Trendwende für die CAD/CAM-Technologie?

Verbundwerkstoffe versus Hybridkeramik

Verbundwerkstoffe lassen sich heute perfekt für die CAD/CAM-Technologie nutzen. Weder ein Kristallisationsbrand noch ein Sintern sind nötig. Die Vorteile des neuen Werkstoffs Katana Avencia beim Setzen von Inlays, Onlays, vollanatomischen Kronen und Veneers erklärt Prof. Dr. Ivo Krejci im Interview.


Verbundwerkstoff_Hybridkeramik

Verbundwerkstoffe eignen sich für zahn- und/oder implantatgetragene Restaurationen.| © Kuraray


Verbundwerkstoffe – keramikverstärkte Kompositblöcke – versus Hybridkeramik– was genau sind die Unterschiede?

Krejci: Beide Werkstoffe sind eine Kombination aus keramischen Komponenten und organischen Monomeren, die durch Wärme polymerisiert werden. Die entsprechenden Blöcke unterscheiden sich aber in ihrer Herstellungstechnik, ihrer Mikromorphologie sowie in den daraus resultierenden klinischen Eigenschaften.

  • Hybridkeramik wird aus einem relativ grobkörnig porösen, anorganisch-keramischen Gerüst hergestellt, das mit organischen Monomeren penetriert wird. Die Morphologie der Blöcke ist damit relativ inhomogen, was beispielsweise dazu führt, dass sich kein dauerhafter Oberflächenglanz erreichen lässt.
  • Bei den keramikverstärkten Kompositblöcken werden anorganisch-keramische Nanopartikel zuerst durch mechanische Kompression verdichtet und anschließend mit Monomeren penetriert. Die dadurch erzielte extrem feine Morphologie führt zu einer sehr guten Glanzbeständigkeit und sollte auch eine adäquate Verschleißfestigkeit bei gleichzeitig tiefer Antagonistenabrasion gewährleisten.
Der Chairside-Workflow mit Katana Avencia ist außerordentlich einfach und zeitsparend. <span class="su-quote-cite">Prof. Dr. Ivo Krejci</span>

Wann entscheiden Sie sich für welches Material?

Krejci: Verbundwerkstoffe sind für mich das Material der Wahl bei sämtlichen indirekten adhäsiven Einzelzahnrestaurationen im Front- und Seitenzahnbereich, das heißt bei Inlays, Onlays, Endokronen und auch bei Veneers. Bei Brückenkonstruktionen ist hingegen Blöcken aus verstärkter Keramik der Vorzug zu geben.

Verbundwerkstoffe per se sind nicht neu. Welche Verbesserungen gibt es bei Katana Avencia?

Krejci: Im Prinzip ist Katana Avencia ein Kompositblock, das heißt eine Mischung aus organischer Monomermatrix und anorganischen Füllstoffen. Innerhalb der klassischen Kompositklassifikation wäre er als ein extrem hoch gefülltes, homogenes Mikrofüllerkomposit einzustufen. Das ist der Traum eines jeden Kompositexperten, da er damit die Vorteile einer hochglanzbeständigen Oberfläche des klassischen Mikrofüllerkomposits mit den Vorteilen der hohen mechanischen Eigenschaften eines Hybridkomposits verbindet. Die Einzigartigkeit des Katana-Avencia-Blocks liegt dabei in der sehr hohen Packungsdichte der feinen Nanopartikel, die als Füllstoff dienen. Daneben besteht die organische Matrix aus Urethandimethacrylat (UDMA), womit kein Bisphenol-A-Glycidylmethacrylat (Bis-GMA) mehr zum Einsatz kommt.


Wie gestaltet sich der Chairside-Workflow mit dem neuen Material?

Krejci: Der Chairside-Workflow ist außerordentlich einfach und zeitsparend.

  • Nach dem Schleifen wird das Werkstück im Mund des Patienten einprobiert.
  • Nach erfolgreicher Einprobe werden die Innenflächen der Restauration mit Al2O3-Pulver abgestrahlt. Anschließend wird das Pulver von der Werkstückoberfläche mit dem Wasserspray abgespült.
  • Nach perfekter Trocknung mit komprimierter Luft wird die Restauration mit einem Einkomponenten-Universaladhäsivsystem benetzt und in eine lichtdichte Box gelegt, um die Vorpolymerisation des Adhäsivsystems zu verhindern.
  • Am Patienten wird Kofferdam gelegt, und nach der adhäsiven Vorbehandlung wird auf die Präparation das lichthärtende Komposit aufgebracht, das als Befestigungsmaterial dient.
  • Das bereits vorbehandelte Katana-Avencia-Werkstück wird aus der lichtdichten Box entnommen und das auf den Innenflächen befindliche Adhäsivsystem wird intensiv mit komprimierter Luft verblasen.
  • Anschließend wird das Werkstück auf die Präparation gebracht und mit dem Finger primär positioniert. Das herausquellende Befestigungskomposit wird mit einer Parodontalsonde quer zur Fugenrichtung entfernt.
  • Im nächsten Schritt wird die Restauration mittels Ultraschallansatz in die definitive Position gebracht und die dabei herausquellenden Befestigungskompositüberschüsse werden erneut mit der Parodontalsonde entfernt. Im Interdentalraum kommt Superfloss zum Einsatz.
  • Erst wenn sämtliche Befestigungskompositüberschüsse perfekt entfernt worden sind, fängt die Lichtpolymerisation mit einer ausreichend leistungsstarken LED-Lichtquelle an.
  • Die Politur erfolgt mit den üblichen Kompositpolierinstrumenten.

Noch ziehen viele Kollegen die Lithium-Disilikat-Glaskeramik den Verbundwerkstoffen bei der Einzelzahnversorgung vor. Rechnen Sie mit einer Trendwende?

Krejci: Ich kann mir vorstellen, dass sich das ändert, sobald die Vorteile der Verbundwerkstoffe breiter bekannt werden. Dazu zählen die einfachere adhäsive Vorbehandlung, die rasche und unkomplizierte Reparatur im Mund des Patienten, die hohe Glanzbeständigkeit sowie das extrem einfache Einschleifen.

Verbundwerkstoffe sind deutlich antagonistenfreundlicher als Keramik.<span class="su-quote-cite">Prof. Dr. Ivo Krejci</span>

Reduzieren Verbundwerkstoffe das Chippings- und Abrasionsproblem?

Krejci: Ja, ganz eindeutig. Die Verbundwerkstoffe sind weniger spröde und ermöglichen dadurch ein deutlich chipping-ärmeres Schleifen sowie geringere Schichtstärken als keramische Werkstoffe. Zudem sind Verbundwerkstoffe deutlich antagonistenfreundlicher als Keramik.

Wie sieht die Studienlage bei Katana Avencia aus? Haben Sie das Material selbst getestet?

Krejci: Obwohl Katana Avencia seit mehreren Jahren in Japan zum Verkauf angeboten wird, ist es erst seit einigen Monaten in der Schweiz erhältlich. Deshalb hatten wir bislang nur Gelegenheit, die Struktur des Materials im Rasterelektronenmikroskop zu untersuchen. Dabei haben sich die hohe Packungsdichte und die geringe Größe der Nanopartikel bestätigt. Anhand der bereits in der Literatur vorliegenden Daten sollte sich das Material in der Klinik bei adhäsiven permanenten Einzelzahnrestaurationen ähnlich wie ein Kompositblock verhalten – mit dem Vorteil der sehr guten Glanzbeständigkeit.


Der Experte

Foto: Privat

Prof. Dr. Ivo Krejci
Zahnmedizinstudium in Basel, seit 2014: Direktor des Departements für Präventivzahnmedizin und zahnmedizinische Grundversorgung der Universität Genf
Ivo.Krejci@unige.ch