Implantologie

Ästhetik: Freiliegende Implantate

Mukosale Rezessionen und Volumendefizite um Implantate stellen eine große Herausforderung für den Erhalt oder die Wiederherstellung der Ästhetik dar. Für geringe Rezessionen ohne Volumendefizit bietet sich eine rein prothetische Lösung an, bei größerem Gewebedefizit ist eine zusätzliche Verdickung des Weichgewebes erforderlich.



Durch eine voranschreitende Integration der Implantologie in den zahnmedizinischen Behandlungsalltag hat sich die Anzahl der implantologisch tätigen Zahnärzte seit den späten 80ern verzehnfacht. In Deutschland werden circa eine Million Implantate jährlich inseriert. Folglich erhöht sich die Anzahl der Misserfolge, deren Management somit stärker in den Fokus rückt. Die Bewertung des Implantaterfolgs richtet sich nicht mehr nur nach Kriterien der Osseointegration, sondern soll vielmehr den ästhetischen und biologischen Ansprüchen gerecht werden. Die Erwartungen der Patienten und der Behandler sind gestiegen. Daher sind auch Rezessionen an Implantaten in der ästhetischen Zone als Misserfolg zu werten.

Mukosale Rezessionen und Volumendefizite um Implantate stellen eine große Herausforderung für den Erhalt oder die Wiederherstellung der Ästhetik dar. Derartige Gewebedefizite können sich in freiliegenden Kronenrändern, freiliegenden Abutments und freiliegenden Implantatoberflächen äußern. Hauptursachen für Rezession sind die Fehlpositionierung des Implantats, ein überdimensionierter Implantatdurchmesser und der Volumenverlust des Hart- und Weichgewebes.

Die Wahl des Therapiekonzepts richtet sich nach dem Ausprägungsgrad des Gewebedefizits. Für geringe Rezessionen ohne Volumendefizit bietet sich eine rein prothetische Lösung an.

Hierbei erfolgt eine Ausformung des Emergenzprofils durch Verdrängung und Reduktion mithilfe einer neuen Suprakonstruktion. In Fällen mit größerem Gewebedefizit ist eine zusätzliche Verdickung des Weichgewebes erforderlich. Bei nicht axialer, sondern körperlicher Fehlpositionierung in bukko-oraler oder vertikaler Ebene ist die Ästhetik nur durch Explantation und Insertion eines neuen Implantats wieder zu erzielen. Zusätzlich erfordert dies eine Augmentation. Primäres Ziel ist es, den Verlust des Volumens mit Weichgewebe zu kompensieren. Die Vorraussetzung für alle Deckungen von Rezessionen um Implantate ist ein entzündungsfreier Zustand des periimplantären Gewebes.

Ein junger unzufriedener Patient stellt sich nach Vorbehandlung in Form einer Frontzahnimplantatversorgung vor. Ein zu weit nach bukkal und nicht tief genug positioniertes Implantat ist in diesem Fall die Ursache, durch die sich die Ausgangssituation entwickelt hat. Der Gewebevolumenverlust ist klinisch gut zu erkennen (Abb. 1). Dieses Ergebnis ist für den Patienten unakzeptabel und daher wünscht er sich eine Korrektur. Die Ausprägung der periimplantären Rezession ist mit einem Instrument gut dargestellt (Abb. 2). Zum Erzielen der gewünschten Ästhetik ist ein kombiniertes Therapiekonzept nötig. Dies besteht aus einer prothetischen und chirurgischen Komponente. Eine rein prothetische Lösung des Falls war nicht mehr möglich. Als erster Schritt wurde die alte Restauration entfernt. Da die Implantatschulter bereits sichtbar war, hätten eine Explantation und eine Neuinsertion erfolgen müssen, um die Fehlpositionierung des Implantats aufzuheben. In diesem Fall konnte die Implantatschulter vorsichtig beschliffen werden (Abb. 3). Somit war es möglich, das „Durchschimmern“ des Implantats durch die vestibuläre Deckung der Implantatschulter mit einem Zirkongerüst zu reduzieren (Abb. 4). Dieses wurde auf dem Implantat verklebt. Die rein prothetische Lösung hätte nicht ausgereicht, daher wurde zusätzlich ein subepitheliales Bindegewebstransplantat verwendet, um das Weichgewebe zu verdicken (Abb. 5). Die Qualität des Bindegewebes ist hierbei von entscheidender Bedeutung.

Sehr gute Entnahmestellen bietet hier der Tuberbereich, da dort wenig Fettgewebe aufzufinden ist. Das Transplantat wurde entnommen und konnte durch einen präparierten Tunnel eingebracht und mit Nähten fixiert werden. Durch diese minimalinvasive Technik wurde beim chirurgischen Eingriff das Gewebe geschont und kein zusätzliches Narbengewebe verursacht. Nach der Heilungsphase erfolgte die Versorgung des Implantats mit einem laborgefertigten Provisorium. acht Monate später konnte die definitive Restauration eingegliedert werden. In diesem Fall wurde die Ästhetik wieder hergestellt, ohne eine Explantation durchführen zu müssen. Die postoperativen Bilder nach einem Jahr und drei Monaten zeigen eine stabile Situation (Abb. 6). Der Patient ist mit dem erzielten Ergebnis sehr zufrieden.

Fazit

Bei ausgeprägten körperlichen Fehlpositionierungen in orofazialer und koronoapikaler Ebene lässt sich eine Explantation und Neuversorgung nicht vermeiden. Bei weniger ausgeprägten Fehlpositionierungen kann ein kombiniertes prothetisch-chirurgisches Therapiekonzept für Gewebedefizite um Implantate gewählt werden.

 Dr. Hans-Georg Kirchner
studierte Zahnmedizin an der Universität Würzburg und war von 2009 bis 2013 als Zahnarzt in der Sektion Parodontologie der LMU München tätig. Seit 2014 verstärkt er das Zahnärzteteam der Bolz-Wachtel Dental Clinic.
Kontakt: h.kirchner@bolz-wachtel.de


Paul Leonhard Schuh
studierte Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an der Universität Witten/Herdecke und befindet sich zurzeit in der Weiterbildung zum Spezialisten für Parodontologie in der Bolz-Wachtel Dental Clinic in München.
Kontakt: p.schuh@bolz-wachtel.de