Indirekte und direkte Versorgungen

Komposit versus Hybridkeramik

Indirekte Versorgungen sind heute beides: minimalinvasiv mit dünnen Schichtstärken und dennoch verschleißresistent. Die okklusale Morphologie und die Kontaktflächen lassen sich kontrolliert gestalten, was bei den direkten Füllungen nicht immer vorhersagbar ist.


Komposit

Ätzung der Klebeflächen mit Flusssäure zur Schaffung eines mikroretentiven Ätzmusters © Reiger


Manchmal sind es auf den ersten Blick triviale Situationen, die dann aber viele fachliche Fragen aufwerfen. Eine Frage, die sich ein Zahnarzt täglich mehrmals stellt, ist die, wie eine Kavität eines vitalen Zahns im Seitenzahnbereich am besten versorgt werden sollte. Grundlegend ist zu klären, welches Material dabei zum Einsatz kommt und ob direkt oder indirekt versorgt werden soll. Die direkten Komposite haben sich auch im Seitenzahnbereich mittlerweile klinisch bewährt und bieten viele Vorteile: In Kombination mit der Adhäsivtechnik ermöglicht die Kompositfüllung ein defektorientiertes und minimalinvasives Arbeiten. Die Versorgung kann effizient in kurzer Zeit vonstattengehen und damit auch kostengünstiger als indirekte Versorgungen angeboten werden [1]. Die zahnfarbenen Füllungsmaterialien ermöglichen dank ihres Chamäleoneffekts ohne großen Aufwand ästhetische Rekonstruktionen im Seitenzahnbereich. Für Primärversorgungen bei kleinen und mittleren Läsionen der Klasse I und II sind direkt geschichtete Komposite für eine minimalinvasive Versorgung deswegen mittlerweile sicherlich das Mittel der Wahl [2]. Wo aber haben die direkten Komposite im Seitenzahnbereich ihre Grenzen? Darüber entscheidet im Einzelfall die Defektausdehnung. Als Faustregel gilt: Je größer die Kavität, desto mehr spricht für eine indirekte Versorgung [3]. Gerade bei ausgedehnteren Sekundärversorgungen sollte man also eher zu einer indirekten Versorgung tendieren.

Indirekte und direkte Grenzbereiche

Sicherlich gibt es für rein okklusale Inlays in den meisten Fällen keine wirkliche Indikation. In seltenen Fällen, in denen die Kaufläche vollständig rekonstruiert werden muss, approximale, vestibuläre und orale Flächen jedoch ohne Substanzdefekte sind, kann eine Inlayversorgung auch bei solchen einflächigen Kavitäten sinnvoll sein, zumal sie mittels CAD/CAM-Technik schnell und mit präzise gestalteter Okklusalfläche in einer Sitzung verwirklicht werden kann. Kommt ein approximaler Defekt mit ins Spiel wird die Entscheidung über die richtige Therapie schon schwieriger. Je größer die vestibulo-orale Ausdehnung eines Defekts im Kastenbereich, desto technikintensiver und zeitaufwendiger wird auch die Schaffung der approximalen Kontaktfläche. Ist die Matrize nur noch unzulänglich positionierbar oder adaptierbar, sollte über eine indirekte Versorgung nachgedacht werden [4]. Denn im Labor oder in der CAD-Software können die Kontaktflächen unter Sicht und voller Kontrolle individuell gestaltet werden.


Generell zeigten keramische Inlays bei gleicher Ausdehnung in vitro eine höhere Frakturresistenz als direkte Kompositversorgungen bei Kavitäten der Klasse II [5]. Indirekte und direkte Kompositversorgungen zeigten dagegen eine ähnliche Langlebigkeit [6]. Gerade bei Parafunktionen und ausschließlichen Okklusalkontakten auf der direkten Restauration sollte die Wahl einer direkten Kompositrestauration also infrage gestellt werden [2]. Denn sie unterliegen generell einer stärkeren Abra‧sion und haben per se eine geringere Stabilität [7]. Indirekt gefertigte Restaurationen zeigen außerdem keinen Schrumpfungsstress während der Polymerisation und haben damit auch nicht die damit einhergehende Randspaltproblematik [8]. Vor allem bei schwer zugänglichen Kavitäten bieten indirekte Restaurationen eine kontrollierte Versorgung. Letztlich hängt die Entscheidung über eine direkte oder indirekte Restauration also von den individuellen klinischen Gegebenheiten ab und muss im Einzelfall gründlich abgewogen werden.

Mit der CAD/CAM-Technologie stehen mittlerweile neue indirekte Restaurationsmaterialien für die Inlayversorgung zur Verfügung. Diese sogenannten Hybridmaterialien bestehen aus der Kreuzung von Glas beziehungsweise Keramik und Polymeren. Die Chairsidefertigung ohne Brand machte im Gegensatz zu den keramischen Varianten eine schnellere Verarbeitung möglich. Der Instrumentenverschleiß ist bei diesen Materialvarianten im Vergleich zu vollkeramischen Rohlingen gering, und die Hybridmaterialien können dünner ausgeschliffen werden als Vollkeramiken, und sie können damit weniger invasiv eingesetzt werden [9].

Die Sprödigkeit von Hybridwerkstoffen ist geringer als die von vollkeramischen Varianten. Die Materialeigenschaften ähneln hinsichtlich Biegemodul und Biegezugfestigkeit generell der natürlichen Zahnhartsubstanz. Die biomimetischen Eigenschaften sollen sich positiv auf einen funktionellen Langzeiterfolg auswirken, da Hybridwerkstoffe wie natürliche Zähne in der Lage sind, Kaukräfte zu absorbieren [10].

Hybridmaterial oder Komposit?

Grundlegend muss bei den CAD/CAM-Hybridmaterialien je nach Dominanz einer Werkstoffklasse zwischen Kompositen beziehungsweise hochgefüllten Polymeren und einer Hybridkeramik unterschieden werden [11]. Die CAD/CAM-Kompositblöcke haben grundlegend die gleiche Zusammensetzung wie die direkten Füllungsmaterialien. Fein gemahlene Füllerpartikel aus Keramik oder Bariumglas sind bei diesen Werkstoffen in eine Polymermatrix eingebettet [12]. Als Vertreter sind beispielsweise Lava Ultimate (3M, Seefeld, Deutschland) und GC Cerasmart (GC, Tokyo, Japan) zu nennen. Bei der einzigen Hybridkeramik VITA ENAMIC (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen, Deutschland) handelt es sich im Gegensatz dazu um einen porös vorgesinterten Feldspatkeramikblock, der anschließend unter Druck und Hitze mit einem Polymer infiltriert wird. Daraus ergibt sich ein ineinandergreifendes duales Netzwerk [7].

Neben den genannten biomimetischen Vorteilen, die sich aus dem Verbund der beiden Werkstoffe ergeben, können bei der Hybridkeramik auch Mikrorisse in den keramischen Anteilen an der Grenzfläche zum Polymer gestoppt werden, was Chipping und Frakturen verhindert [13]. Dank des dominierenden Keramikanteils (86 Gew.-%) kann das Material in bewährter Weise analog zu Glas- und Feldspatkeramik mit Flusssäure und Silan geätzt werden, was auch zu vergleichbaren Haftwerten führt [14]. Bei den Kompositvarianten ist die Flusssäureätzung nicht oder nur bedingt möglich. Sie müssen dann vor der chemischen Konditionierung mit Aluminiumoxid gestrahlt werden, um eine mikroretentive Oberfläche zu schaffen.

Hybridkeramik mit Chamäleoneffekt

Im Folgenden soll anhand einer alltäglichen Praxissituation gezeigt werden, warum eine Inlayversorgung mit dem supertransluzenten VITA ENAMIC ST einer direkten Füllungstherapie mit Komposit vorgezogen wurde. Eine 36-jährige Patientin war nach einer Sekundärkaries unter einer Amalgamfüllung an 46 im Schmerzdienst provisorisch mit Glasionomerzement versorgt worden. Die Patientin wünschte sich eine definitive, langfristige und zahnfarbene Versorgung, möglichst in einer Sitzung. Während das Provisorium gelegt wurde, konnte die Defektgröße inspiziert werden, was die relevanten Informationen für die Entscheidung über die Art der definitiven Versorgung liefert. Es handelte sich um eine in vestibulo-orale Richtung ausgedehnte Klasse-II-Kavität (mod). Vor allem der distale approximale Kasten zeigte sich dabei stark extendiert und subgingival gelagert, was die Schaffung einer suffizienten Kontaktfläche zum Nachbarzahn 47 mit einer direkten Kompositversorgung nicht vorhersagbar beziehungsweise nur mit erheblichem zeitlichem und technischem Aufwand möglich machte. Auch aufgrund der generellen Defektgröße und -tiefe entschied sich die Patientin nach eingehender Beratung für eine Inlayversorgung mit der Hybridkeramik VITA ENAMIC ST, um den Zahn nachhaltig zu stabilisieren.

Die Zahnfarbbestimmung 3M2 erfolgte mit dem VITA Toothguide 3D-MASTER in zwei systematischen Schritten. Da das obere Drittel der Zahnkrone immer heller ausfällt, wurde der Block eine Stufe heller in der Farbe 2M2 ausgewählt. Nach lokaler Anästhesie wurde die Glas‧ionomerzementfüllung entfernt und die Präparationsform für das Inlay angelegt. Dabei wurde darauf geachtet, die Kavität ohne scharfe Kanten abgerundet zu gestalten. Unebenheiten am Kavitätenboden wurden mit fließfähigem Komposit ausgeglichen. Die oralen und vestibulären Wände wurden schüsselförmig extendiert, um eine möglichst große und definierte Fläche im Schmelz zu schaffen sowie unter sich gehende Stellen zu entfernen. Für den optischen Scan mit der Omnicam (Dentsply Sirona, Bensheim, Deutschland) wurde im distalen Bereich des Kastens gingivektomiert und das Gewebe mit adstringierender Retraktionspaste (3M ESPE, Seefeld, Deutschland) retrahiert sowie die Blutung der Gingiva gestillt.

Nach dem Scan konnte das Inlay in der CEREC Software 4.5 konstruiert und anschließend mit der Schleifeinheit MC XL (beides Dentsply Sirona, Bensheim, Deutschland) ausgeschliffen werden. Um die Okklusalfläche im Anschluss in den Fissuren mit braunen VITA ENAMIC STAINS zu individualisieren, wurde sie nach Ausarbeitung mit einem feinen Steinchen und einem Gummipolierer mit Flusssäure und Silan konditioniert. Nach der Zwischenhärtung mit der Polymerisationslampe wurde die Okklusalfläche abschließend mit VITA ENAMIC GLAZE (beides VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen, Deutschland) versiegelt und lichtgehärtet. Bei der Einprobe zeigten sich suffiziente Kontaktpunkte und eine präzise Passung. Die Klebeflächen des Inlays konnten daraufhin ebenfalls mit Flusssäure und Silan konditioniert werden. Es folgte die volladhäsive Eingliederung mit VITA ADIVA F-CEM (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen, Deutschland) in A2 Universal. Nach der Okklusionskontrolle wurden die Ränder und Schliffflächen mit einem Gelbringdiamanten nachfiniert und das gesamte Inlay wurde abschließend mit Fegupol Zirkopol (Feguramed, Buchen, Deutschland) hochglanzpoliert. Aufgrund des ausgeprägten Chamäleoneffekts und der biomimetischen Materialeigenschaft verschmolz die hybridkeramische Restauration funktionell und ästhetisch mit der Restzahnsubstanz.

Fazit

Die Versorgung mit Hybridkeramik bot in diesem Fall eine effiziente Alternative zur direkten Füllungstherapie und zur vollkeramischen Inlayversorgung. Die Chairsidefertigung ohne Brand machte im Gegensatz zu den keramischen Varianten eine schnellere Verarbeitung möglich. Die dünneren Schichtstärken sorgten bei dem indirekten Vorgehen für eine schonende Behandlung. Trotzdem bot das biomimetische CAD/CAM-Material auch alle Vorteile einer verschleißresistenten indirekten Versorgung. Die okklusale Morphologie und die Kontaktflächen konnten kontrolliert und idealisiert gestaltet werden, was bei einer direkten Füllungstherapie nicht vorhersagbar und nur mit größerem technischem und zeitlichem Aufwand möglich gewesen wäre. Der Chamäleoneffekt der supertransluzenten Hybridkeramik sorgte für ein hochästhetisches Ergebnis.

 

Literatur