Praxis-EDV

Apple für die Praxis: Ein Biss in den sauren Apfel?

Die Zahlen der Apple-Nutzer steigen weltweit an. Auch immer mehr Zahnärzte möchten im Beruf nur ungern auf einen Mac verzichten. Doch ist der Wechsel von Windows problemlos möglich? Und mit welchen Einschränkungen ist dabei zu rechnen?



Der Griff zum Smartphone ist bei vielen Menschen schon zum Reflex geworden. Immer häufiger werden dann die Geräte mit dem kleinen angebissenen Apfel auf der Rückseite aus der Tasche gekramt. Im vergangenen Geschäftsjahr verkaufte Apple so viele iPhones wie noch nie: 230 Millionen Apple-Smartphones gingen weltweit über den Ladentisch. Auch in anderen Produktsegmenten kann das Unternehmen seit einigen Jahren steigende Absatzzahlen verbuchen: Produkte wie iPad, iMac und MacBook finden reißenden Absatz. Und wer im Alltag iPhone, MacBook und Co. benutzt, möchte auch im Berufsleben ungern darauf verzichten.

Das gilt auch für Zahnärzte. „Ich habe den Eindruck, dass die Nachfrage nach Apple-Produkten für Praxen massiv gestiegen ist. Allein bei uns haben sich die Aufträge in diesem Bereich in den letzten drei Jahren jährlich etwa vervierfacht“, erzählt Marco Peters von Solutionbar, einem IT-Dienstleister aus München, der auch Arztpraxen betreut. Holger Münch, Geschäftsführer von CompuTech, einem IT-Unternehmen, dessen Kundenstamm zu 80 Prozent aus Zahnarztpraxen besteht, kann das nur bestätigen: „Wir haben rund doppelt so viele Anfragen wie noch vor zwei, drei Jahren.“

Den Umgang mit Windows verlernt

Dr. Art Timmermeister ist seit dem ersten Semester seines Zahnmedizinstudiums ein begeisterter Apple-Nutzer. „Zu Beginn des Studiums kaufte ich mir meinen ersten Mac. Schnell vergaß ich daher meine Kenntnisse im Umgang mit Windows-Betriebssystemen“, erzählt Timmermeister. Das sollte ihn beim Eintritt in die Praxis vor Probleme stellen: Selbst kleine Einstellungen wie das Einrichten eines Druckers oder die Einbindung in ein Netzwerk konnte er nur schwer an den Praxisrechnern vornehmen; zu wenig routiniert ist sein Umgang mit Windows und zu einfach seien solche Einstellungen bei den Apple-Produkten.
2010 wurde Timmermeister mit der Aktualisierung des Praxis-Systems konfrontiert, da die Kapazität des Servers nicht mehr ausreichte. Seine Idee: In diesem Zuge auch das Betriebssystem zu wechseln, um mit der ihm vertrauten Anwendung die Verwaltung der Praxis begleiten zu können.

Wechseln – aber wie?

Die Umstellung auf die Hardware aus dem kalifornischen Cupertino ist auf verschiedene Arten möglich: „Zum einen gibt es Software wie Charly Solutio, mit der man problemlos von Windows auf das Apple-Betriebssystem OS X und auch zurück wechseln kann, da diese für beide Systeme konzipiert wurde“, so Peters. Spezielle Lösungen für Apple sind im dentalen IT-Sektor aber sehr selten; von den auf Seiten der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) gelisteten Herstellern für Praxissoftware bieten nicht einmal zehn Prozent (Teil-)Lösungen für OS X an. Dabei handelt es sich meistens zudem „nur“ um Praxisverwaltungssysteme.

Das stellt besonders dann ein Problem dar, wenn in den nächsten Jahren eine umfassende Digitalisierung der Praxis geplant ist. „Wenn eine Volldigitalisierung der Praxis angestrebt wird, rate ich immer von Apple ab“, sagt Münch. „Zwar gibt es einige wenige Lösungen für OS X, ein Beispiel wäre die Röntgensoftware Planmeca Romexis. Wenn man den Prozess der Praxisdigitalisierung aber weiter vornehmen möchte, der Zahnarzt zusätzlich beispielsweise digitale Kameras einsetzen will, kann keine Lösung für den Mac das leisten. Man muss also unweigerlich auf Windows-Software zurückgreifen.“ Deswegen würde er eine komplette Praxisausstattung mit OS X nur dann empfehlen, wenn eine weitere Digitalisierung der Praxis nicht nötig oder nicht vom Kunden erwünscht ist. Timmermeister gibt zusätzlich zu bedenken, dass das schmale Sortiment an Softwarelösungen für Macs auch eine Einschränkung in der Auswahl der Praxisgeräte mit sich bringt.

Aussen Mac, innen Windows

„Es besteht aber auch die Möglichkeit, das Windows-Betriebssystem in die Apple-Hardware zu integrieren. Die Geräte sind äußerlich gesehen Apple-Produkte, laufen aber mit dem Windows-Betriebssystem und entsprechendem Interface“, so Peters. Diese Lösung biete sich vor allem für Kunden an, die die Optik von iMacs und Co. zwar sehr ansprechend finden, aber auch gut mit Win‧dows zurechtkommen. Wem es auch primär um die ansprechende Optik der iMacs geht, der könne auch auf Hersteller wie Hewlett-Packard, Lenovo oder auch ASUS zurückgreifen. Münch findet: „Diese Hersteller bieten mittlerweile All-in-one-Lösungen an, die über ein ähnlich hochwertiges, modernes Design verfügen.“

Wo liegen die Vorteile beim Mac?

Doch wenn die Umstellung mit derart viel Aufwand verbunden ist – warum entscheiden sich Zahnärzte zu diesem Schritt? Neben ästhetischen Gesichtspunkten nennen Apple-Befürworter vor allem die Unempfindlichkeit von OS X gegenüber Viren und die Stabilität, mit der die Systeme laufen.

Diese Vorteile der Macs könnten jedoch ihrer zunehmenden Popularität zum Opfer fallen: Vor einigen Jahren waren sie so wenig verbreitet, dass Hacker sich für sie als Verteilungsmedium für Viren schlichtweg nicht interessierten. Das könnte sich mit der steigenden Zahl der Nutzern und Geräte ändern. Zusätzlich tendieren auch die Ausfälle in einem Windows-System gegen null, sofern es fachgerecht installiert und betreut wird.
Ergänzend stellt Timmermeister einen entscheidenden Faktor heraus, der wahrscheinlich auch viele andere Anwender zum Kauf bewegt: „Bei mir kommen beim Kauf auch emotionale Aspekte hinzu: Beide Systeme haben ihre Fehler, aber leichter verzeihen kann ich sie den Apple-Produkten.“

Der lange Weg zu Apple

Timmermeister blickt mit gemischten Gefühlen auf die Umstellung zurück. „Der Wechsel war mit einigen Umwegen verbunden, und im Verlauf hat sich auch das Ziel verändert.“ Der Wunsch, komplett auf das Windows-Betriebssystem zu verzichten, wurde der Kompatibilität der Systeme und der Herstellerunabhängigkeit untergeordnet. So schlügen heute zwei Herzen in den Macs in der Praxis: als primäres Betriebssystem OS X und über die Virtualisierungssoftware Parallels Desktop, eine Software zum Ausführen von Windows-Programmen auf dem Mac, auch Windows.

„Heute bin ich mit dem Ergebnis zufrieden“, sagt Timmermeister. „Der Weg dahin war allerdings mühsam.“ Er würde sich trotz aller Probleme immer wieder für einen Wechsel entscheiden – zumindest bei der Hardware. Bei der Software, sagt Timmermeister, würde er aus heutiger Sicht direkt in den „Dualbetrieb“ wechseln, da er für die digitale Planung von Behandlungsfällen in der Zukunft deutlich mehr Software brauchen wird. Durch das Apple-Betriebssystem fühlt er sich dabei eingeschränkt.

Das „Problem“ ist das Betriebssystem

Beim Wechsel zu Apple sollte also Folgendes bedacht werden: Will der Zahnarzt nur die Apple-Optik, hat er kaum mit Widerständen zu rechnen; relativ einfach lässt sich von Experten Windows auf der Apple-Hardware installieren. Sobald aber das Apple-Betriebssystem erwünscht ist, muss der Zahnarzt auf Behelfslösungen wie etwa mit Parallels Desktop zurückgreifen, mit dem Windows-Software im Rahmen des Apple-Betriebssystems läuft. Dies bleibt vor allem dann unerlässlich, wenn zukünftig eine Volldigitalisierung aller Praxisabläufe erwünscht ist. Peters von Solutionbar ist sich aber sicher: „Aufgrund der steigenden Nachfrage wird es in Zukunft auch mehr Softwarelösungen für Apple geben.“

Timmermeister empfiehlt abschließend seinen Kollegen: „Jedem, der sich mit dem Gedanken trägt, eine Veränderung vorzunehmen, kann ich nur raten, sich vorher ausreichend mit den ,Naturgesetzen der dentalen EDV-Landschaft‘ auseinanderzusetzen.“