Implantologie

Erfolg und Eignung von Mini-Implantaten

In der Praxis etabliert, aber vielfach mit Skepsis betrachtet – das galt lange Zeit für Mini-Implantate. Doch in den vergangenen Jahren zogen die Implantate mit reduziertem Durchmesser (unter 3 mm) zunehmend die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern auf sich. Entsprechende Studien zur Untersuchung der klinischen Eignung von Mini-Implantaten wurden an zahlreichen Universitäten weltweit initiiert.



Während anfänglich Diskussionen über möglicherweise höhere Verlustraten der Mini-Implantate, Bruchgefahr u. Ä. geführt wurden, zeigen verschiedene Studien und Literatur-Reviews heute, dass die erzielten Erfolgsraten mit denen konventioneller Implantate vergleichbar sind [1–3]. Weitere aktuelle Untersuchungen widmeten sich zunächst hauptsächlich der Indikation der Verankerung von Totalprothesen im zahnlosen Kiefer.

Verbesserte Lebensqualität

Einer der wichtigsten Faktoren für die Beurteilung der Eignung einer Therapieform ist die Zufriedenheit der Patienten mit ihr. Ermitteln lassen sich die Zufriedenheit und das Potenzial, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, durch direkte Befragungen.

Die Probleme von Totalprothesenträgern, die es zu lösen gilt, sind bereits bekannt: Insbesondere die Patienten, die mit einer Prothese im Unterkiefer versorgt sind, leiden häufig unter einem mangelnden Prothesenhalt und dadurch unter Einschränkungen z. B. hinsichtlich der Nahrungsaufnahme [4]. Mangelernährung und eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Krankheiten können die Folge sein. Häufig führen diese Probleme auch zu einer Meidung sozialer Kontakte.

Konventionelle Implantate

Eine Lösung stellt die Insertion von mindestens zwei konventionellen Implantaten zur Prothesenverankerung dar. Untersuchungen zeigen, dass dadurch eine im Vergleich zur konventionellen, rein schleimhautgetragenen Prothese deutlich gesteigerte Lebensqualität erzielt wird [5–6]. Für ältere Patienten ist diese Therapieform jedoch nur bedingt geeignet [7]: Zum einen haben Senioren häufig Bedenken aufgrund des komplexen chirurgischen Eingriffs. Zum anderen ist es fraglich, inwiefern eine solch aufwendige Behandlung, die oft Augmentationen und eine lange Einheilzeit erfordert, überhaupt für ältere Patienten empfehlenswert ist.

Mini-Implantate

Mini-Implantate können bei Senioren mit reduziertem Knochenangebot besser geeignet sein, da sie in der Regel ein wesentlich weniger invasives chirurgisches Verfahren erfordern. Ältere Patienten profitieren zudem von einer kürzeren Behandlungsdauer – oftmals mit Sofortversorgung – sowie geringen Kosten.

Pilotstudie zu Mini-Implantaten

Wie sich die Verankerung von Totalprothesen mit Mini-Implantaten auf die Lebensqualität der Patienten auswirkt, wurde u. a. an der Universität Montreal im Rahmen einer Pilotstudie untersucht. Dazu wurden bei zehn Patienten jeweils vier MDI Mini-Dental-Implantate (3M ESPE) im zahnlosen Unterkiefer flapless inseriert und sofort durch eine schleimhautgetragene und implantatretinierte Prothese belastet. Alle Patienten füllten vor dem Eingriff sowie sechs Monate danach einen Fragebogen aus. Die Ergebnisse der Auswertung wurden im Rahmen einer Posterpräsentation von Prof. Dr. Shahrokh Esfandiari, Patricia Oliveira und Prof. Dr. Jocelyne Feine während des International Congress of Oral Implantologists 2012 in Florida vorgestellt: Die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität verbesserte sich signifikant.

Retrospektive Studie

Ähnliche Resultate bestätigte eine retrospektive Studie der Universität Greifswald [8]. Dort wurden 79 weibliche und 54 männliche Patienten im Alter von 48 bis 100 Jahren in neun Zahnarztpraxen sieben bis 61 Monate nach Insertion von Mini-Implantaten im Ober- und/oder Unterkiefer zur Prothesenstabilisierung von einem unabhängigen Zahnarzt klinisch untersucht. Zudem wurden Fragebögen durch die Patienten ausgefüllt und Aufzeichnungen in der Patientenakte berücksichtigt, um Daten zur Erfolgsrate, der Veränderung der Lebensqualität und den notwendigen Maßnahmen zur Instandhaltung der Prothese zu erheben. Über eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität berichteten 87,6 Prozent der Patienten. Untersuchungen der Universitäten Belgrad und Bern zeigten vergleichbar gute Ergebnisse [9–10].

Mini-Implantate: Einfluss auf Knochen

Ein weiterer bedeutender Aspekt, der hinsichtlich des Einsatzes von Mini-Implantaten zur Verankerung von Totalprothesen zu untersuchen ist, ist der Einfluss auf den umliegenden Knochen. Es liegt die Vermutung nahe, dass aufgrund des sehr geringen Durchmessers von Mini-Implantaten bei Belastung andere Kräfte auf den periimplantären Knochen einwirken als bei Einsatz von konventionellen Implantaten.

Gleichzeitig ist das Belastungskonzept bei der Verwendung von schleimhautgetragenen Prothesen ein anderes als bei festsitzendem Zahnersatz.

Darum ist zu analysieren, welche Prozesse im Knochen durch die Sofortbelastung der Mini-Implantate ausgelöst werden. Dies erfolgte im Rahmen einer Kohortenstudie der Universität Belgrad, bei der die Stabilität der Mini-Implantate sowie die Veränderungen des periimplantären Knochenniveaus gemessen wurden [11]. 30 zahnlose Patienten im Alter von 45 bis 63 Jahren erhielten im interforaminalen Bereich des Unterkiefers jeweils vier MDI Mini-Dental-Implantate, die sofort über Totalprothesen belastet wurden. Zur Messung des Knochenniveaus wurde zur Sicherstellung einer exakten Repositionierung im Patientenmund ein individualisierter Zahnfilmhalter erstellt. Mit diesem wurden Röntgenaufnahmen unmittelbar nach Implantatinsertion sowie in der sechsten Woche und jeweils im vierten und zwölften Monat postoperativ durchgeführt. Der durchschnittliche Knochenabbau lag nach zwölf Monaten bei 0,4 mm und damit den Autoren der Studie zufolge im klinisch akzeptablen Bereich. Die Ermittlung der Implantatstabilität erfolgte anhand von Periotest Werten nach Implantatinsertion, drei und sechs Wochen später sowie vier, sechs und zwölfMonate postoperativ. Dabei zeigte sich, dass die Primärstabilität analog zu der konventioneller Implantate bis zur sechsten Woche abnahm, bevor ein deut‧licher Anstieg der Stabilität durch Osseointegration bis zum zwölften Monat erfolgte. Das Fazit lautete, dass Mini-Implantate bei Erreichen einer ausreichenden Primärstabilität von 35 Ncm im Unterkiefer eine Sofortbelastung ermöglichen.

Des Weiteren wurden in einer prospektiven Studie der Universität Bern u. a. Faktoren des Verschleißes der prothetischen Komponenten untersucht [10]. Daten zur Erfolgsrate, der Veränderung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität und der Kaukraftentwicklung wurden ebenfalls erhoben.

Um den Verschleiß zu prüfen, wurden bei 20 Patienten Mini-Implantate zur Verankerung einer Unterkiefertotalprothese inseriert und die bestehenden Prothesen entsprechend umgearbeitet. Zur Ermittlung des Verschleißes wurden unmittelbar nach der Implantation sowie vier, achr, zwölf, 26 und 52 Wochen postoperativ die Retentionskräfte der Matrizen sowie der Patrizen mit einem speziellen Messsystem ermittelt. Dabei wurde eine geringfügige Abnahme der Retentionskraft an den auswechselbaren Matrizen ermittelt (diese lag nach zwäöf Monaten bei 70 Prozent des Ausgangswerts), während die Patrizen keine Verschleißerscheinungen zeigten. Demnach ist das Verschleißverhalten als gut zu bewerten. Die Beißkraft der Patienten nahm mit der Zeit stetig zu – es lässt sich vermuten, dass diese Tatsache für die geringe Ausfallquote der Mini-implantate mitverantwortlich ist.

Fazit und Ausblick

Die Studienergebnisse zeigen, dass es sich bei Mini-Implantaten um eine Therapieoption handelt, die sich für die Verankerung von Totalprothesen im zahnlosen Kiefer sehr gut eignet. Dies bestätigt auch ein Konsensus-Statement des ITI [12]. Nun gilt es, den in vielen Zahnarztpraxen bereits seit mehr als einem Jahrzehnt erfolgreich durchgeführten Einsatz der Mini-implantate zur Erhöhung der Retention von Teilprothesen wissenschaftlich zu untersuchen. An der Universität Greifswald wurden unter der Leitung von PD Dr. Torsten Mundt bereits retrospektive und prospektive klinische Studien initiiert.

Welche Mini-implantate sind verfügbar?

Die einteiligen MDI Mini-Dental-Implantate von 3M ESPE sind in Durchmessern von 1,8 bis 2,9 mm und Längen von 10 bis 18 mm verfügbar. Es werden unterschiedliche Designs (z. B. mit und ohne Kragen) angeboten.

Indikationen & Patientenauswahl

Durch den Hersteller freigegeben sind MDI Mini-Dental-Implantate für die Stabilisierung von Total- und Teilprothesen sowie die Fixation kleiner Brücken. Ihr Einsatz in der Indikation der Prothesenverankerung ist insbesondere bei älteren, anamnestisch vorbelasteten Patienten empfehlenswert, die über ein geringes horizontales Knochenangebot verfügen. Dort wäre die Verwendung konventioneller Implantate u. a. wegen der Komplexität des Eingriffs und der Notwendigkeit von Augmentationen mit einem erhöhten Risiko sowie Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Miniimplantate ermöglichen hingegen ein weniger aufwendiges chirurgisches Verfahren, bei dem häufig auf eine Lappenbildung verzichtet werden kann. Im Unterkiefer ist bei Erreichen einer Primärstabilität von 35 Ncm die Sofortbelastung durch eine schleimhautgetragene und implantatretinierte Prothese möglich.

Erforderliches Know-how

Wer Miniimplantate inseriert, sollte über fundierte Kenntnisse in der zahnärztlichen Chirurgie und Anatomie verfügen. Zudem ist es empfehlenswert, entsprechende von 3M ESPE organisierte Schulungen zu besuchen, bei denen das MDI-System sowie die Vorgehensweise bei der Planung, dem chirurgischen Eingriff und der prothetischen Versorgung vorgestellt werden. In jedem Fall ist das spezielle, durch den Hersteller festgelegte chirurgische und prothetische Protokoll exakt einzuhalten.

Prof. Dr. Dr. Norbert Enkling
seit 2014 in der Eichenklinik Kreuztal tätig niedergelassen, seit 2014 zudem eine Professur an dem Uniklinikum Bern.
Kontakt: info@eichenklinik.de