PraxisZahnmedizin

dent update: Das bieten die Veranstaltungen

Hervorragende Referenten „zum Anfassen“, das komplette Know-how eines Fachgebiets des letzten Jahres, komprimiert und praxisnah an nur einem Tag. Das ist dent update, die neue Fortbildungsreihe des Deutschen Ärzte-Verlags. Am 15. Februar fiel der Startschuss mit der Implantologie-Veranstaltung. Besonders spannend und vielen unbekannt: das Hygiene-Update für Abutments von Prof. Dr. Jürgen Becker.



Während für das Implantieren heute hohe hygienische Standards etabliert sind, wurden subgingival liegende Abutments oftmals nur wenig beachtet, obwohl für diese die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen gelten. Auch bei dem übrigen Zubehör wie zum Beispiel Abformpfosten und Bohrschablonen ist vieles für den Anwender schwierig, da zahlreiche Hersteller diese Produkte unsteril ausliefern und keine Angaben zur Art der Aufbereitung beifügen, obwohl dies nach dem Medizinprodukterecht notwendig ist. Der Referent, Prof. Dr. Jürgen Becker, Düsseldorf, formulierte die Verpflichtung zur Sterilisation in seinem Vortrag „Die zeitgemäße Planung von Implantationen und neueste Updates zum Thema Hygiene“ auch anhand einer klinischen Studie unmissverständlich deutlich.

Der Grund: Abutments sind Medizinprodukte und können als semikritisch oder kritisch eingestuft werden. Nicht alle Hersteller lieferten steril, sagte Becker. Auch in vielen Dentallaboren sei die RKI-konforme Reinigung und Sterilisation zurzeit noch kein Thema. „Besprechen Sie das mit Ihrem Zahntechniker“, mahnte er eindringlich unter Hinweis auf die KRINKO/BfArM-Empfehlung 2012, die nach der Novelle des Infektionsschutzgesetzes eine gesetzliche Vermutungswirkung hat. Da eine ungenügende Reinigung der Abutments und eine fehlende Sterilisation nach einer italienischen Studie Faktoren waren, die eine periimplantäre Entzündung und einen Knochenabbau begünstigt hatten, sollte diesem Thema in der Praxis Beachtung geschenkt werden.

Dass alle „Einbauteile“ gereinigt und keimfrei sein sollen, leuchtet ein, wirft aber auch etliche Fragen auf: Was kann sterilisiert werden? Und was verträgt ein Abutment mit einer Klebebasis? Wie steht es mit Bohrschablonen? Prof. Dr. Axel Zöllner wies in seinem Diskussionsbeitrag darauf hin, dass es heute bereits Hersteller gibt, deren Klebebasis sterilisierbar ist.

Auch die Bohrschablone sei dann als kritisches Medizinprodukt einzustufen, wenn die Bohrer durch sie geführt würden, betonte Becker. Aber es fehlen heute oftmals sterilisierbare Kunststoffe. Eine Lösung kann im Einzelfall sein, dass die Schablonen desinfiziert werden und dann nur als Positionierungshilfe ohne direkten Bohrerkontakt benutzt werden.

Für die anderen Aufbauten gilt: „Nach der Reinigung sollte die thermische Dampfdesinfektion oder Sterilisation angeschlossen werden, da bei der alleinigen manuellen Aufbereitung Chargen gebildet werden müssen.“

Das Thema der Abutmentreinigung und Sterilisation wird in der Implantologie vielfach nur wenig beachtet.

Computergestützte Navigation

Weiter ging es mit dem Thema „Computergestützte Naviga‧tion“. Man habe subjektiv das Gefühl, man arbeite sicherer, sagt Becker. Die Datenlage zeige die hohe Präzision dieser Technik, wobei die Grenzen der Genauigkeit in der Vertikalen und Horizontalen in der Literatur klar beschrieben sind.

Unter einer evidenzbasierten Bewertung bleibe der klinische Nutzen der dreidimensionalen Bildgebung für das implantologische Behandlungsergebnis ungeklärt, da derzeit keine randomisierten und kontrollierten Studien am Menschen verfügbar sind, die den Nutzen einer dreidimensionalen Diagnostik hinsichtlich der Qualität des Operationsergebnisses und/oder der Häufigkeit von Komplikationen in der Implantologie gegenüber dem konventionellen Vorgehen mit zweidimensionaler Bildgebung belegen. Kurz: Solange diese Daten nicht verfügbar sind, kann in vielen Situationen die Indikation zur dreidimensionalen Diagnostik anhand von Leit‧linien und wissenschaftlichen Konsensusbeschlüssen medizinisch gut begründet werden. Wer sich für die zweidimensionale Bildgebung entscheidet, begeht nach heutigem Kenntnisstand in dieser Hinsicht sicherlich keinen Behandlungsfehler. Eine derartige Klärung obliegt naturgemäß jedoch immer der Rechtsprechung, so dass die Literatur hier sorgfältig beobachtet werden sollte.

Samstag hören, Montag umsetzen

Dies war ein zentrales Anliegen der dent update-Veranstaltung, auf der die Teilnehmer über den aktuellen wissenschaftlichen Stand informiert werden sollten.

Der amtierende DGI-Präsident Dr. Gerhard Iglhaut lieferte detailliertes Know-how zur Weichgewebschirurgie. „Wunddehiszenz ist die häufigste postoperative Komplikation in der Implantatchirurgie“, erklärte der renommierte Praktiker. Perfekt im „dent update-Stil“ – „Samstag hören, Montag umsetzen – präsentierte er Tipps und Tricks für erfolgreiche Inzi‧sions- und Lappentechniken, die spannungsfreie Wundverschlüsse garantieren. Zunächst einmal komme es auf die Schnittführung an, sagte Iglhaut. In der Vergangenheit habe auch er angenommen, der vertikale Entlastungsschnitt müsse posterior liegen. „Doch genau das ist ungünstig.“ Denn das unterbreche die Versorgungsgefäße und damit die Nutri‧tion des Wundbereichs. Der anteriore Schnitt in der ästhetischen Zone sei korrekt, auch wenn man davor zunächst einmal zurückschrecke.

Nahtmaterial und Technik sind weitere Erfolgsgaranten für perfektes Weichgewebsmanagement. „Wir brauchen Materialien, die unseren Wundlappen fixieren, in Position bringen und in Position halten.“ Für die Fixationsnaht favorisiert er das PTFE. Es sei sehr glatt, trotz zweifachen Gegenknotens lasse sich der Lappen platzieren und mit zwei weiteren Knoten fixieren. Von entscheidender Bedeutung für den primären Verschluss sei auch die Revaskularisation. Sein Tipp: Zehn Minuten mit feuchtem Lappen auf die Wunde pressen.

Doch wie stellt man den Patienten ruhig? Die ersten zwei Wochen der Wundheilung gelten als besonders kritisch. Der Patient darf in dieser Zeit keinen Sport treiben, selbst die extreme Mimik kann anfangs zur Lappenablösung führen. „Und das müssen Sie Ihrem Patienten ganz deutlich sagen“, betont Iglhaut. Diese „Immobilisation des Wundbereichs“ stellt er durch eine Tape-Technik sicher. Der Patient trägt fünf Tage eine Art Pflaster. „Das hat enormen Erfolg!“

Weichgewebstransplantate

Stabiles Weichgewebe lässt sich durch Weichgewebstransplantate realisieren: Doch welches Transplantat ist wann indiziert? Iglhaut nimmt eine Einstufung vor:

  • Das älteste, das freie Schleimhauttransplantat, sei auch heute ein „unabdingbares Implantat, weil wir damit sicher eine breite befestigte Schleimhaut aufbauen können“.
  • Bindegewebstransplantate eignen sich besonders für den vorhersehbaren Aufbau von dicker Schleimhaut, die Knochenresorption minimieren kann, straffes Gewebe aufbaut und so den Langzeiterfolg sichert.
  • Bei periimplantären Gewebeverlusten in ästhetisch relevanten Bereich plädiert er für den Einsatz gestielter Bindegewebstransplantate vom Gaumen. „Da kann ich mehr Volumen erreichen, Papillen aufbauen und, etwa bei Periimplantitispatienten, Hart- und Weichgewebe in einem gewinnen.“
  • Regelmäßig setzt Igelhaut auch kombinierte Transplantate ein, um z. B. Alveolen minimalinvasiv nach Sofortimplantationen zu verschließen. Die Erfolgsquote ist mit 98 Prozent beachtlich.

Aus der Packung

Neben den limitierten autologen Weichgewebstransplantaten primär vom Gaumen stehen heute auch allogene und xenogene Weichgewebematrices zur Verfügung. Wie sicher können diese Materialien eingesetzt werden? Können wir gleichwertige Ergebnisse ähnlich autologen Transplantaten erwarten? Iglhaut sieht hier ein Riesenpotenzial: „Materialien aus der Packung sind ein Segen für den Patienten.“

Seine Prognose: „In den kommenden fünf Jahren werden Materialien zur Verfügung stehen, die eine wissenschaftliche Basis haben, die in breiter Anwendung zur Verdickung von Gewebe vor größerer Augmentation eingesetzt werden können.“

Implantatprothetik

Nach dem Weichgewebsmanagement stand mit Prof. Dr. Axel Zöllner, Witten, die Implantatprothetik im Fokus. Für die Versorgung des zahnlosen Oberkiefers werden die unterschiedlichsten Versorgungsarten beschrieben. Die bis Ende 2016 gültige S3-Leitlinie ergänzt die Konsensuskonferenz Implantologie zu diesem Thema und führt hierzu aus, dass nicht weniger als vier Implantate geplant und mit einer herausnehmbaren Restauration versorgt werden sollen. Stellt sich die Frage, ob das All-on-four-Konzept damit bestätigt ist? Nein, so Zöllner, noch fehlten wissenschaftliche, evidenzbasierte Daten dafür, er erwarte sie aber in Kürze. Auch auf das Thema Zementieren versus Verschrauben ging er ein und skizzierte die Vor- und Nachteile beider Varianten: Beim Zementieren ließen sich die Achsen besser ausgleichen, die Resultate seien funktionell ansprechender, doch die biologischen Komplikationen erhöht. Beim Verschrauben drohten dagegen technische Probleme. Sein Fazit: „Wir werden zu einer ausgewogenen Therapieentscheidung kommen und nicht mehr, wie in der Vergangenheit, zu 90 Prozent zementieren.“

Ferner stellte Zöllner mögliche Gründe für die mechanischen Komplikationsraten festsitzender Restaurationen auf Implantaten vor, die deutlich höher sind als auf natürlichen Zähnen, obwohl die aktive Perzeption zwischen einem natürlichen Antagonistenpaar (16 +/– 9 µm) und einer Implantatkrone und einem natürlichen Zahn (20 +/– 11 µm) sich kaum unterscheide. Als möglichen Grund nannte er die erschwerte funktionelle Präzision bei der Anfertigung von Suprakonstruktionen. Schon das Wiedereingliedern eines Abutments in dasselbe Implantat könne zu einem Rotationsversatz von bis zu 4,92 Grad und einem vertikalen Versatz von bis zu 83 µm führen. Auch die Zementierung gepresster Keramikversorgungen auf Zirkonabutments verursache eine durchschnittliche Bisserhöhung von 40 µm.

Komplikationsmanagement

Den sehr hohen Überlebensraten zahnärztlicher Implantate steht eine ansteigende Prävalenz periimplantärer Infektionen gegenüber. Wie man solche und weitere Komplikationen in der Implantologie in den Griff bekommt, zeigte DGI-Vizepräsident Prof. Dr. Frank Schwarz zum Abschluss der Veranstaltung. Biologische Komplikationen ließen sich unter Beachtung der ätiologischen Faktoren meist vermeiden oder durch eine frühzeitige Diagnostik und stadiengerechte Therapie in ihrer Progression kontrollieren, sagte Schwarz. Die Ursachenforschung selbst sei derzeit allerdings nur rudimentär.

Blutungen am Implantat treten in den ersten fünf bis zehn Jahren bei 80 Prozent der Patienten auf. Bleiben sie unbehandelt, entsteht daraus die klassische Form der Periimplantitis, der Knochenabbau. Der Behandler müsse sich darum frühzeitig kümmern, mahnte Schwarz.

Zurückzuführen sei die Periimplantitis auf bakterielle (Biofilm), systemische (Rauchen, Diabetes mellitus, IL 1) und lokale Faktoren (Lokalisiation, Planung, Implantatoberflächen). Das liege zum einen an den Patienten, die die klassische Mundhygiene am Implantat vernachlässigten, aber auch an den Behandlern im normalen Recallintervall (viermal pro Jahr). Ferner gebe es auch „hausgemachte“ Fehler wie Implantatfehlpositionierungen, die dem Biofilm die Möglichkeit geben, das Implantat zu erreichen.

Eine Sondierung am Implantat empfiehlt Schwarz grundsätzlich nur bei Infektionsverdacht und nicht am gesunden Implantat. Die klassische, nicht-chirurgische Periimplantitistherapie, chemische Verfahren, lokale Antibiosen und der Lasereinsatz haben laut Schwarz nur temporären Erfolg. Die chirurgische Intervention sei fast immer ein Muss. „Die Zahl der Reinfektionen spricht Bände.“ Viel verspricht sich Schwarz von einer weiteren Verbesserung des Weichgewebsmanagements. Das kann seiner Ansicht nach die Hygienefähigkeit der Implantate verbessern und damit zu einer effektiveren Periimplantitisprävention führen.

„Meet the Experts“

Schlüsselelement der dent update-Fortbildungen ist eine stärkere Interaktion zwischen Referenten und Auditorium: Jeder Referent steht nach seinem Vortrag für individuelle Fragen im „Meet the Experts“-Bereich bereit. Die Möglichkeit, Fragen aus ihrer eigenen Praxis mit den Referenten zu diskutieren, nutzten die Teilnehmer bei der Auftaktveranstaltung begeistert. Sie erhielten zudem hochwertige Hand-outs mit allen Vorträgen. Darüber hinaus wurden alle Vorträge gefilmt und stehen ab Ende März im Dental Online College (www.dental-online-college.com) online.

Als Industriepartner stellten zudem die Dentalfirmen BEGO Implant Systems, CAMLOG, MIS und Straumann auf dieser Fortbildung ihr aktuelles Produktportfolio vor und standen den zahlreichen interessierten Implantologen an den Firmenständen Rede und Antwort. Mit einer Verlosung endete die Veranstaltung am Samstagabend. Den Hauptpreis gewann Dr. Uwe Grabbert aus Frankfurt am Main: Er freute sich über ein iSy-Chirurgie Tray der Firma CAMLOG im Wert von 724 Euro.

dent update Zahnerhaltung und Ästhetik

Nach der Implantologie-Veranstaltung wird die Reihe am 29. März mit dem Thema „Zahnerhaltung und Ästhetik“ fortgeführt. Die Chairs Prof. Dr. Werner Geurtsen und Dr. Josef Diemer haben endodontische Therapiekonzepte, ästhetische Restaurationen im Front- und im Seitenzahnbereich und die Materialien Komposit und Keramik ins Programm genommen. Als Referenten firmieren neben Diemer Prof. Dr. Jürgen Manhart, ZA Horst Dieterich und Prof. Dr. Claus-Peter Ernst.

dent update Parodontologie

Prof. Dr. Anton Sculean leitet gemeinsam mit Prof. Dr. Michael P. Christgau die Parodontologieveranstaltung am 17. Mai. Sculean und die Referenten Prof. Dr. Andrea Mombelli und Dr. Ralf Rößler zeigen den State of the Art der chirurgischen und nichtchirurgischen Paro-Therapie. Dabei werden Erkenntnisse der regenerativen Therapie (Christgau) ebenso dargestellt wie die Anwendung systemischer und lokaler Antibiotika (Mombelli).

Anmeldung

Die Kosten für eine der dent update Fortbildungen betragen 395 Euro. Bis jeweils vier Wochen vor Veranstaltungsbeginn gibt es einen Frühbucherrabatt von zehn Prozent. Alle Updates finden jeweils von 9 bis 17:30 Uhr im Fleming’s Conference Hotel Frankfurt, Elbinger Straße 1–3, statt. Weitere Informationen auch zur Anmeldung gibt es per E-Mail info@becht-management.de, Tel.: 06359 3087–87 oder auf www.dentupdate.de

Medizinprodukte

Nach der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu den „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ sind

  • semikritische Medizinprodukte Medizinprodukte, die mit Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut in Berührung kommen,
  • kritische Medizinprodukte Medizinprodukte, die bestimmungsgemäß die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut bzw. an inneren Geweben oder Organen zur Anwendung kommen einschließlich Wunden.

Ursachen von Wundheilungsstörungen

Nahtdehiszenz hat als frühe postoperative Komplikation mehrere Risikofaktoren

  • Die häufigsten Komplikationen sind iatrogen
  • Weiterer bedeutender Faktor für Wundheilungsstörungen ist ignorantes postoperatives Patientenverhalten