CAD/CAM

Digitale Abformung: Mehr Präzision auch ohne Puder?

Vor rund 30 Jahren wurde der digitale Scan als Alternative zur konventionellen Abformung eingeführt. Noch immer nutzen wohl nur unter zehn Prozent der Zahnärzte diese Alternative. Aber eine Trendwende scheint in Sicht. Liegt es an der Vereinfachung der Kameras, an bezahlbaren Preisen oder aktuellen Studienergebnissen? Darüber sprach das DENTAL MAGAZIN mit Roddy MacLeod, Vice President CAD/CAM Systems bei Sirona.



Wie zuverlässig und wie präzise ist die digitale Abformung?

MacLeod: Zahlreiche Studien belegen, wie zuverlässig und präzise die digitale Abformung ist. Allein mit der Haltbarkeit von CEREC-Restaurationen beschäftigen sich 250 klinische Untersuchungen, die über einen Zeitraum von bis zu 18 Jahren verfolgt haben, ob Restaurationen insuffizient wurden. Das Ergebnis ist eindeutig: CEREC-Restaurationen sind genauso haltbar wie Goldguss. Auch die Präzision digitaler Abformungen war Gegenstand verschiedener Studien. Die Universität Graz fand heraus, dass konventionelle Elastomer-Abdrücke bei Kronen Abweichungen von 114 µm hervorrufen. Digital erzeugte Messaufnahmen der CEREC-Aufnahmeeinheit mit Bluecam wiesen dagegen nur Abweichungen von ca. 11 µm auf. In einer 2011 von Prof. Mehl veröffentlichten Studie wurden konventionelle und digitale Abformungen mit einem Referenzscan-Verfahren überprüft. Die konventionellen Abformungen wichen um 55 µm vom Mastermodell ab, bei der CEREC Bluecam waren es 49 µm. Darüber hinaus zeigte sich auch, dass die Abformungen mit der Bluecam weniger Varianz besaßen: Die Präzision lag bei 30,9 µm. Bei den konventionellen Abformungen waren es dagegen 61,3 µm. Das bedeutet: Bei korrekter Handhabung der CEREC-Kamera ist eine größere Präzision zu erzielen als bei der konventionellen Abdrucktechnik mit Elastomeren.

Wie ist das zu erklären?

MacLeod: Der ganze Prozess der konventionellen Abformung mit seiner Negativ-Positiv-Umwandlung besteht aus Arbeitsschritten, die fehleranfällig sind. Die dabei entstehenden Toleranzen addieren sich. Bereits beim Entnehmen des Abdrucks kann es zu plastischen Verformungen der Abformmasse kommen. Auch bei Lagerung und Transport können Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen zu Dimensionsverzügen und Schrumpfungen führen. Das gilt auch für die Gipsexpansion im Modell. Jeder eingesparte Prozessschritt erhöht die Genauigkeit. Dagegen erfolgen bei der digitalen Abformung alle Arbeitsschritte auf der Datengrundlage, die beim Intraoralscan im Mund des Patienten erhoben worden ist. Dazu kommt: Die digitale Abformung ist effizienter als die herkömmliche Technik, denn es geht einfach schneller. Diese Rückmeldung erhalten wir von vielen unserer Anwendern.



Ist das belegt?

MacLeod: In einer aktuellen Untersuchung der Istanbul Medipol University wird dieser Eindruck bestätigt. Die Befragung von Vergleichsgruppen zeigt, dass die digitale Abformung bevorzugt wird, weil sie mehr als doppelt so schnell geht wie die herkömmliche: Statt der zehn Minuten für den herkömmlichen Abdruck benötigten die Test-Anwender nur vier Minuten. Zudem bietet das digitale Verfahren einen höheren Patientenkomfort, denn der konventionelle Abdruck mittels Abformlöffel löst bei vielen Patienten Unwohlsein aus.

Immer mehr Hersteller „stürzen“ sich auf die digitale Abformung. Welcher Scanner macht in der ganz normalen Praxis wirklich Sinn?

MacLeod: Sirona hat drei Systeme im Sortiment. Sie bestehen aus Hard- und Software. Zur Abformung verwendet der Anwender entweder die Aufnahmeeinheit CEREC AC mit der Bluecam beziehungsweise der Omnicam oder APOLLO DI. Die Bluecam nimmt Einzelbilder auf und kann vorteilhaft für Einzelzahnversorgungen eingesetzt werden, Omnicam und APOLLO DI verwenden ein fließendes Aufnahmeverfahren und lassen sich deshalb bei größeren Restaurationen schneller und einfacher anwenden. Mithilfe der Software wird das bei der Abformung entstehende virtuelle Modell geprüft und für die Weiterbearbeitung vorbereitet. Der Zahnarzt schickt die Daten dann entweder via Sirona Connect ins zahntechnische Labor. Oder er stellt die Restauration gleich selbst her (CEREC AC mit Bluecam oder Omnicam) – vorausgesetzt, er verfügt über eine CEREC-Schleifeinheit. So kann er seine Patienten in einer Sitzung vollständig versorgen. Welches System für den niedergelassenen Zahnarzt am meisten Sinn macht, hängt davon ab, welches Praxiskonzept er verfolgt, wie er sich spezialisiert hat, welche Vorlieben er beim Behandeln hat und natürlich: wie hoch seine Investitionsbereitschaft ist.

Stichwort Konditionierung: Weder Patienten noch Zahnärzte mögen Puder. Welche Vorteile bieten beschichtungsfreie Scanner?

MacLeod: Beschichtet man die Zähne für die digitale Abformung, muss der Mundraum trocken gehalten werden. Dazu verwenden viele Zahnärzte Kofferdam. Außerdem unterbrechen sie bei großen Arealen den Scanvorgang, um erneut zu beschichten. Sirona bietet für die beschichtungsfreie Abformung die CEREC Omnicam an.

Zum Handling: Wie steil ist die Lernkurve?

MacLeod: Unsere Systeme sind intuitiv bedienbar. Nach der Einweisung durch den Händler und einer geringen Eingewöhnungszeit können Zahnarzt und Assistenz damit erfolgreich arbeiten.

Die DGCZ bietet zudem ein intensives Training an, das von erfahrenen Anwendern durchgeführt wird. Auch für Anwender, die von der CEREC Bluecam auf die Omnicam umgestiegen sind, bietet Sirona Hands-on-Trainings und Webinare an. Denn es gibt Unterschiede in der Anwendung, die eine Umgewöhnung erfordern.

In welchen Fällen stößt die digitale Abformung klar an ihre Grenzen?

MacLeod: Es gibt keine Grenzen für die Anwendung der digitalen Abformung. Aber es gibt natürlich Verbesserungspotenzial, das wir ständig im engen Austausch mit Anwendern und Erprobern nutzen, um unsere Systeme noch besser zu machen. Die Verbesserungen werden dann in Form von Service Packs, Software Updates oder Anwendungsratschlägen an die Nutzer weitergegeben. Sirona hat mit einigen CEREC Service Packs viele Verbesserungen in den letzten Monaten implementiert. In naher Zukunft ist ein weiteres CEREC SW Update geplant.

Wie steht es mit der Delegation? Gibt es dazu Zahlen?

MacLeod: Die digitale Abformung eignet sich zur Delegation, aber wir haben dazu keine Zahlen vorliegen. Wir wissen allerdings aus vielen Gesprächen, dass die Anwender aus zwei Gründen lieber selbst damit arbeiten. Erstens bietet die digitale Abformung einen nicht zu unterschätzenden Faktor in der Patientenkommunikation. Die Patienten schätzen es, mit Methoden behandelt zu werden, die State of the Art sind. Das erhöht die Bindung an die Praxis. Zum anderen besitzt die CAD/CAM-Technologie einen großen Spaßfaktor. Viele Anwender haben sich gerade CEREC zugelegt, um mit dem intuitiv bedienbaren Gerät zu arbeiten – es hat etwas von Computerspiel.


Roddy MacLeod
ist seit Juni 2013 Corporate Vice President CAD/CAM der Sirona Dental Systems GmbH, zuvor arbeitete er als Vice President CAD/CAM bei Sirona USA. Er konzentrierte sich bereits kurz nach seinem wirtschaftswissenschaftlichen Studium auf die digitale Zahnheilkunde, der Wechsel zu Sirona erfolgte 2003.
Kontakt: roddy.macleod@sirona.com