Implantologie

Therapie bei Sofortimplantation und Sofortversorgung

Bei der Sofortimplantation und Sofortversorgung inklusive knöcherner Augmentation hat das stabile, langfristig funktionelle und ästhetische Therapieergebnis höchste Priorität. Ist das mit einer verkürzten Behandlung zu realisieren, empfiehlt sich das vorgestellte Prozedere.



Bei Verlust eines mittleren Inzisiven und gleichzeitiger Unversehrtheit der lateralen Schneidezähne stellt der implantatgetragene Einzelzahnersatz meist die Therapiemethode erster Wahl dar.

Der parodontale Zustand, der an die Schaltlücke angrenzenden Zähne sowie die knöcherne Defektanatomie und die Dicke und Entzündungsfreiheit des umliegenden Weichgewebes entscheiden über den Aufwand, der zur Reetablierung betrieben werden muss, und über die sichere Vorhersagbarkeit. Häufig sind für eine langfristige Etablierung von stabilen periimplantären Verhältnissen hart- und weichgewebliche Augmentation neben den für den Frontzahnbereich spezifischen Implantat- und Prothetikkonzepten nötig. Bei einer hohen Lachlinie stehen zudem funktionelle wie ästhetische Erfolgskriterien gleichermaßen im Mittelpunkt. Sie sind meist die langfristigen und damit primären Erfolgsparameter einer Therapie. Sekundär sollte eine Therapie im Interesse von Patient und Behandler so unkompliziert und kurz wie möglich gestaltet werden. Eine Abwägung dieser primären gegenüber sekundären Forderungen fällt vor allem bei der Anfertigung von Frontzahnrestaurationen nicht immer leicht.

Im hier dargestellten Patientenfall handelt es sich um eine Patientin mit einem längsfrakturierten mittleren Inzisiven, der extrahiert werden musste (Abb. 1 bis 3). Die angrenzenden Zähne wiesen keine größeren Restaurationen auf, weshalb für eine Implantatrestauration und gegen eine Brückenversorgung entschieden wurde. Die umliegenden parodontalen Gewebe stellten sich als entzündungsfrei und ohne klinische Attachmentverluste dar. Beide Interdentalpapillen waren vollständig intakt und wurden durch eine atraumatische Extrak‧tion erhalten (Abb. 4).

Durch eine zuvor erstellte DVT-Aufnahme war offensichtlich, dass mit einem für implantologische Absichten ausreichenden palatinalen Knochenangebot zu rechnen war. Bei der Insertion eines durchmesserreduzierten Implantats (3,5 × 13 mm Nobel-Replace) in den palatinalen Knochenanteil wurde auf eine präzise dreidimensionale Platzierung geachtet (Abb. 4, 5). Eine Herausforderung war, zunächst die Implantatbohrung und anschließend die Implantatinsertion gegen den fehlenden Druck von vestibulär in eine leicht nach palatinal versetzte Orientierung zu bringen. Bei dem hier dargestellten Vorgehen ohne Lappenbildung und ohne direkte Aufsicht auf die krestalen Knochenanteile bedarf die vertikale Positionierung der Implantatschulter einer erhöhten Sorgfalt. Optimalerweise liegt sie leicht unterhalb der knöchernen Strukturen, mindestens jedoch 3 mm unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze der Nachbarzähne. In mesio-distaler Ausrichtung informierte die DVT-Aufnahme über die Lage des Foramen incisivum. Beim technischen Vorgehen ließ sich durch die Insertion mit einer Einbringverlängerung die genaue Achse stets kontrollieren.

Das so inserierte Implantat zeigt einen ausreichenden Abstand von mehr als 2 mm in mesio-distaler Richtung zu beiden Nachbarzähnen und eine Implantatschulter, die zirka 4 mm unter der Schmelz-Zement-Grenze lag. (Abb. 5, 8). Vestibulär stellte sich ein etwa 3 mm breiter und 4 mm tiefer Verlust der bukkalen Knochenlamelle dar. Aus diesem Grund wurde nachfolgend ein Mukoperiostlappen ohne weitere Inzision über die Extraktionsalveole bis über die Mukogingivalgrenze und bis in die Nachbarzahnregionen präpariert. Danach wurde ein stabile Barrieremembran (Bone-lamina Tecnoss) in diesen Bereich eingebracht (Abb. 5). Die übrige Extraktionsalveole wurde mit einem resorbierbaren xenogenen Knochenersatzmaterial (MP3-Osteobiol Tecnoss) aufgefüllt. Wegen der Ausrichtung der Implantatachse war es nicht möglich, eine verschraubte Implantatversorgung zu wählen.

Individuelles Zirkonabutment

Nach Erstellung eines Modells über einen Polyetherabdruck wurde noch am selben Tag ein definitives individuelles Zirkon‧abutment erstellt. Dies ermöglichte die Versorgung mit einem Kunststoffprovisorium, dessen Zementränder nur leicht subgingival zu liegen kamen. Bei der Gestaltung der Krone wurde darauf geachtet, dass keine funktionellen Kontaktbereiche auf dem Provisorium zu liegen kamen. Abschließend wurden zwei mikrochirurgische Haltenähte im Approximalbereich positioniert, die nach einer Woche entfernt wurden (Abb. 7). Nach einer Tragezeit von sieben Monaten wurden die periimplantären Bereiche nach Abnahme des Abutments inspiziert und nachfolgend eine definitive Keramikkrone hergestellt und eingegliedert.

Im dargestellten Fall sprachen folgende Kriterien für eine einzeitige implantologisch-prothetische Versorgung:

  • die Unversehrtheit der umliegenden Weichegewebe,
  • die Unversehrtheit des limbus alveolaris im Approximalbereich und
  • das gute palatinale Knochenlager.

Fazit

In Kombination mit der Möglichkeit, ein individuell gefertigtes definitives Abutment am selben Tag zu fertigen, lässt sich so die Architektur der umliegenden Weichgewebsstrukturen optimal erhalten. Positiv auf die Behandlung wirkten sich die häusliche Mundhygiene und die gute Compliance der Patientin aus. Nachteilig ist der Teilverlust der vestibulären Knochenbereiche. Im Rahmen der Wundheilung der Extraktionsalveolen kann durch das Remodelling innerhalb der ersten sechs Monate ein weiterer Hartsubstanzverlust nicht ausgeschlossen werden. Um einem nicht ausreichenden Knochenlager vorzubeugen, wurde ein durchmesserreduziertes Implantat in einer palatinalen Ausrichtung inseriert und gleichzeitig eine knöcherne Augmentation mit einer lagestabilen Barrieremembran vorgenommen.

Die Etablierung eines langfristig stabilen Knochenlagers von mindestens 2 mm zirkulär um das Implantat ist im gezeigten Patientenfall als sicher vorhersagbar einzuschätzen und kann somit zeitlich mit der Implantation und der Sofortversorgung kombiniert werden. In Abwägung aller Ausgangskriterien wurde zugunsten des Konzepts der Sofortimplantation und Sofortversorgung entschieden. In einer solchen Entscheidung muss das primäre Ziel stets das stabile, sichere und langfristig funktionelle wie ästhetische Behandlungsergebnis sein. Sind diese für den Kliniker mit dem Umstand einer verkürzten Behandlung zu vereinbaren, spricht nichts gegen ein einzeitiges Vorgehen.

Prof. Dr. Hannes Wachtel
ist seit 1993 in einer Gemeinschaftspraxis mit Dr. Wolfgang Bolz tätig, der Bolz-Wachtel Dental Clinic, München. Er war im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie und lehrt an der medizinischen Fakultät der Charité in Berlin.

Dr. Christian Helf
Nach Beendigung seiner zweijährigen Assistenzarztzeit befindet sich Dr. Christian Helf derzeit in der Weiterbildung zum Spezialisten für Parodontologie.
Kontakt: info@bolz-wachtel.de