemente bieten hingegen eine hohe Feuchtigkeitstoleranz und einfache Anwendung, während die Haftfestigkeit vergleichsweise gering und das Erscheinungsbild weiß-opak ist. Die Eigenschaften selbstadhäsiver Befestigungskomposite liegen hinsichtlich Haftfestigkeit, Feuchtigkeitstoleranz, Komplexität der Anwendung und Ästhetik zwischen den beiden Klassen.

Nicht nur im Sinne der korrekten Vorbehandlung sollte der Zahnarzt genau über den verwendeten Restaurationswerkstoff informiert sein. Dr. Armin Bock

Befestigungsmaterialien: Einsatz adhäsiver Komposite

Adhäsive Befestigungskomposite sind prädestiniert für alle klinischen Situationen, in denen höchste Haftkraft gefordert und eine sichere Trockenlegung gewährleistet ist. Ein nicht-retentives Präparationsdesign sowie eine geringe Festigkeit des Restaurationswerkstoffs (als Grenzwert wird eine Biegefestigkeit von 350 MPa angegeben) sind klare Argumente für die adhäsive Befestigung.

Zu den zahlreichen verfügbaren Produkten dieser Materialklasse gehört 3M RelyX Ultimate Adhäsives Befestigungscomposite. Es sollte in Kombination mit 3M Scotchbond Universal Adhäsiv angewendet werden. Dieses übernimmt auch die Funktion des Keramik-Primers. Die korrekte Anwendung wird anhand des folgenden Fallbeispiels von Dr. Giuseppe Marchetti (Italien) beschrieben.


Fallbeispiel 1

Bei diesem Patienten waren zwei Amalgamversorgungen (Abb. 1a) durch Onlays aus Glaskeramik zu ersetzen. Aufgrund der Präparationsform und der geringen Festigkeit des gewählten Werkstoffs war eine adhäsive Befestigung der Onlays geplant. Die Amalgamfüllungen wurden entfernt und die Kavitäten präpariert, bevor die Applikation von Scotchbond Universal Adhäsiv erfolgte (Abb. 1b). Das Adhäsiv wird für 20 Sekunden in die Zahnsubstanz eingerieben, dann verblasen, bis keine Wellenbewegung mehr sichtbar und das Lösungsmittel evaporiert ist, und schließlich 10 Sekunden lichtgehärtet.

Der Kavitätenboden wurde mit einer dünnen Schicht fließfähigem Komposit bedeckt, um anschließend die Abformung durchzuführen und die Onlays zu fertigen. Deren Klebeflächen wurden nach der Einprobe mit Flusssäure behandelt. Anschließend kam Scotchbond Universal Adhäsiv in der Funktion eines Glaskeramik-Primers zum Einsatz (Abb. 1c). Das Adhäsiv wurde auch auf die Kompositschicht in den Kavitäten appliziert. Es folgten die Anwendung von RelyX Ultimate Befestigungscomposite und das Einsetzen der Restaurationen (Abb. 1d). Überschüsse lassen sich im ungehärteten Zustand sehr gut mit einem Schaumstoffpellet entfernen. Um die Bildung einer Sauerstoffinhibitionsschicht zu verhindern, sollte bis zur vollständigen Aushärtung des Befestigungsmaterials Glyzeringel auf die Ränder appliziert werden. Abbildung 1e zeigt das Behandlungsergebnis.

Selbstadhäsive Befestigungskomposite

Selbstadhäsive Befestigungskomposite eignen sich besonders gut als Befestigungsmaterialien, wenn die Ästhetik eine wichtige Rolle spielt, aber keine ultimative Haftfestigkeit benötigt wird. Das ist bei vielen Restaurationen aus Zirkoniumoxid mit retentivem Präparationsdesign der Fall. Zu den selbstadhäsiven Materialien gehört 3M RelyX Unicem 2 Selbstadhäsiver Composite-Befestigungszement, der im folgenden Patientenfall von Dr. Daniel Poticny (Texas, USA) für die Befestigung zweier monolithischer Kronen aus Zirkoniumoxid verwendet wurde.

Fallbeispiel 2

Die Patientin war speziell mit der Form der Zähne 11 und 21 unzufrieden (Abb. 2a). Es wurde entschieden, die Zähne mit Kronen aus 3M Lava Esthetic Fluoreszierendes Vollzirkoniumoxid zu versorgen. Aufgrund der geringen Mindestwandstärke des Restaurationsmaterials (0,8 mm) konnte substanzschonend präpariert werden (Abb. 2b). Anschließend wurden die Kronen auf der Grundlage einer digitalen Abformung sowie der Informationen zur Zahnfarbe und Stumpffarbe gefertigt. Nach erfolgreicher Einprobe wurden die Innenflächen der Kronen mit Aluminiumoxid abgestrahlt. Erfolgt die Vorbehandlung von Zirkoniumoxid bereits im Labor, ist die Klebefläche nach der Einprobe gründlich (bevorzugt mit Natriumhypochlorit) zu reinigen. Die Zahnoberflächen wurden nach der Entfernung des Provisoriums mit Bimssteinpaste gereinigt, bevor die Kronen mit Befestigungsmaterial befüllt und eingesetzt wurden (Abb. 2c). Überschüsse können in diesem Fall für maximal zwei Sekunden angehärtet und anschließend entfernt werden (Abb. 2d). Es wurde ein ästhetisches Ergebnis erzielt (Abb. 2e).


Einsatz konventioneller Zemente

Konventionelle Zemente eignen sich für alle Restaurationen mit retentivem Design, bei denen das Befestigungsmaterial die Ästhetik nicht negativ beeinflusst – wie bei metallkeramischen Kronen. Außerdem kann die Anwendung dann sinnvoll sein, wenn eine konsequente Trockenlegung unmöglich erscheint oder eine geringe Haftung explizit erwünscht ist – z. B. bei der Befestigung von Kronen auf Implantatabutments. Ein Beispiel dieser Zementklasse ist 3M Ketact Cem Plus Kunststoffmodifizierter Glasionomer-Befestigungszement. Die Anwendung wird anhand eines Fallbeispiels von Dr. Carlos Eduardo Sabrosa (São Paulo, Brasilien) beschrieben.

Fallbeispiel 3

In diesem Fall war der Zahn 15 aufgrund einer Wurzelfraktur zu extrahieren; es wurde ein Implantat inseriert. Nach dessen Einheilung und der Ausformung des Emergenzprofils (Abb. 3a) folgte die Abformung. Auf ihrer Grundlage wurden die prothetischen Komponenten hergestellt: ein zweiteiliges Abutment mit Titanbasis und Zirkoniumoxid-Aufbau sowie eine verblendete Krone mit Gerüst aus Zirkoniumoxid (3M Lava Plus Hochtransluzentes Zirkoniumoxid). Die Klebeflächen wurden sandgestrahlt (Abb. 3b) und das Abutment auf dem Implantat verschraubt (Abb. 3c). Es folgte die Applikation von Ketac Cem Plus Zement in die Krone, die schließlich eingesetzt wurde. Zementüberschüsse aus diesem Material lassen sich besonders gut nach Kurzzeitlichtpolymerisation von rund fünf Sekunden entfernen (Abb. 3d). Das Behandlungsergebnis ist in Abbildung 3e dargestellt.


Befestigungsmaterialien im Fazit

Theoretisch ist es möglich, mit einem adhäsiven Befestigungskomposit wie RelyX Ultimate nahezu jede Restauration sicher zu befestigen. Ausnahmen gibt es nur dann, wenn die Trockenlegung nicht gelingt. Möchte der Anwender jedoch stets so einfach und effizient wie möglich arbeiten, ist es sinnvoll, ein Produkt jeder der drei Materialklassen vorzuhalten und werkstoff- sowie indikationsabhängig einzusetzen. So lassen sich die produktspezifischen Vorteile bestmöglich nutzen und hochwertige, langlebige Ergebnisse erzielen.


Literatur

1. Kern M, Beuer F, Frankenberger R, Kohal RJ, Kunzelmann KH, Mehl A, Pospiech P, Reis B. Vollkeramik auf einen Blick. Leitfaden zur Indikation, Werkstoffauswahl, Vorbereitung und Eingliederung von vollkeramischen Restaurationen. Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde. 6. überarbeitete Auflage, April 2018.

2. Rosentritt M, Behr M, Kolbeck C, Preis V: Surface Treatment on Shear Bond Strength of High Translucent Zirconia. Abstract No. 2552; Poster presented at the IADR General Session in San Francisco, March 2017.