Prophylaxe

Facetten des modernen Biofilmmanagements

Die moderne Zahnmedizin setzt auf präventionsorientierte individuelle Konzepte für Jung und Alt. Welches Vorgehen wann indiziert ist und welche Schritte sich delegieren lassen, erklärt Prof. Dr. Nicole B. Arweiler im Interview. Im Fokus steht dabei nicht das bloße Säubern, sondern die komplette Analyse und Verbesserung der Mundhygienesituation.



Es gibt unterschiedliche Methoden zur professionellen Zahnreinigung, manuell und/oder maschinell mit Schall- oder Ultraschallgeräten und Pulver-Wasserstrahl-Geräten. In welchen Fällen empfehlen Sie welches Vorgehen?
Arweiler:
In Marburg bieten wir keine bloße professionelle Zahnreinigung, sondern individuelle Prophylaxesitzungen.

Das heißt konkret?
Arweiler:
Wir integrieren individuell angepasste Untersuchungen, statt nur zu „säubern“. Dazu gehört vor allem das Feststellen der Mundhygienesituation. Unser primäres Anliegen ist es dabei, eine gesunde parodontale Situation auch gesund zu erhalten. Sehr häufig liegen aber Gingivitis oder Parodontitis vor, sodass das Erkennen von Taschen mit erhöhten Sondierungstiefen, die gezielt subgingival instrumentiert oder chirurgisch behandelt werden müssen, ein wichtiger Bestandteil der „Prophylaxesitzung“ ist. Ebenso gehören dann die Beurteilung und die Aufklärung über das individuelle Risiko des Patienten für das Entstehen oder das Fortschreiten seiner Erkrankung dazu.

Bevorzugen Sie die manuelle oder die maschinelle Reinigung?
Arweiler: Für die subgingivale Anwendung haben beide Verfahren Vor- und Nachteile, sodass die Kombination aus beiden ideal ist.

Gelten Handinstrumente nicht als zu substanzabtragend?
Arweiler: Nein, Handinstrumente und maschinelle Reinigung sind für die subgingivale Anwendung, bei der wir auf „empfind‧lichem Dentin“ instrumentieren, in dem klinischen Effekt definitiv gleichwertig. Die maschinelle Reinigung ist auch nicht substanzschonender als die manuelle, das ist wissenschaftlich belegt. Da die maschinelle Reinigung auf der kleinen Instrumentenspitze viel Energie ausübt, ist es ganz wichtig, die Instrumente korrekt zu handhaben. Daher sollte auch bekannt sein, ob der Antrieb des Geräts piezoelektrisch oder magnetostriktiv ist. Während Ersteres eher mit Hubbewegungen arbeitet („wie ein Buntspecht“), machen die Instrumentenspitzen an magnetostriktiven Geräten ellipsenförmige Bewegungen. Bei beiden maschinellen Verfahren kann es bei falschem Anlegen der Instrumentenspitzen zu kleinen Ablösungen von Zahnhartsubstanz kommen. Diese Gefahr besteht so bei Handinstrumenten nicht, sie schaffen eine ebenere Oberfläche, sie können aber bei zu hohem Kraftaufwand und zu vielen Zügen insgesamt mehr Substanz entfernen.

Wie kommt es noch zu übermäßigem Substanzverlust? Kann eine mangelhafte Instrumentenpflege, zum Beispiel falsches Schärfen, dazu führen?
Arweiler: Eher nicht, stumpfe oder falsch geschärfte Handinstrumente minimieren eher den Substanzverlust, aber natürlich bleibt auch die gründliche Reinigung auf der Strecke, da sie nicht mehr so gut anliegen. Man „streichelt“ eher die Konkremente, als sie zu entfernen. Außerdem steigt mit falschem Schärfen die Bruchgefahr.

Man kann doch auch maschinell schärfen …
Arweiler: Maschinell klingt, als ob die Maschine alles selbst machte. Aber man muss die Instrumente ganz korrekt positionieren, sonst „verschleift“ einem auch die Maschine die Instrumente, statt sie zu schärfen. Die meisten Instrumentenhersteller raten zum manuellen Schärfen. Dies muss genauso wie das maschinelle Schärfen geübt werden. Eine regelmäßige Sichtkontrolle ist sehr wichtig, um den Mut zu haben, Instrumente, die „durch“ sind, auszusortieren und neu zu bestellen.

Gibt es eine Faustregel?
Arweiler: Nein, die Materialien lassen heute häufiges Schärfen zu und sind auch etwas widerstandsfähiger gegenüber Abnutzung geworden. Das müssen sie auch, die Instrumente sind in den meisten Praxen schließlich täglich im Einsatz.

Wie sieht es bei den Ultraschallspitzen aus? Nutzen sich die auch ab?
Arweiler: Ja, das ist sehr wichtig. Denn häufig werden solche Spitzen einmal angeschafft und über Jahre hinweg genutzt. Man sollte sie aber in regelmäßigen Abständen auf ihre Länge hin überprüfen. Die Hersteller bieten Vorlagen, Schattenrisse (siehe Abb. 5 und 6) der Originalinstrumente, an. Auf diese legt man die Schallaufsätze und kann dann den Grad der Abnutzung sehen. Bei einer Abweichung über einen gewissen Referenzbereich hinaus sollte der Aufsatz ersetzt werden.

Wird das in der Praxis auch umgesetzt?
Arweiler: Ich denke, dass es viele Praxismitarbeiter gibt, die solche Schattenrisse für ihre Instrumente gar nicht kennen und sowohl Handinstrumente als auch maschinelle Aufsätze ohne Kontrolle über Jahre benutzen. Die Hersteller registrieren da eine gewisse Vernachlässigung – entweder aufgrund von „Nichtwissen“ oder auch aus Sparsamkeit. Es sollte aber jedem bewusst sein, dass abgenutzte Aufsätze zum einen weniger effektiv sind, aber zum anderen – infolge Änderung der Schwingung – auch der Zahnhartsubstanz schaden können.

Wie schnell nutzen sie ab?
Arweiler: Das kommt auf die Intensität und Häufigkeit der Nutzung an. Die Hersteller können sicher individuell für ihr Instrument Faustregeln (Nutzungsstunden) geben. Wir schärfen unsere Handinstrumente regelmäßig und halten die Ultraschallaufsätze alle paar Monate an die „Schattenrisse“.

Welche Therapie führt zu dem geringsten Substanzverlust, auch auf Wurzel‧oberflächen? Was empfehlen Sie?
Arweiler: Wie bereits erwähnt ist die Kombination von Handinstrumenten und Ultraschall ideal. Zahnstein, Konkremente und starke Auflagerung lassen sich gut mit dem Ultraschallgerät entfernen. Das Handinstrument wird zur anschließenden Wurzelglättung eingesetzt.

Die Hauptkonkremententfernung erfolgt demnach per Ultraschall, der Feinschliff mit dem Handinstrument?
Arweiler: Korrekt. Kurz gesagt: Ultraschall bietet den Vorteil der vereinfachten Reinigung sowie einer guten Spülung, mit Handinstrumenten habe ich eine höhere Taktilität und kann Konkremente besser aufspüren. Wenn bereits mit Ultraschall vorgereinigt wurde, brauche ich nur noch wenige Züge mit dem Handinstrument, um eventuelle Rauigkeiten aufzuspüren, und kann es zur Glättung der Oberfläche nutzen. Abschließend lässt sich Ultraschall gut zum Spülen nutzen, aber ohne Druck auf den Zahn.

Sub- vs. supragingivale Reinigung

Was speziell muss bei der maschinellen subgingivalen Reinigung mit Luft-Pulver-Wasserstrahl-Geräten im Gegensatz zur supragingivalen Reinigung beachtet werden?
Arweiler: Bei den Luft-Pulver-Wasserstrahl-Geräten hat sich viel getan. Das Einsatzgebiet hat sich von dem bisher strikt supragingivalen in den subgingivalen Bereich erweitert. Die Geräte sind allerdings nicht für die Zahnstein- oder Konkremententfernung geeignet, sondern nur für weiche Beläge oder Verfärbungen. Da muss man schon noch vorher mit dem Handinstrument oder Ultraschall ran.

Aber im subgingivalen Bereich müssen es andere Pulver sein, oder?
Arweiler: Auf jeden Fall, sie müssen wasserlöslich sein und dürfen nur mit geringerem Druck in die Tasche appliziert werden. Denn zum einen muss sich das Pulver, das nicht herausgespült wird, rasch auflösen, und zum anderen darf die Luft nicht in zu tiefe Gewebe gepresst werden und dort das Gewebe aufblähen, was als Emphysem bezeichnet wird.

Wie darf ich das verstehen?
Arweiler: Eine Emphysembildung nach solch einer Reinigung ist extrem selten, ich habe dies in meiner Tätigkeit erst einmal gesehen. Patienten könnten am nächsten Tag mit einer „dicken Backe“ erscheinen, die auf Druck knistert. Das baut sich von allein wieder ab und je nach Situation kann ein Antibiotikum verschrieben werden, um eine Infektion der Gewebe zu vermeiden. Zu Vorbeugung eines solchen Ereignisses sollte man auf die Taschentiefe achten. Denn je tiefer die Tasche, umso höher das Risiko, Luft in tiefere Strukturen zu pressen.

Bis zu welcher Taschentiefe ist es mehr oder weniger risikolos?
Arweiler: Auf der sicheren Seite ist man bei subgingivaler Anwendung generell mit Geräten mit einer Spezialdüse, der sogenannten Nozzle, die das Pulver-Wasser-Gemisch nur seitlich und nicht in die Tiefe der Tasche ausbläst. Aber mittlerweile ist es – laut Studien – auch erlaubt, bis 5 mm Taschentiefe ohne diese Nozzle zu arbeiten. Das spezielle Pulver und der reduzierte Druck sind natürlich ein Muss.

Die Pulvervielfalt kann verwirren. Wie blickt man da durch?
Arweiler: Das ist oft unübersichtlich für den Anwender, aber man kann sich einfach merken: Für den subgingivalen Bereich darf kein Bicarbonatpulver verwendet werden, da es nicht wasserlöslich ist. Es hat eine recht hohe Korngröße, die sehr gut Verfärbungen entfernt, aber auch freiliegendes Dentin angreifen könnte. Wann Bicarbonatpulver im supragingivalen Bereich indiziert ist, muss aufgrund der Zahnsituation entschieden werden.

Also gemäß einer individuellen Inspek‧tion, individuellen Prophylaxe, wie in Ihrer Klinik eingeführt?
Arweiler: Korrekt. Geprüft werden muss, wie viel Dentin freiliegt und wie intakt der Schmelz ist. Nach diesen Kriterien wählt der Zahnarzt das richtige Pulver.

Schadet das Pulver dem Zahnschmelz?
Arweiler: Nein, dem Zahnschmelz prinzipiell nicht – wobei es natürlich verschiedene Anbieter von Bicarbonatpulvern gibt und man korrekterweise Studien‧ergebnisse nur auf das dort untersuchte Pulver beziehen kann. Wenn aber Dentin freiliegt und der Patient regelmäßig zur Reinigung kommt (bei uns bis zu viermal im Jahr), braucht es auf jeden Fall softere Pulver, zum Beispiel auf der Basis von Glycin (Aminosäure) oder – recht neu auf dem Markt – Erythritol (Aminoalkohol). Diese Pulver – eigentlich für die subgingivalen Wurzeloberflächen konzipiert – sind auch effektiv bei der Reinigung von leichten supragingivalen Belägen.

Hersteller scheinen die Zahl der unterschiedlichen Pulver wieder zu reduzieren, weil kein Anwender mehr durchsteigt …
Arweiler: Ja, aber für so kompliziert halte ich es gar nicht. Man kann Patienten grob in drei Kategorien einteilen:

Patienten mit Raucherbelägen oder anderen starken Verfärbungen. Da braucht es schon ein „kräftigeres“ Pulver. Denn wenn ich mit einem softeren „Universalpulver“ lange Zeit „draufhalten“ muss, um etwas zu entfernen, dann kostet das Zeit und könnte ebenfalls zu Schäden führen.

Liegt Dentin frei, muss man natürlich vorsichtig sein. Aber Patienten werden es auch nicht akzeptieren, wenn sie wieder mit „braunen“ Zähnen heimgeschickt werden, nur weil man ihr Dentin maximal schonen will.

Eine Politur sollte zur Glättung der Oberflächenstruktur immer erfolgen. Verschiedene Polierpasten enthalten Wirkstoffe zur „Versiegelung“ von schmerzempfindlichen Zähnen. Da kann im Politurschritt gleich auch dieser Gruppe geholfen werden.

Patienten, die regelmäßig kommen und/oder nur schwache Verfärbungen haben, können gut mit einem „Zwischenpulver“, oft „Softpulver“ genannt, behandelt werden. Damit bekommt man Verfärbungen weg, es ist nicht so hart wie Bicarbonatpulver. Dieses Softpulver schont das Dentin.

Patienten, die aufgrund aktiver Taschen eine subgingivale Instrumentierung benötigen, werden, wenn keine Konkremente vorhanden sind (dann wären Ultraschall oder Handinstrumente angesagt), mit Glycin- oder Erythritolpulver subgingival instrumentiert. Bei Taschen um Implantate ist die Instrumentierung mit Pulver-Wasserstrahl-Geräten und Glycin- oder Erythritolpulvern bei uns das Mittel der Wahl.

Die photodynamische Therapie

Last but not least gibt es auch die photodynamische Therapie. Auch in Marburg laufen die Forschungen zurzeit dazu auf Hochtouren …
Arweiler: Vor noch nicht allzu langer Zeit war eine Parodontitistherapie immer auch mit chirurgischen Maßnahmen verbunden. Diese haben zwar zur Reduktion oder Eliminierung von Taschen geführt, waren aber ästhetisch meist nicht zufriedenstellend. Wenn die zugrunde liegende Infek‧tion nicht gestoppt werden konnte, schritt die Erkrankung weiter fort. Heute werden im Rahmen der „antiinfektiösen Therapie“ zusätzlich chemisch-antibakterielle Hilfsmittel genutzt, die die mechanische Therapie unterstützen – auf keinen Fall ersetzen können.

Was heißt das konkret?
Arweiler: Es gibt Grenzen der mechanischen Wurzeloberflächenbearbeitung, wie zum Beispiel tiefe Taschen (mehr als 6 mm), breite intraossäre Defekte, Befall von Furkationen sowie Bakterien, die in das Taschenepithel eingewandert sind. Die mechanische Therapie sollte zwar die Grundlage sein, ist aber dort stark limitiert. Dann wenden wir gezielt antibakterielle Konzepte zur Vermeidung, aber auch zur Vorbereitung von chirurgischen Maßnahmen an. Bei der antibakteriellen photodynamischen Therapie oder Desinfektion (aPDT oder aPDD) entfaltet ein Farbstoff durch die Belichtung in der Tasche seine Wirkung.

Wann nutzen Sie das Verfahren in Marburg?
Arweiler: Bei besonders schweren Fällen in der Nachsorge, zum Beispiel, wenn Taschen auch bei sorgfältiger Reinigung noch tief und blutend bleiben. Neben der photodynamischen Therapie wenden wir in diesen Fällen aber auch lokale Antibiose an.

Was funktioniert besser, lokale Antibiose oder Photodynamik?
Arweiler: In unterschiedlichen Studien, die wir zusammen mit der Uniklinik Bern durchgeführt haben, konnten wir zeigen, dass die systemische Antibiose besser wirkt als die Photodynamik (in unserem Fall bei Patienten mit aggressiver Parodontitis), aber die lokale Antibiose (in unserem Fall bei initialer Periimplantitis) gleichwertige Ergebnisse wie die aPDT zeigt.

Dann ist die Photodynamik keine echte Antibiotika-Alternative?
Arweiler: Nur gegenüber der systemischen Antibiose und nur wenn man rein die Studienergebnisse betrachtet. Sie kann aber gegenüber systemischer Antibiose eine Alternative sein, wenn Patienten Antibiotika ablehnen oder wenn bereits eine Antibiose erfolgt war. Es spricht nichts gegen eine mehrmalige Wiederholung der aPDT. Auch angesichts der häufig nicht korrekt eingenommenen Antibiotika (schlechte Compliance der Patienten) und der möglichen Resistenzbildung kann eine photodynamische Therapie eine echte und wirksame Alternative sein – denn deutliche Verbesserungen hat in unseren Studien auch die aPDT gezeigt.

Kann die Photodynamik eine PA-Chirurgie ersetzen?
Arweiler: Tiefe Taschen (ab 6 mm) sollten chirurgisch, das heißt „unter Sicht“, behandelt und ggf. aktiv gekürzt werden. Häufig gibt es aber Grenzfälle, bei denen ein chirurgisches Vorgehen wegen medizinischer Kontraindikationen nicht möglich oder vom Patienten nicht gewollt ist. Auch wenn die Erfolge antibakterieller Maßnahmen zusätzlich zur mechanischen Therapie (SRP) laut Metaanalysen im Durchschnitt zwischen 0,5 und 1 mm liegen, kann genau diese Verbesserung den Ausschlag geben, dass eine Tasche doch nicht chirurgisch behandelt werden muss. Ein Versuch mit hochantibakteriellen, lokalen Maßnahmen wird von unseren Patienten in fast allen Fällen mitgetragen (Privatleistung), in den meisten Fällen sogar gewünscht. Eine weitere, sehr interessante Indikation stellen die aPDT und die lokale Antibiose dar, wenn sie nicht mit dem Ziel der „Umgehung von Chirurgie“, sondern als Vorbereitung vor der PA-Chirurgie angewandt werden und für möglichst entzündungsfreie Taschen sorgen. Gerade wenn nicht nur konventionell chirurgisch, sondern regenerativ – also mit relativ teuren Membranen, Knochenersatzmaterialien oder Wachstumsfaktoren – gearbeitet wird. Dazu sollten die Bedingungen optimal sein, wozu solche intensiven antibakteriellen „Vorbehandlungen“ beitragen.

Bei der PZR als supragingivaler Reinigung und der PA-Therapie mit subgingivaler Instrumentierung sind die Übergänge häufig fließend, was kann bzw. darf die Prophylaxeassistenz allein?
Arweiler: An eine ZFA, die nicht weitergebildet/qualifiziert ist, darf – laut Delegationsrahmen der Bundeszahnärztekammer – noch nicht einmal eine supragingivale Reinigung delegiert werden. Auch bei qualifiziertem Prophylaxepersonal muss der Zahnarzt natürlich die Leistung anordnen, überwachen und kontrollieren. Generell dürfen sie also, wenn der Zahnarzt delegiert hat, weiche und harte klinisch sichtbare Beläge entfernen. Kontrollieren und begleiten muss der Zahnarzt grundsätzlich alle delegierten Maßnahmen.

Aber die Beläge sind ja nicht immer sichtbar …
Arweiler: Richtig, der Übergang ist häufig fließend. Die subgingivale Therapie, die in der GOZ als „Parodontalchirurgische Therapie (insbesondere Entfernung subgingivaler Konkremente und Wurzelglättung) an ein- bzw. mehrwurzeligem Zahn, geschlossenes Vorgehen“ bezeichnet wird, könnte ebenfalls delegiert werden. Denn der Delegationsrahmen sagt, dass die Entfernung von „klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen“ zum zulässigen Rahmen von delegierbaren Hilfeleistungen gehört. Es heißt dort aber nur „je nach Qualifikationsstufe“.

Es bleibt also offen für welche dies genau gilt …
Arweiler: Für die DH gilt es dann meines Erachtens ganz sicher. Aber auch dann muss der Zahnarzt die Tätigkeit begleiten. Es sind derzeit keine Leistungen definiert, die völlig selbstständig durchgeführt werden könnten.

Deep Scaling zählt laut Abrechnung zu parodontalchirurgischen Maßnahmen, Abrechnungspositionen 4070 und 4075. Dennoch übernimmt das die DH …
Arweiler: „Deep Scaling“ ist wie gesagt delegierbar. Dafür wird die DH ja auch ausgebildet, denn wir brauchen dringend solch qualifiziertes Personal, um der hohen Prävalenz der Parodontitis und der notwendigen Nachsorge von Parodonti‧tis‧patienten (Unterstützende Parodontitistherapie = UPT), die mit hoher Frequenz und lebenslang durchgeführt werden muss, gerecht zu werden. In meiner Klinik haben sich infolge hoher Zahlen an Neuaufnahmen sowie eines stringenten Recall-Systems die Patientenzahlen vervielfacht, das ist bereits jetzt eine riesige Herausforderung, alle Patienten zu managen.

Wütenden Kommentaren von Patienten im Internet nach dem Motto: „100 Euro für PZR gezahlt, und der Zahnarzt war noch nicht mal an mir dran“ muss man aber entgegenhalten, dass solch eine Prophylaxesitzung durchaus an qualifiziertes Personal delegiert werden darf. Und seien wir doch ehrlich: Häufig wird die Prophylaxedame oder DH vom Patienten sehr positiv wahrgenommen.

Wie handhaben Sie das in Ihrer Klinik?
Arweiler: Die aktive Parodontitistherapie (Erstbehandlung) ist bei uns in der Hand von Ärzten und wird durch die DH lediglich in verschiedenen Phasen begleitet. Da in der Nachsorge immer wieder das Risiko erfasst und eine weitere Therapieplanung festgelegt werden muss, betreuen unsere Ärzte auch aktiv die Nachsorgetermine. Bei jedem zweiten Nachsorgetermin erfolgt eine ausführ‧liche Diagnostik durch den Zahnarzt.

Prof. Dr. Nicole B. Arweiler studierte Zahnmedizin an der Universität Homburg/Saar und ist seit 2010 Direktorin der Abteilung für Parodontologie in Marburg.