Implantologie

Elegant gelöst mit Hub

Auch direkt neben einem intraossären Defekt kann man Implantate setzen. Voraussetzung: Der Defekt regeneriert, und das Implantatbett ist gesund. Mit den richtigen Maßnahmen und Instrumenten lässt sich das realisieren.



Bei einem 60-jährigen Patienten stellt sich folgende Ausgangssituation dar: An Zahn 35 ist deutlich ein distaler Knochendefekt zu erkennen (Abb. 1). Ursache ist eine parodontale Läsion, wahrscheinlich verursacht durch Plaqueanlagerung unter dem vorher vorhandenen Brückenglied. Simultan eine Implantation in der Lücke 36 unter Bearbeitung des Knochendefekts und dem Aufbau mit eigenem Knochen vorzunehmen, wäre theoretisch eine Option. Aber sie birgt ein großes Risiko! Bevor in Zahnlücke 36 ein Implantat gesetzt werden kann, muss vorher geklärt werden, ob Zahn 35 überhaupt erhaltungswürdig ist. Dafür muss der intraossäre Defekt an Zahn 35 regenerieren.

Defektgrösse bestimmen

Einleitend wird eine Vorbehandlung durchgeführt, d. h. Erhebung des PA-Status, konservative Vorbehandlung, Reevaluation. Am OP-Tag wird ein mikrochirurgischer Zugangsschnitt direkt auf dem Kamm zwischen Zahn 34 und Zahn 35 in der keratinisierten Gingiva vorgenommen. Das Sondieren rund um Zahn 35 ergibt, dass bukkal und mesial kein Knochendefekt zu erkennen ist, sondern nur distal, der sich nach lingual ausbreitet. Im Sinne einer minimalinvasiven Vorgehensweise wird der Lappen lingual durch einen kleinen Entlastungsschnitt erweitert, während die Papille interdental bukkal 34 und 35 komplett unberührt bleibt. Es stellt sich heraus, dass sich der Defekt komplett vom distobukkalen Line-Angle des Zahns bis zum mesiolingualen Line-Angle erstreckt (mit Line-Angle wird die Kante bezeichnet, bei der die Distalfläche in die Lingualfläche bzw. die Lingualfläche in die Mesialfläche übergeht).

Wurzeloberfläche glätten

Für ein gründliches Debridement passt der Airscaler SF66 aus der SonicLine (Komet) mit diamantierter Knospe. Doch es ist offensichtlich, dass dieses Instrument aufgrund seiner Ausmaße für den schmalen Defekt bukkal nicht geeignet ist. An dieser Stelle ist die diamantierte Hubfeile RCAP1 Surfer 5 mm lang (Komet) aufgrund ihrer Ergonomie und Größe perfekt indiziert. Dank ihrer grazilen Dimension lassen sich die Zahnwurzeloberflächen maschinell subgingival von Ablagerungen wie Plaque, Zahnstein und Konkrementen reinigen. Gleichzeitig ist eine Konturierung und Glättung der Wurzeloberfläche möglich. Die Hubfeile ist flexibel und schmiegt sich gut an. Dabei sind die mechanisch geradlinig geführten Mikrobewegungen im Hubwinkelstück (von 0,4 bis 1,1 mm Hublänge) angenehm direkt. Das Instrument wird unter Kühlung mit vorsichtigen, kontrollierten Bewegungen und geringer Anpresskraft einfach am Zahnhals entlang in die Tiefe geführt.

Defektauffüllung

Nachdem der Defekt komplett gereinigt und die Oberfläche biokompatibel gemacht wurde, wird die Wurzeloberfläche mit Emdogain (Straumann) behandelt. Dann wird mit resorbierbarem Knochenersatzmaterial mp3 (Osteobiol) aufgefüllt. Der Grund: Obwohl der dreiwandige Defekt ein selbsterhaltender ist, der das Weichgewebe theoretisch also auch selbst stützen könnte, wird durch das Auffüllen sichergestellt, dass das Weichgewebe nicht die Läsion hinein kollabiert. Das resorbierbare Knochenersatzmaterial gibt dem Gewebe zum jetzt gegebenen Zeitpunkt zusätzlichen Halt, wird sich aber mittelfristig durch körpereigenen Knochen ersetzen. Verschlossen wird mit einer mikrochirurgischen Naht (Seralene 6.0 OS 12).

Fazit

Die Frage, an Position 36 innerhalb einer Sitzung zu implantieren, den Defekt 35 aufzubereiten und mit Knochen aufzufüllen, hat sich mir aufgrund der riskanten Prognose zu keinem Zeitpunkt gestellt. Das Implantat wäre mesial direkt in Kontakt mit dem Knochendefekt gekommen, die komplette Einheilung auch unter Einsatz eines Knochenersatzmaterials mehr als ungewiss gewesen. Eine Reinfektion hätte nicht nur Zahn 35, sondern auch das Implantat gekostet. Insofern war es meiner Meinung nach wichtig, zuerst die Voraussetzungen für eine gesunde Biologie des Knochens herzustellen. Um ein Implantat an Position 36 zu setzen, wird in ca. sechs bis zwölf Monaten eine röntgenologische Kontrolle vorgenommen. Gibt das Röntgenbild „grünes Licht“ und zeigt sich beim Aufklappen eigener, ortsständiger Knochen, haben die Maßnahmen die besten Voraussetzungen für ein gesundes Implantatlager geschaffen.

Dr. Christopher Köttgen
studierte Zahnheilkunde an der Universität Mainz und ist seit 2004 in eigener Praxis in Mainz tätig. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Parodontologie und die Implantologie.
Kontakt: praxis@drkoettgen.de