Implantologie

Trend zur konischen Innenverbindung?

Mehr als 100 Implantatsysteme werden allein in Deutschland angeboten. Ständig kommen neue dazu. Was lässt sich aktuell noch verbessern? Warum braucht es neue Varianten? Dr. Ralf Rauch, Geschäftsführer der Nobel Biocare Deutschland GmbH, und Dr. Sebastian Horvath, Jestetten, über den aktuellen Trend zu konischen Innenverbindungen und die Vorteile parallelwandiger Implantatlinien.



Herr Dr. Rauch, sind Flach-zu-flach-Verbindungen out?

Rauch: Das Gros der Anwender entscheidet sich heute für die konische Innenverbindung, das haben wir seit der Einführung des NobelActive Implantats im Jahr 2008 ganz deutlich gesehen. Zur DGI-Jahrestagung 2011 in Dresden reagierten wir auf diesen Trend mit einer konischen Innenverbindung für das wurzelförmige NobelReplace CC. Zur IDS 2015 bieten wir nun auch den Anwendern parallelwandiger Implantate die konische Innenverbindung. Damit haben wir diese letzte Lücke in unserem Produktportfolio geschlossen. Seit Oktober läuft in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Einführungsphase mit rund 30 ausgewählten Meinungsbildnern. Seit Mitte März ist das NobelParallel Conical Connection (CC) auf dem Markt verfügbar.

Herr Dr. Horvath, Sie gehören zur Gruppe der Erstanwender, seit wann und bei welchen Indikationen setzen Sie das neue Implantat ein?

Horvath: Seit Herbst 2014, bisher haben wir bereits drei Fälle detailliert dokumentiert. Aufgrund der Implantatgeometrie ist das Implantat universell einsetzbar. Eine Hauptindikation sehe ich vor allem bei hartem Knochen. Standardmäßig verwenden wir in unserer Praxis das selbstschneidende NobelActive-Implantat. Beim NobelParallel CC ist das Design des Apex weniger schneidend. Das bringt auch Vorteile bei sehr dünnem Knochen, da sich das Implantat dann einfacher einbringen lässt.

Rauch: Empfohlen und freigegeben ist das NobelParallel CC aber nicht nur für harten Knochen, sondern für alle Indikationen und Knochenqualitäten. Zudem lässt sich eine sehr gute Primärstabilität erzielen.

Mit anderen Worten: Sofortversorgung und -belastung sind kein Problem?

Rauch: Richtig, natürlich müssen die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sein.

Und die wären?

Rauch: Nur wenn die Primärstabilität 35 Ncm erreicht, lässt sich sofort versorgen und sofort belasten. Das Vorgehen wird natürlich im Vorfeld mit dem Patienten besprochen und in der Praxis vorbereitet.

Zurück zu dem parallelwandigen konischen Implantat. Was genau ist das Besondere?

Horvath: Man hat im Grunde zwei Dinge, die sich bewährt haben, kombiniert: einen parallelwandigen Grundkörper und einen konischen Apex. Damit haben wir eine hohe Primärstabilität und ein gerades Bohrprotokoll, das deutlich einfacher ist und dem Behandler einen gewissen Spielraum lässt.

Das heißt konkret?

Horvath: Bei rein konischen Implantaten spielt die Bohrtiefe eine immense Rolle. Die Bohrtiefe muss ganz exakt mit der Implantatlänge übereinstimmen, damit die nötige Stabilität erreicht wird.

Und bei parallelwandigen Implantaten ist das anders?

Horvath: Ja, beim parallelwandigen Körper ist aufgrund des geraden Bohrers, der überall den gleichen Durchmesser hat, bezüglich der Bohrtiefe ein gewisser Spielraum vorhanden. Dadurch gestaltet sich die klinische Anwendung einfacher.

Kommen wir zur prothetischen Versorgung. Die soll bei konischen Systemen ja schwieriger sein …

Rauch: Da möchte ich widersprechen. Heute bevorzugt eine klare Mehrheit der Anwender Implantate mit konischer Innenverbindung. Hielten die Behandler das Handling tatsächlich für zu kompliziert, würden sie sich mit dem System erst gar nicht befassen. Kein Zahnarzt gibt sich in der Praxis mit einem Implantatsystem ab, das ihm in der prothetischen Versorgung Schwierigkeiten bereitet. Außerdem bieten wir auch die Option, auf die klassische Tube-in-tube-Verbindung, also unsere Dreikanal-Innenverbindung, oder auch den Außensechskant auszuweichen. All diese Alternativen haben wir in unserem Portfolio.

Aber man muss sich umstellen?

Rauch: Ja, wer bislang mit dem Außensechskant oder der Dreikanalinnenverbindung gearbeitet hat, muss sich leicht umgewöhnen. Das Prozedere ist etwas anders, aber das Ganze ist nicht wirklich kompliziert.

Und: Wer das nicht möchte, bleibt bei einer der beiden anderen Verbindungen, denn wir haben keine Verbindung vom Markt genommen.

Herr Dr. Horvath, was sagen Sie als Praktiker?

Horvath: Die prothetische Versorgung von Implantaten ist selbstverständlich extrem wichtig. Als Kliniker hält man sich deutlich länger mit der prothetischen Behandlung auf als mit einer chirurgischen. Und auf lange Sicht sollte es keine Komplikationen geben. Vergleicht man die konische Innenverbindung mit dem Außensechskant, unterscheiden sie sich hauptsächlich hinsichtlich der Einschubrichtung und der Kraftübertragung auf das Implantat.

Bitte erläutern Sie das.

Horvath: Beim Außensechskant hat man mehr Spielraum hinsichtlich der Einschubrichtung. Auch wenn man mehrere Implantate verbinden möchte, funktioniert das einfacher. Gleichzeitig besteht aber ein immenser Nachteil: Die gesamte Kraftübertragung findet auf der Schraube statt, was Komplikationen wie Schraubenfrakturen nach sich ziehen kann. Hier sind die konischen Innenverbindungen deutlich überlegen, da die Kraft auf das Implantat übertragen wird. In unserer Praxis verwenden wir darüber hinaus ausschließlich individuelle Abutments. Auch das hilft bei der prothetischen Versorgung und hat enorme Vorteile hinsichtlich der ästhetischen Gestaltung und des Weichgewebsmanagements.

Welche prothetischen Optionen sind bei den neuen Implantaten möglich?

Rauch: Alle, sowohl die Standardkomponenten als auch die über unser CAD/CAM-System NobelProcera individuell gefertigten. Anwender können alle erdenklichen individuellen Aufbauteile, ob aus Titan oder aus Zirkon, ordern, individuell gefräst, am Computer konstruiert.

Horvath: Zudem gibt es seit November letzten Jahres die Möglichkeit, das sogenannte ASC-Abutment (Angulated Screw Channel) mit dem abgewinkelten Schraubenkanal einzusetzen. Das eröffnet ganz neue Wege. Die Implantatachsen lassen sich so korrigieren und im Frontzahnbereich erübrigen sich die Zwischenteile.

Wie funktioniert das?

Rauch: Mit diesem ASC-Abutment kann man im Front- und Seitenzahnbereich den Schraubenzugang so legen, wie er ästhetisch und vom Zugang her optimal ist.

Im Frontzahnbereich verschrauben – das ist doch eher selten …

Rauch: Nein, gar nicht, das liegt im Trend. Zementierte Lösungen werden weniger. Und wer mit individuellen Abutments im Frontzahnbereich arbeitet, muss die Achse des Abutments oft anders positionieren als die des Implantats. Kann man dann den Schraubenkanal abwinkeln, ist das für den Prothetiker und auch für die Zahntechniker ein großer Vorteil. Das Abutment gibt es übrigens nur für die konischen Innenverbindungen, nicht für die Dreikanal-Innenverbindung oder den Außensechskant.

Erleichtert das neue Implantat das Handling?

Horvath: Definitiv, es ist universell einsetzbar und aufgrund des geraden Bohrprotokolls ausgesprochen einfach in der klinischen Handhabung.

Bitte beschreiben Sie die Unterschiede zum NobelActive, einiges klingt sehr ähnlich.

Horvath: Die Grundidee ist auch nahezu identisch: Man hat ein gerades Bohrprotokoll, man erzielt eine hohe Primärstabilität. Allein das Design unterscheidet sich hinsichtlich der Selbstschneide-Fähigkeit. Das NobelActive ist da, wie der Name schon sagt, aktiver als das NobelParallel CC. Das ist der Unterschied, aber der Grundgedanke ist ähnlich.

Wo wäre denn „das eher aggressive Selbstschneidende“ kontraproduktiv?

Horvath: Bei sehr hartem Knochen und bei sehr dünnem Knochen. Da bevorzuge ich ein Implantat, das rundlicher und weniger selbstschneidend an der Spitze ist. Das lässt sich in solchen Regionen deutlich einfacher einbringen.

Wo wäre das neue NobelParallel CC kontraindiziert?

Horvath: Möchte ich eine hohe Primärstabilität erreichen und sofort versorgen, plädiere ich persönlich eher für NobelActive. Aber: Das neue Implantat eignet sich auch für alle Knochenqualitäten und eine große Bandbreite an Indikationen. Auch als erfahrener Behandler schätze ich das unkomplizierte chirurgische Protokoll des NobelParallel CC Implantats. Es bietet Flexibilität und verkürzt die Behandlungszeit, wovon auch die Patienten profitieren. Diese Verbindung aus chirurgischem Protokoll und Implantatdesign liefert eine hohe Primärstabilität und bietet so in vielen Fällen die Möglichkeit der Sofortversorgung und -belastung.

Ist das wurzelförmige Design denn nicht das innovativere?

Rauch: Nun, die Impantologie hat mit dem parallelwandigen Design angefangen. Brånemark-System-Implantate, die wir ja auch weiterhin anbieten, nutzen viele Anwender seit Jahrzehnten. Sie haben hier ihre Heimat gefunden und möchten auch weiterhin mit solchen Implantatgrundkörpern arbeiten.

Das parallele Design macht es in der Chirurgie etwas flexibler, denn die Länge des Implantats lässt sich intraoperativ individuell festlegen. Es braucht nicht für jede Implantatlänge einen spezifischen Bohrer, wie es beim konischen System ja Pflicht ist. Viele Anwender mögen das vom Handling, vom Vorgehen und von der Ausnutzung der Knochenquantität und -qualität her einfach lieber, ganz subjektiv. Sie fühlen sich damit wohl.

Welches Design ist einsteigergerechter?

Rauch: Für „Einsteiger“ sehe ich bei den parallelwandigen Implantaten einen gewissen Vorteil: Die Gefahr, dass ein zu hohes Drehmoment verwendet wird, was dann den Knochen schädigen könnte, ist hier niedriger.

Wieso?

Rauch: Man erreicht einfach diese hohen Spitzen nicht wie beim konischen Implantat, das ja „keilförmig“ in den Knochen hineingeht.

Kommen wir zu den wissenschaftlichen Studien …

Rauch: Derzeit läuft weltweit eine Multicenterstudie, sowohl in Europa als auch in den USA. Erste Daten werden nach einem, drei und fünf Jahren veröffentlicht.

Dr. Sebastian Horvath
studierte Zahnmedizin in Freiburg und arbeitet mit dem Schwerpunkt ästhetisch-restaurativer Zahnheilkunde in der Gemeinschaftspraxis Dr. Horvath.

sebastian.horvath@drhorvath.de

Dr. Ralf Rauch
studierte Zahnmedizin in Berlin (Zahnklinik Nord) und ist seit 2011 Geschäftsführer der Nobel Biocare Deutschland GmbH mit Sitz in Köln.
ralf.rauch@nobelbiocare.com