6. Internationales Osteology Symposium

THE NEXT REGENERATION

Rund 2800 Wissenschaftler und Kliniker aus 65 Ländern, 46 Aussteller, interessante Workshops und mehr als 288 Posterpräsentationen – das war das 6. Internationale Osteology Symposium in Barcelona. Spannende Gespräche über neue Techniken und Materialien rund um das Hart- und Weichgewebsmanagement bestimmten das Event.


Osteology-Foundation-Präsident Prof. Mariano Sanz skizzierte bei der Kongresseröffnung die Geschichte der 2003 von Dr. Peter Geistlich ins Leben gerufenen internationalen Stiftung. (© Barfuß, 11 Bilder)


Unter dem Motto „THE NEXT REGENERATION“ präsentierten die beiden Chairmen des Symposiums, Prof. Dr. Christoph Hämmerle, Zürich, und Dr. Mauricio Araújo, Brasilien, ein Programm, das alle Aspekte der oralen Regeneration inklusive neuester Techniken und Materialien abdeckte. „Die Welt der Zahnmedizin entwickelt sich schnell in vielerlei Hinsicht“, betonte Hämmerle bei der Kongresseröffnung. Auf der einen Seite ermöglichten Fortschritte der Zahnmedizin, des biologischen Verständnisses und der technischen Möglichkeiten, die Behandlungs- und Therapieplanung bis hin zur und Wiederherstellungschirurgie zu optimieren. Auf der anderen Seite werde die Zahnmedizin „weiblich“. Die typische Einzelpraxis verschwinde zunehmend, Gruppenpraxen, häufig in Dentalketten organisiert, gehöre die Zukunft. Araújo zeigte sich überzeugt, „dass wir in unserer schnelllebigen Zeit dynamisch und interaktiv auftreten müssen, wenn wir Wissen und Information vermitteln wollen“. Die Osteology Foundation hat auf diese Entwicklung mit der kostenlosen App „The Box“, der Präsenz der Stiftung in den sozialen Medien – Facebook, Twitter, Instagram etc. – und neuen interaktiven Kongressformaten reagiert, in Barcelona etwa mit der NEXT REGENERATION corner.

Stolz auf „The Box“

„The Box“, seit 2016 online, kommt an, wie Projektleiter PD Dr. Christian Schmitt, Erlangen, betonte. „Wir sind sehr stolz auf The Box. Die Nutzer produzieren und teilen Content, klinische sowie wissenschaftliche Inhalte.“ Und die Plattform entwickelt sich stetig weiter: Neue interaktive „The-Box-Features“ sind eine Fragenfunktion und das sogenannte „Augmented Reality Interface“, das den Anwendern unter anderem auf den Symposien zusätzliche Inhalte bietet. Mit den neuen Formaten und Angeboten soll nicht nur auf Veranstaltungen, sondern ständig und weltweit der Austausch von Wissen und Erfahrung zwischen Referenten und Teilnehmern, Experten und Praktikern oder Jung und Alt erleichtert werden.

Giannobile folgt Sanz

Der langjährige Osteology-Foundation-Präsident Prof. Dr. Mariano Sanz – im Juni 2019 wird er sein Amt an den derzeitigen President elect Prof. Dr. William V. Giannobile, USA, abgeben – skizzierte bei der Kongresseröffnung die Geschichte der 2003 von Dr. Peter Geistlich ins Leben gerufenen internationalen Stiftung. Der künftige Präsident Giannobile kündigte in Barcelona eine Ausweitung der globalen Präsenz der Osteology Foundation an. Er möchte die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Praktikern in Asien, Südamerika, Afrika und dem Mittleren Osten fördern, und die Präsenz der Stiftung in Europa und Nordamerika weiter stärken, betonte er.

3D-gedruckte Meshes

Wie sich komplexe vertikale Kammaugmentationen mit patientenindividua‧lisierten 3D-gedruckten Titangittern (Yxoss CBR) realisieren lassen, lernten die Teilnehmer im komplett ausgebuchten Geistlich-Workshop unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Mainz. Der Einsatz solcher Gitter unterstützt das Backward Planning, spart intraoperative Zeit und verringert die Menge an benötigtem Knochen. Mit Yxoss CBR ist es gelungen, die zum Knochenaufbau häufig verwendeten Titanium Meshes in der Fabrikation an die individuellen anatomischen Verhältnisse eines jeden Patienten anzupassen, wie der Erfinder der Technik, Dr. Marcus Seiler, Filderstadt, im Gespräch mit dem DENTAL MAGAZIN erläuterte. Das aufwendige Abdrucknehmen, Zuschneiden, Formen und Anpassen ist vom Tisch. Die spezifische Gitterstruktur ermöglicht eine Belastbarkeit gegen Druck- und Scherkräfte. Scharfkantige Randzonen, die beim Zuschneiden klassischer Meshes entstehen, entfallen gänzlich. Der augmentierte Bereich bleibt in seiner Struktur während der Heilungsphase erhalten. Zukünftig soll es auch möglich sein, den Gittern Medikamente beizumischen; auch sind neue Gitter-Druckmaterialien wie Keramik in der Pipeline, kündigte Al-Nawas an. Doch wann solche Materialalternativen in den deutschen Markt Einzug erhalten, ist ungewiss. Dazu Seiler: „Die regulatorischen Hürden in Deutschland sind hoch.“ Dass Titanmeshes nicht resorbierbar sind, sei von sekundärer Bedeutung. Es komme darauf an, dass die 3D-Stabilität gewährleistet und das Mesh patientenspezifisch ausgeformt wird.

Hat eine Kammdimension zum Beispiel eine Kurvatur oder liegt ein kombiniert horizontal/vertikaler Defekt vor, erlaubt das Mesh, intraoperativ und viel präziser und schneller zu arbeiten. Alles ist vorgefertigt. Und: Man kommt mit sehr viel weniger KEM aus und oft mit autologem Knochen nur aus dem Mund. Das heißt weniger Indikationen für große Augmentationen, wie Al-Nawas betonte.

Allogen und gefräst

Um Konzepte für komplexe Hart- und Weichgewebsdefekte ging es im internationalen Workshop (nur zwei Deutsche waren dabei) von botiss biomaterials unter der Leitung von Dr. Dr. Dr. Oliver Blume und Dr. Michael Back, beide München. Am Schweinekiefer trainierten die Teilnehmer das Weichgewebsmanagement unter der Verwendung der mucoderm-Matrix. Im Fokus standen die Tunneltechnik und die Verschiebelappenplastik. Am spannendsten aber war die Augmentation eines Knochendefekts im Schweinekiefer (ein verlagerter Zahn wurde zur Defektgenerierung entfernt) mit einem individuell gefrästen allogenen Knochenblock, der Gabe partikulären allogenen Knochenersatzmaterials und der Abdeckung mit einer porcinen Kollagenmembran mit langer Barrierefunktion (Jason membrane). Blume verwendet diese Membran, weil sie eine Standzeit von mindestens drei Monaten hat, aber nicht länger. Bei Augmentationen lehnt er eine Membran, die extrem aufquillt, ab. Die Jason-Membran sauge sich dagegen am Knochen fest und bleibe schlank.

Studie noch in 2019

Um herauszufinden, wie resorptionsstabil individuell gefräste allogene CAD/CAM-Blöcke tatsächlich sind, messen Back und Blume derzeit mit einer speziellen Software die Veränderungen der Volumina bei all ihren Fällen und vergleichen sie. Die Studie soll noch in diesem Jahr publiziert werden, kündigte Blume an. Die Genehmigung der Ethikkommission liege bereits vor, sagte er in Barcelona.

Im Trend: Porcines KEM

Begeistert zeigte sich PD Dr. Gerhard Iglhaut, Memmingen, von dem neuen porcinen Knochenersatzmaterial MinerOss XP (BioHorizons/CAMLOG). Der Vorteil liege in der Porosität des Materials, erklärte er. Diese führe zu einer optimalen Osteokonduktivität und biete ausreichend Raum für die Knochenneubildung. Dass Architektur und Porosität des Knochens eine entscheidende Rolle für die Knochenregeneration spielen, hatte auch Prof. Dr. Katja Nelson, Freiburg, in ihrem Update zur Hartgewebsaugmentation in der DGI-Session herausgestellt. Iglhaut kann sich jedenfalls vorstellen, dass MinerOss XP über kurz oder lang zum KEM-Goldstandard aufsteigt. Die Markteinführung in den USA erfolgte 2016, in Deutschland 2017. Zurzeit gibt es mehrere Studien, weitere werden in Freiburg – dort ist seit rund zwei Jahren auch Iglhaut tätig – auf den Weg gebracht.


Mehr Weichgewebe

Prof. Dr. Giovanni Zucchelli, Italien, zeigte die Behandlung einer Gingivarezession an einem einzelnen Zahn mit koronalem Verschiebelappen und der resorbierbaren, volumenstabilen Kollagenmatrix Fibro-Gide. Hauptziel ist es, mit der Kollagenmatrix schnell eine Weichgewebsverdickung zu erzielen. Sie stellt eine Alternative zu autologen Bindegewebetransplantaten (BGT) dar, die derzeit als der Goldstandard in der regenerativen Weichgewebechirurgie gelten. Bei der Matrixanwendung wird jedoch eine zusätzliche Entnahmestelle vermieden.

Dünner und deutlich elastischer als herkömmliche Kollagenmatrices ist die in Barcelona vorgestellte azellulare porcine dermale Matrix NovoMatrix (BioHorizons/CAMLOG). Damit ließe sich die Tunneltechnik selbst in sehr dünnem Gewebe realisieren, betonte Iglhaut. Die Matrix sei 1 mm dick und reiße beim Einbringen nicht. Die Markteinführung in Deutschland startet 2020.

Auch ohne Matrices scheint es die Möglichkeit zu geben, ein Plus an Weichgebe zu generieren, wie Dr. Mischa Krebs, Alzey, zeigte. „Formung des Sulkus mit individuellen Sofort-Abutments“, lautet seine Lösung. Entsprechend favorisiert er die „Single-Visit-Dentistry“. Und die sei bei den meisten Patienten möglich, denn bei 80 Prozent aller Implantate gehe es um den Einzelzahnersatz, für CEREC-Zahnärzte in einer Sitzung problemlos zu managen. Herausnehmbare Provisorien sind für das Gros der Patienten ein No-Go, ist er sich sicher.

Zurück zum Hartgewebe

Dass es sich bei der lateralen Knochenaugmentation mit GBR um die am besten dokumentierte Knochenaugmentationstechnik bei Implantatpatienten handelt, steht für Prof. Dr. Daniel Buser, Zürich, außer Frage. Sie kann sowohl einzeitig als auch zweizeitig erfolgen, Zehn-Jahres-Studien belegten für beide Protokolle 95- bis 98-prozentige Überlebensraten. Buser empfiehlt das einzeitige Vorgehen, um dem Patienten den Zweiteingriff zu ersparen. Seit 1998 würden Kollagenmembranen bevorzugt.

Dr. Istvan Urban, Ungarn, gilt als Experte der vertikalen Kammaugmentation. Er erläuterte unter anderem die Technik des modifizierten Verschiebelappens. Auch die vertikale Augmentation mit GBR ist sicher und vorhersagbar, wie er betonte, außer bei sehr extremen vertikalen Defekten. Da brauche es noch mehr Informationen hinsichtlich des Implantatverhaltens.

Periimplantitis bekämpfen

Kritische Aspekte der von Periimplantitis betroffenen Bereiche beleuchtete die Session unter der Moderation von Prof. Dr. Frank Schwarz, Frankfurt. Das Ziel der Behandlung der Periimplantitis sei es, die Periimplantitis zu beseitigen und den weiteren Verlust des Stützknochens zu stoppen, sagte Prof. Dr. Tord Berglundh, Schweden. Antiinfektiöse Maßnahmen seien dafür langfristig wirksam, wie Stu‧dien zeigten. Prof. Lisa Heitz-Mayfield, Australien, skizzierte die Periimplantitis-Risikofaktoren. Dazu zählen unter anderem die Ätiologie der Periimplantitis, schlechte Plaquekontrolle und mangelnde Nachsorge. Wichtig sei ein hygienefähiges Design der Implantatprothetik. Heitz-Mayfield stellte in Barcelona zudem IDRA vor, ein Diagramm für das „Implant Disease Risk Assessment“.

In den Pausen gab es einen Run auf die Industrieausstellung, auf der u. a. die Gründungs- und Goldpartner der Osteology Foundation ihre neuen Produkte und Innovationen vorstellten. Zu diesen besonderen Partnern gehören Geistlich Biomaterials, BioHorizons CAMLOG, Dentsply Sirona, Nobel Biocare, Osteogenics Biomedical und Thommen Medical.