IQWiG-Vorbericht - was passiert nun?

Aufruhr in der Paro

Zahlreiche kritische Stimmen wurden laut, als im Januar der IQWiG-Vorbericht veröffentlicht wurde. Wie kam es zur Bewertung, und hat sie Folgen für den Praxisalltag und die Abrechnung von Leistungen im Bereich der Parotherapie?


© IQWiG


Anfang des Jahres brachte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einen Vorbericht zum Stand der Therapie von Parodontalerkrankungen heraus. „Unfassbar“, ein „Bärendienst“: Der Vorbericht sorgte für Aufruhr im Fach. Standesorganisationen wie die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e. V. (DG PARO) kritisierten die Ergebnisse des Berichts scharf. Der Vorbericht spricht einer Vielzahl an Parotherapieoptionen den Nutzen ab, weil er aufgrund scharfer Einschlusskriterien viele relevante Studien aus seiner Bewertung herauslässt.

Im Kern spricht der Vorbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen lediglich zwei Behandlungsmethoden der modernen Parotherapie einen „Anhaltspunkt“ für deren Nutzen zu, und zwar bei der geschlossenen mechanischen Therapie und beim individuell angepassten Mundhygieneschulungsprogramm. Für den Einsatz von Laser, die photodynamische Therapie, jegliche chirurgischen Maßnahmen, die Nutzung von Antibiotika und auch für die strukturierte Nachsorge innerhalb einer unterstützenden Parodontitistherapie (UPT) konnte das Institut keinen höheren Nutzen oder Schaden feststellen.

Rigide Methoden

Doch warum kam das Institut zu diesen Ergebnissen? „Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ist sehr rigide in seinen Methoden“, so Prof. Dr. Christof Dörfer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie. „Es legt sehr strenge Kriterien an. Diese sind sogar strenger als in der Wissenschaft, die in systematischen Reviews angelegt werden.“ So fordere das Institut zum Beispiel zwingend eine doppelte Verblindung beim Studiendesign. Darüber hinaus erwarte es auch eine sehr differenzierte Darstellung der Ergebnisse, die für die Zahnmedizin sehr unüblich ist. Dörfer: „Also sagt dieses Institut, wir können den Nutzen nicht nachweisen und wendet Kriterien an, die für das Fach und auch die Evidenzdiskussion im Lande eigentlich nicht adäquat sind.“ Diese sehr strengen Kriterien führten dazu, dass sehr viele Studien zur Beurteilung des Nutzens schlicht keine Beachtung in der Beurteilung fanden.

So kam es zu einer ernüchternden Bewertung, die gerade Parodontologen hart traf. Denn: „Die Parodontolgie ist vielleicht sogar der Bereich in der Zahnmedizin, der am besten wissenschaftlich abgesichert ist“, so Dörfer. „Die Konzepte sind auf europäischer und teilweise auf weltweiter Ebene konsentiert auf dem Niveau von systematischen Übersichtsarbeiten. Das heißt, wir haben für die Zahnmedizin ein extrem hohes Maß an Evidenz, die die Wirksamkeit dieser Verfahren belegt.“ Prof. Dr. Dietmar Oestereich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, macht aber auch klar, dass der Vorbericht auch positive Effekte auf die Paroforschung haben könnte. „Der Bericht ist natürlich auch ein gewisser ‚Weckruf‘.“ Er appelliere an die Forschung, die Studiendesigns sehr viel stärker an der RCT-Norm auszurichten. „Die evidenzbasierte Medizin sollte heutzutage keinesfalls wegdiskutiert werden, sondern die zentrale Grundlage bleiben. Aber sie muss immer wieder re-individualisiert werden, sie muss in den Praxisalltag gebracht werden und sie muss vor allem vor Ort dann wirken.“

Der vorliegende Bericht des IQWiG ist zunächst einmal ein vorläufiger. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird den endgültigen Bericht zur „Systematischen Behandlung von Parodontopathien“ Ende 2017 erhalten. „Der aktuelle Zeitplan, der vorsieht, dass der Abschlussbericht im 4. Quartal 2017 erscheint, wird definitiv gehalten“, sagt Dr. Fülöp Scheibler vom IQWiG. Präzisere Angaben zum Publikationszeitpunkt könne das Insitut erst Mitte September machen.

Mehr Kassenleistungen

Seit einiger Zeit setzen sich Parodontologen, Standespolitiker und Fachgesellschaften dafür ein, dass mehr Leistungen innerhalb der Parotherapie von den Kassen übernommen werden. Derzeit wird die eigentliche systematische Parodontitistherapie, je nach Tiefe der Zahnfleischtaschen im offenen (chirurgischen) Verfahren oder im geschlossenen (nichtchirurgischen) Verfahren sowie Teile der Vorbehandlung von den Kassen bezahlt. Andere Verfahren sind bislang noch nicht in den Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen (BEMA) aufgenommen worden und auch die langfristige Nachsorge einer Therapie wird bislang noch als GOZ-Leistung eingestuft.

Ob der Bericht nun positiven oder gar negativen Einfluss darauf hat, dass mehr Leistungen in den Katalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden, bleibt fraglich. DG-Paro-Präsident Dörfer zeigt sich jedoch relativ zuversichtlich, was die Auswirkungen angeht, die der Bericht nach sich ziehen könnte: „Ich gehe davon aus, dass er ohne Schaden für die Zahnärzteschaft abgewendet werden kann.“