Recht/Haftung

Urteil bestätigt doppelte Teilzulassungen

Ein aktuelles Urteil bestätigt die Möglichkeit der doppelten Teilzulassung – auch KZV-bezirksübergreifend. Das Resultat sind flexible Kooperations- oder Anstellungsmöglichkeiten.


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Durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) wurde Vertrags(zahn)ärzten die Möglichkeit eingeräumt, ihren Versorgungsauftrag auf die Hälfte zu reduzieren (§ 19a Abs. 2 Zahnärzte-ZV). Für die nach Reduzierung des Versorgungsauftrags verbleibende Teilzulassung gelten – allerdings bezogen auf einen halben Versorgungsauftrag – grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten wie für die Vollzulassung. Der teilzugelassene Vertragszahnarzt ist daher verpflichtet, an der Versorgung von GKV-Patienten teilzunehmen, er kann Kooperationen eingehen und Zahnärzte anstellen. Umstritten war bisher aber, ob ein Vertragszahnarzt über zwei Teilzulassungen verfügen und sich so neue Spielarten der Niederlassung und Kooperation eröffnen kann. Eine klare gesetzliche Regelung fehlt. Jüngst wurde nun vom Sächsischen Landessozialgericht entschieden (Sächs. LSG, Urteil v. 02.10.2013, L 8 KA 48/11), dass Zahnärzte auch mit zwei Teilzulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag als Vertragszahnarzt tätig sein können.

In dem Fall, über den das Sächsische LSG im vergangenen Oktober zu entscheiden hatte, ließ ein Zahnarzt seinen ursprünglichen vollen Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränken. Zugleich ließ er sich eine weitere Teilzulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag für einen weiteren Vertragsarztsitz an einem anderen Ort erteilen. Die beiden Teilzulassungen befanden sich in unterschiedlichen KZV-Bezirken.
Die KZV des Bezirks, in dem sich die erste Teilzulassung befindet, erhob gegen den Bescheid der zweiten Teilzulassung Widerspruch. Diesen begründete die KZV mit der Ansicht, sie halte zwei Teilzulassungen rechtlich für nicht zulässig. Insbesondere unterlaufe die zweite Teilzulassung die Regelungen zur Zweigpraxis, es bestehe zudem die Gefahr, dass die Tätigkeiten an beiden Vertragsarztsitzen vermischt würden, und man verstoße gegen die Residenzpflicht.

Grundrechtlich verankerten Berufsfreiheit,

In der ersten Instanz urteilte das Sozialgericht (SG) Dresden (SG Dresden, Urteil v. 14.09.2011, S 11 KA 201/09) bereits, dass die Erteilung von zwei Teilzulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag zulässig ist, und teilte somit die Bedenken der KZV nicht. Das Sächsische LSG hielt in zweiter Instanz die Erteilung von zwei Teilzulassungen ebenfalls für zulässig und wies die Berufung der KZV gegen das Urteil des SG Dresden zurück. Entsprechend dem Urteil des Sächsischen LSG ist eine – auch KZV-bezirksübergreifende – Erteilung von zwei Teilzulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungauftrag rechtmäßig.
In seiner Urteilsbegründung stellt das Gericht zunächst fest, dass es in den einschlägigen Gesetzen zwar keine ausdrückliche Rechtsgrundlage gebe, die zwei Teilzulassungen erlaube. Allerdings ergebe sich, so das Gericht, aus der grundrechtlich verankerten Berufsfreiheit, dass dem Vertragszahnarzt eine zweite Teilzulassung nicht einfach so verwehrt werden könne. Außerdem argumentiert das Gericht mit den Materialien zum VÄndG und der Begründung zur Streichung des § 4 Absatz 1 Satz 3 Zahnärzte-ZV. Demnach habe der Gesetzgeber gerade gewollt, dass ein Vertrags(zahn)arzt in verschiedenen Bezirken Teilzulassungen erhalten könne und auch in zwei (Zahn-)Arztregister eingetragen werden dürfe.

Unterversorgungssituationen bewältigen

Im Hinblick auf die Zulässigkeit von Teilzulassungen stellte das Gericht fest, dass diese nicht nur der Flexibilisierung von Beruf und Familie dienen, sondern auch Unterversorgungssituationen bewältigen sollen. Gerade im Hinblick auf Unterversorgungssituationen sei die Zulässigkeit einer zweiten Teilzulassung sinnvoll.
Auch teilte das Gericht die Bedenken der KZV nicht, der Versorgungsauftrag könne nicht an beiden Orten der Teilzulassungen gewährt werden und es komme zu einer Vermischung der Tätigkeiten. Der Vertragszahnarzt müsse, so das Gericht, bei jeder der beiden Teilzulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag an jedem Vertragsarztsitz die Hälfte der üblichen Arbeitszeit vertragsärztlich tätig sein. Wenn der Vertragszahnarzt also an jedem der beiden Orte der Teilzulassungen mit der Hälfte der üblichen Arbeitszeit arbeitet, wird er dem jeweils hälftigen Versorgungsauftrag der beiden Teilzulassungen gerecht.
Insbesondere könne auch die Situation, dass die Abrechnung mit zwei unterschiedlichen KZVen erfolge und diese möglicherweise schwieriger sei, nicht dazu führen, dass eine zweite Teilzulassung versagt werde, weil die KZVen eine Vermischung der Tätigkeiten fürchten, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Dies bedeutet, dass auch die KZV-bezirksübergreifenden Teilzulassungen zulässig sind, auch wenn dann die Abrechnung über zwei verschiedene KZVen erfolgt.
Schließlich stellte das Gericht noch fest, dass mit Abschaffung der Residenzpflicht auch keine Bedenken gegen zwei Teilzulassungen bestehen, weil etwa an einem Ort die Residenzpflicht nicht eingehalten werden kann.

KZV-bezirksübergreifende Tätigkeit

Das Urteil des Sächsichen LSG ist zu begrüßen. Dem Urteil ist zu entnehmen, dass ein Vertragszahnarzt mit zwei Teilzulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag auch KZV-bezirksübergreifend tätig werden kann. Diese Möglichkeit von zwei Teilzulassungen war vom Gesetzgeber gerade gewollt, wie sich aus den Materialien zum VÄndG ergibt.  Für Vertragszahnärzte bedeutet dieses Urteil, dass sie, wenn sie an zwei Orten tätig sein wollen, zwei Teilzulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag erteilen lassen können. Auch besteht die Möglichkeit, einen bereits bestehenden Versorgungsauftrag auf eine Teilzulassung beschränken zu lassen und sich eine zweite Teilzulassung an einem weiteren Ort erteilen zu lassen. An beiden Orten muss der Vertragszahnarzt dann mit der Teilzulassung einen halben Versorgungsauftrag erfüllen. Die beiden Teilzulassungen sind auch KZV-bezirksübergreifend möglich. In diesem Fall erfolgt eine Eintragung in beide Zahnarztregister.

Flexible Kooperations- oder Anstellungsmöglichkeiten

Dem Vertragszahnarzt eröffnet dies flexible Kooperations- oder Anstellungsmöglichkeiten bezogen auf jede Teilzulassung. Der Vertragszahnarzt kann also an beiden Praxisstandorten Zahnärzte anstellen oder über die beiden Teilzulassungen Mitglied zweier Berufsausübungsgemeinschaften sein, da die gesetzlichen Regelungen eine Mitgliedschaft in mehreren Berufsausübungsgemeinschaften nicht ausschließen.
Weitere Möglichkeiten für Vertragszahnärzte, an mehr als einem Ort tätig zu sein, bestehen durch die Gründung einer Zweigpraxis, durch die Teilnahme an einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft oder über ausgelagerte Praxisräume. Die Voraussetzungen und Möglichkeiten der verschiedenen Ansätze sind unterschiedlich, so dass in jedem Fall die Sinnhaftigkeit des Modells und das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen geprüft werden müssen. Wichtig ist, dass dies erfolgt, bevor der Zahnarzt bezogen auf den weiteren Ort seiner Tätigkeit Verbindlichkeiten eingeht oder Investitionen tätigt.
Natürlich muss noch der Hinweis erfolgen, dass den Zahnarzt für den Standort der Teilzulassung – ähnlich wie für den Standort einer etwaigen Zweigpraxis – eine Notfalldienstverpflichtung trifft.
Abschließende Klärung der Rechtsfrage um die Teilzulassung wird die Revision beim Bundessozialgericht (AZ B6KA 11/14 R) bringen.

RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln. Tätigkeitsschwerpunkte: Zahnarztrecht, insbesondere im Zusammenhang mit Praxisgründungen, -abgaben oder -übernahmen sowie der Gründung oder Umstrukturierung von Kooperationen.
Kontakt: jens-peter.jahn@medizin-recht.com