Lappenlose Insertion

So gibt es bei der Implantation weniger Schmerzen

Auf dem Weg zur implantatgetragenen prothetischen Versorgung müssen Behandler immer in enger Abstimmung mit ihren Patienten eine Reihe von Entscheidungen fällen. Die Wahl eines geeigneten chirurgischen Protokolls ist nur eine davon. Neben der klassischen Vorgehensweise, welche die Bildung von Mukoperiostlappen beinhaltet, stellt die lappenlose Insertion (Abb. 1) eine Option dar, die als besonders schmerzarm gilt. Im vorliegenden Artikel soll eine Einordnung dieser Annahme auf Grundlage einer subjektiven Auswahl von Studien erfolgen.


Schmerzen Implantation

Abb. 1 Die Implantation ohne Bildung eines Mukoperiostlappens gilt als besonders schmerzarm. Hier ein zweiteiliges Champions (R)Evolution Implantat, bei dem der Shuttle bereits als Gingivaformer fungiert. © Champions


Einen signifikanten Unterschied in der Schmerzempfindung bei lappenloser bzw. Lappen-Implantation stellten Tsoukaki et al. [1] fest. In ihrer prospektiven randomisierten kontrollierten klinischen Studie, bei der sie die beiden chirurgischen Verfahren anhand von klinischen, röntgenologischen, mikrobiologischen und immunologischen Parametern miteinander verglichen, nahmen sie als nachgeordneten Untersuchungsgegenstand auch das Schmerzempfinden der Patienten in den Blick. Dazu ließen sie die insgesamt 20 Patienten im Alter von 30 bis 62 Jahren eine Woche nach der Implantation einen Fragebogen zu ihren Schmerzen ausfüllen. Dort galt es, die Schmerzempfindung einen, zwei und sieben Tage nach dem Eingriff anhand einer 10 cm langen visuellen Analogskala anzugeben.

Wenngleich sich das Schmerzniveau der Untersucher zufolge grundsätzlich auf einem eher niedrigeren Level bewegte, zeigte sich mit Blick auf den ersten und zweiten Tag nach dem chirurgischen Eingriff ein signifikanter Unterschied im Antwortverhalten der beiden Patientengruppen. Demnach traten bei der Gruppe, bei der Lappen-Implantationen durchgeführt wurden, mehr starke Schmerzen auf als bei jenen Patienten, bei denen der Eingriff lappenlos erfolgte. Zudem ließe sich im Schmerzmuster der Patienten mit Lappen-Implantation ein statistisch signifikanter Anstieg nach dem Eingriff beobachten, auf den in den Tagen danach dann eine bemerkenswerte Abnahme des Schmerzempfindens folgte. In der Gruppe der mit lappenlos inserierten Implantaten versorgten Patienten hingegen wurde eine graduelle Reduktion des Schmerzes über die erste Woche nach der Implantation festgestellt.


Implantation und Schmerzen bei Versorgung von Typ-2-Diabetikern

In einer randomisierten kontrollierten Studie verglichen Agrawal et al. [2] die Behandlungsergebnisse lappenlos bzw. mit Lappenbildung inserierter und verzögert belasteter Implantate bei kontrollierten Typ-2-Diabetikern. Dafür wurden insgesamt 92 Patienten untersucht, bei denen es jeweils einen fehlenden ersten Molaren durch ein Implantat zu ersetzen galt. Nach zufälliger Zuordnung zu einer von zwei Gruppen wurde bei 46 von ihnen eine lappenlose Insertion vorgenommen, während die Implantation bei den übrigen 46 Patienten nach Bildung von Mukoperiostlappen erfolgte. Vier Monate nach dem chirurgischen Eingriff wurden die Implantate dann mit einer Metallkeramikkrone versorgt. 24 Stunden sowie drei und sieben Tage nach der Implantation wurden die Heilung des Weichgewebes, die Schmerzempfindung der Patienten und das Vorhandensein von Schwellungen untersucht. Die Schmerzempfindung der Patienten wurde mithilfe einer visuellen Analogskala von 0 bis 10 ermittelt, zur Feststellung des Schwellungsniveaus wurden die Probanden gebeten, Angaben auf einer Skala von 0 bis 2 (0 = nicht geschwollen, 1 = etwas geschwollen, 2 = sehr geschwollen) zu machen.

Sechs und zwölf Monate nach der prothetischen Versorgung wiederum nahmen die Untersucher Plaquevorkommen, Sulkusblutungen, Taschentiefen und HbA1c-Werte in den Blick. In puncto Schmerz konnte nach der Behandlung eine lineare Abnahme beobachtet werden, die sich drei und sieben Tage nach dem Eingriff auf einem vergleichbaren Niveau bewegte. 24 Stunden nach der Implantation zeigten sich allerdings signifikant größere Schmerzen in der Gruppe der mit Bildung von Mukoperiostlappen behandelten Patienten. Darüber hinaus stellten die Wissenschaftler in dieser Gruppe am dritten Tag nach der Implantation eine signifikant höhere Zahl von Schwellungen fest. Zudem zeigten sich bei der finalen Nachuntersuchung signifikant geringere Taschentiefen sowie ein signifikant geringerer Blutungsindex in der Gruppe der Probanden, deren Implantate lappenlos inseriert wurden. Auf Basis dieser Ergebnisse wurde geschlussfolgert, dass die minimalinvasive chirurgische Vorgehensweise der lappenlosen Implantation für die Behandlung von Typ-2-Diabetikern in Betracht gezogen werden könne, um postoperative Schmerzen und Schwellungen zu reduzieren.


Empfehlung für Patienten mit Vorbehalten

Einen Vergleich der Schmerzempfindung sowie der Entzündungszeichen bei lappenlosen Implantationen und Voll-Lappen-Präparationen stellte die Gruppe um Al-Juboori in ihrer Split-Mouth-Studie [3] an. Dazu inserierten sie elf Patienten je zwei Implantate, eines davon lappenlos, das andere nach Voll-Lappen-Präparation. Sieben bis zehn Tage nach dem chirurgischen Eingriff wurden die Patienten dann einer Nachuntersuchung unterzogen. Hier gaben alle Probanden schwache bis mittelschwere Schmerzen im Bereich der nach Voll-Lappen-Präparation inserierten Implantate zu Protokoll.

Mit Blick auf die lappenlos inserierten Implantate hingegen gaben alle Patienten an, schmerzfrei geblieben zu sein. Die Empfindung in diesem Bereich wurde als „normal“ beschrieben. Zudem ließen sich hier auch keine postoperativen Schwellungen feststellen, während sich im Bereich der aufgeklappten Mukoperiostlappen Schwellungen zeigten, die eine Woche nach dem Eingriff nachließen. Die Forscher wiesen darüber hinaus darauf hin, dass sich die Patienten durch die infolge der Lappenbildung entstandenen Nähte gestört zeigten und es hier außerdem zu gingivalen Überwucherungen der Einheilkappen kam. Vor dem Hintergrund ihrer Untersuchungsergebnisse sprachen die Wissenschaftler eine Empfehlung der lappenlosen Insertion für Patienten mit Vorbehalten aus, da es sich hierbei um eine schmerzfreie Vorgehensweise handle, die zudem mit einem geringeren Maß an postoperativen Schwellungen einhergehe.

Niedrigerer Schmerzmittelkonsum

Bei ihrer vergleichenden Untersuchung von freihand- und computergestützt inserierten und sofortbelasteten Implantaten kamen Pozzi et al. [4] mit Blick auf die Schmerzempfindung der Patienten ebenfalls zu einer interessanten Erkenntnis. Sie versorgten insgesamt 51 vollkommen oder teilweise zahnlose Patienten, die jeweils mindestens zwei Implantate benötigten, mit einer Prothese. Sie wurden zufällig entweder der „konventionellen“ und der „computergestützten“ Gruppe zugeteilt. Bei ersterer Gruppe wurden die Implantate manuell im Freihand-Verfahren inseriert, während in der zweiten Gruppe die Implantation mithilfe einer Bohrschablone erfolgte. Zwar sah das Studiendesign grundsätzlich vor, dass die Implantate lappenlos inseriert werden sollten, im Falle von Unsicherheiten bei der Platzierung stand den Behandlern jedoch die Lappenbildung frei. Wenn möglich, wurden die Implantate unmittelbar mit einer provisorischen Prothese versorgt, welche vier Monate später durch die definitive prothetische Versorgung ersetzt wurde. Zudem wurden zur Ermittlung des Knochenniveaus unmittelbar nach der Implantation periapikale Röntgenaufnahmen angefertigt.

Drei Tage nach der Implantation wurden die Patienten erneut einbestellt, um die Okklusion zu überprüfen und um Angaben zu Schmerzen, zu Schwellungen und zum Schmerzmittelverbrauch aufzunehmen. Sieben Tage nach der Implantation wurde die Okklusion erneut überprüft, falls notwendig wurden Fäden gezogen und es erfolgte eine Instruktion zur Mundhygiene. Einen Monat nach der definitiven prothetischen Versorgung fand ebenfalls eine Überprüfung der Okklusion sowie des Mundhygienestatus statt, welche von dort an im viermonatigen Turnus wiederholt wurde. Ein Jahr nach der erstmaligen Belastung der Implantate erfolgte schließlich eine weitere Nachuntersuchung, bei der zusätzlich periapikale Röntgenaufnahmen angefertigt und die prothetischen Versorgungen zum Zwecke der Überprüfung der Implatatstabilität entfernt wurden.


In ihrer Schlussfolgerung hielten die Untersucher fest, dass sich zwischen den freihand- und computergestützt inserierten Implantaten weder in puncto Verlust- oder Komplikationsraten noch bei den Veränderungen des Knochenniveaus, der Anzahl der notwendigen Behandlungssitzungen oder den übrigen Untersuchungsparametern ein signifikanter Unterschied feststellen ließ. Die einzigen Ausnahmen bildeten postoperative Schmerzen und Schwellungen. Sie kamen in der „Freihand-Gruppe“ signifikant häufiger vor. Dies sei den Wissenschaftlern zufolge höchstwahrscheinlich auf die Lappenbildung zurückzuführen, welche in dieser Gruppe häufiger vorgenommen wurde. In diesem Zusammenhang fiel den Forschern zudem auf, dass bei elf Patienten nahezu keine postoperativen Schmerzen sowie ein signifikant geringerer Verbrauch an Schmerzmitteln festzustellen waren – ihr Behandler hatte im Gegensatz zu seinen beiden Kollegen alle Eingriffe lappenlos durchgeführt.

Fazit zur Form der Implantation und Schmerzen

Mit Blick auf die vorliegenden Studien scheint die lappenlose Implantation (Abb. 2) ihrem Ruf als im Vergleich zur Lappen-Implantation schmerzärmere Therapieoption gerecht zu werden. Wenngleich sich in den Untersuchungen mitunter unterschiedliche Aussagen zur Art der Schmerzabnahme (graduell oder abrupt) finden lassen, so zeigen doch alle zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt nach dem chirurgischen Eingriff ein signifikant niedrigeres Schmerzniveau bei lappenlos inserierten Implantaten. Diese Resultate gehen zudem mit signifikant weniger Schwellungen oder einem niedrigeren Schmerzmittelkonsum einher, wodurch sich die Aussagekraft des subjektiven Faktors „Schmerzempfinden“ zusätzlich stützen lässt. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die praktischen Empfehlungen der zitierten Forschungsgruppen erscheint die lappenlose Implantation bei ausreichendem Knochenangebot insbesondere für schmerzsensible Patienten als attraktive Option.

<strong>Flapless weitergedacht</strong>
  • Ein lappenloses Implantationsverfahren heißt MIMI (Champions Implants, Flonheim, Abb. 3–10). Mit einer Besonderheit: Es ergänzt die lappenlose Vorgehensweise (flapless approach) in der chirurgischen Phase um einen entscheidenden Aspekt in der prothetischen Phase. Denn dank des sogenannten Shuttles muss hier keinerlei Wiedereröffnung der Gingiva erfolgen.
  • Der Shuttle fungiert dabei gleichzeitig als chirurgische Verschlussschraube und als Gingivaformer. Das mit der Wiedereröffnung der Gingiva assoziierte Risiko von Weich- und Hartgewebsabbau wird auf diese Weise vermieden. So kombiniert das MIMI-Verfahren die Vorzüge der lappenlosen Insertion mit einem relevanten Vorteil in der prothetischen Phase.
  • Der chirurgische Eingriff erfolgt im Low-Speed-Verfahren, zunächst mit langen, konischen Dreikantbohrern. In der Kompakta sieht das MIMI-Bohrprotokoll eine Umdrehungszahl von 250 U/min vor, in der Spongiosa 50 bis 70 U/min. Dies ermöglicht die sogenannte CNIP-Navigation (Cortical Navigated Implantation Procedure), bei der der Bohrer von der kortikalen Schicht des Kieferknochens geführt wird und dementsprechend stets in der Spongiosa verbleibt.
  • Bei der Wahl des letzten Bohrers kommt zudem ein Durchmesser zum Einsatz, der circa 0,5 mm größer ist als der Implantatdurchmesser. Auf diese Weise wird eine krestale Entlastung sichergestellt. Lässt es die Anatomie zu, wird optimalerweise 1 bis 2 mm subkrestal implantiert – so bleibt der „Platform-Switching-Effekt“ vollumfänglich erhalten.
  • Bei schmalen Kieferkämmen ist die Implantation im MIMI II-Verfahren nach Dr. Ernst Fuchs-Schaller möglich, das ebenfalls auf der CNIP-Navigation basiert. Zusätzlich kann bei Bedarf ein interner, direkter Sinuslift als minimalinvasive Vorgehensweise zur Anhebung des Kieferhöhlenbodens erfolgen. Diese Techniken werden in weiteren Studien einen Fokus bilden.

Der Experte

Implantation Schmerzen

Foto: Privat

Prof. Dr. Ralf Rößler
DTMD University for Digital Technologies in Medicine & Dentistry, Professur für interdisziplinäre Parodontologie und Prävention, Luxembourg
ralf.roessler@dtmd.eu