Recht/Haftung

Behandlungskosten: Gewinnbringende Aufklärungspflicht

Die wirtschaftliche Aufklärungspflicht ist für viele Behandler nicht mehr als eine Pflichtaufgabe. Dabei kann sie sogar zu einer Gewinnsteigerung führen – durch die Stärkung des Arzt-Patienten-Verhältnisses. Vor allem gegenüber den Kostenerstattern.



Die wirtschaftliche Aufklärungspflicht wird häufig als lästig betrachtet. Vielen ist es unangenehm, über Geld zu sprechen, noch unangenehmer ist es einigen, wenn sie dem Patienten erklären sollen, dass die Kosten der Behandlung gegebenenfalls nicht vollständig von seinem Versicherer übernommen werden könnten. Genau das muss dem Patienten aber gesagt werden und das kann – und damit mag man vielleicht gar nicht rechnen – zu einer Gewinnsteigerung führen. Wieso?

Wodurch kann die an sich für den Patienten unerfreuliche Aussage, der Kostenträger werde möglicherweise nicht alle anfallenden Kosten übernehmen, einen positiven Effekt haben? Die Antwort ist sehr einfach: Durch die Stärkung des Arzt-Patienten-Verhältnisses. Aber der Reihe nach.

Wozu ist der Zahnarzt im Rahmen der wirtschaftlichen Aufklärung verpflichtet?

Oftmals unbekannt, aber nun durch das neue Patientenrechtegesetz rechtlich bekräftigt ist die Pflicht, im Rahmen der wirtschaftlichen Aufklärung dem Patienten genau zwei Dinge mitzuteilen: 1. Was die geplante Behandlung voraussichtlich kosten wird und 2. dass eine hundertprozentige Kostenerstattung nicht gewährleistet ist.

Die Aufklärung über die voraussichtlich entstehenden Kosten ist selbstverständlich. Die Tatsache, dass eventuell die Kosten der Behandlung nicht zu 100 Prozent erstattet werden, wird dem Patienten hingegen manchmal nicht so gerne mitgeteilt. Dabei kann es nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich ein entscheidender Fehler sein, den Patienten nicht auf das Erstattungsverhalten von Kostenträgern hinzuweisen und ihn sozusagen „ins offene Messer laufen“ zu lassen.

Das Patientenrechtegesetz fordert in § 630c Abs. 3 BGB: „Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist, oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.“

Der Patient muss also vor Behandlungsbeginn auf die voraussichtlichen Kosten und eventuelle Erstattungsschwierigkeiten hingewiesen werden. Dieser Hinweis muss schriftlich erfolgen. Dabei reicht zunächst die einfache Aussage, dass möglicherweise nicht alles übernommen wird.

Vor einer Prüfung und Berechnung des Erstattungsanspruchs durch die Praxis ist aber ausdrücklich zu warnen. Eine rechtliche Prüfung ist dem Juristen (und einigen wenigen anderen) vor dem Hintergrund des Rechtsberatungsgesetzes vorbehalten. Zudem kann es leicht passieren, dass man sich bei der Bezifferung des Erstattungsanspruchs verrechnet. Und da sind die Gerichte regelmäßig sehr streng. Erstattet nämlich die Versicherung später tatsächlich berechtigt weniger, haftet die Praxis gegenüber dem Patienten für diese Differenz. Mit anderen Worten: Die Rechnung der Praxis wird um genau die Differenz gekürzt.

Wie sage ich es dem Patienten?

Nun ist es nicht immer schön, über Geld zu reden. Noch weniger schön ist es, über Geld zu reden, das man wider Erwarten gerade nicht erhalten soll. Viele Patienten werden davon ausgehen, dass ihnen eine Erstattung im zumindest überwiegenden Umfang zusteht. Auch wenn sie oft die eigenen Versicherungstarife nicht genau kennen, sind Patienten immer wieder überrascht, dass sie auf einem Eigenanteil sitzen bleiben sollen.

Als Einleitung eines Gesprächs über mögliche – auch ungerechtfertigte – Kürzungen durch die Kostenträger bietet sich der allgemeine Hinweis an, dass nahezu kein Versicherungstarif eine hundertprozentige Erstattung verspricht. Regelmäßig sind vertraglich bestimmte Kategorien vereinbart, wonach meist, zum Beispiel bei prothetischen Leistungen, ein geringerer Prozentsatz versichert ist. Allein schon deswegen kommt ein Anspruch auf hundertprozentige Erstattung aller zahnärztlichen Leistungen allenfalls in seltenen Ausnahmefällen in Betracht.

Unabhängig davon, dass sich in nahezu allen Versicherungsverträgen feststellen lässt, dass eine hundertprozentige Erstattung für alle zahnärztlichen Leistungen nicht zu erwarten ist, sind im täglichen Erstattungsverhalten immer wieder einige thematische „Ausreißer“ zu beobachten. So fällt derzeit beispielsweise ein bestimmtes Erstattungsverhalten auf, bei dem unter Hinweis auf angeblich fehlende Langzeitstudien zu Knochenersatzmaterial nicht nur für das Material selbst, sondern für die gesamte Behandlung einschließlich Prothetik keine Erstattung erfolgt.

Unabhängig davon, dass man diese Kürzungen rechtlich nicht hinzunehmen braucht, ist es äußerst ratsam, den Patienten schon vor Beginn der Behandlung auf eine solche Reaktion von Kostenträgern hinzuweisen und ihn vorzubereiten. Den Patienten werden derartige Schreiben seines Kostenträgers verständlicherweise verunsichern. Das kann – und nach der aktuellen Rechtslage muss – man verhindern, indem man den Patienten vor Behandlungsbeginn hinreichend informiert.

Rechtliche Möglichkeiten der PKVen

Eine Praxis, die ihre Patienten rechtzeitig auf mögliche Erstattungsschwierigkeiten hinweist und sie sensibilisiert, stärkt das Arzt-Patienten-Verhältnis. Dies ist wichtig, um in einem ausgewogenen Interessenausgleich zu einem korrekten Ergebnis zu kommen.

Es darf nicht vergessen werden, dass das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) dem Krankenversicherer verschiedene Rechte einräumt, die man besser kennen sollte:

Die PKV darf den Patienten über die Korrektheit der Rechnung des Behandlers beraten. Die PKV darf auch bei – angeblich – falschen Berechnungen dem Patienten mit Rat und Tat zur Seite stehen und diesem sogar einen Rechtsanwalt bezahlen. Vor diesem Hintergrund wird die gelegentlich vorkommende Aufforderung von Kostenträgern an ihre Kunden, die Rechnung mal besser nicht auszugleichen, verständ‧licher. Darüber hinaus darf die PKV sogar auf einen vermeint‧lichen Behandlungsfehler hinweisen und auch hier für die Interessen des Patienten einstehen. Dies sind nur einige Beispiele, die aber verdeutlichen, dass der Austausch mit dem Patienten nicht abreißen darf. Das Arzt-Patienten-Verhältnis bildet eine ganz wesentliche Säule im Rahmen einer jeden Behandlung und ein vertrauensvoller und offener Austausch muss im Idealfall stets erhalten bleiben.

Fazit: Die Einhaltung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht ist nicht nur rechtlich gefordert, sondern führt in der Regel dazu, dass das Band zwischen Arzt und Patient nicht abreißt. Auseinandersetzungen über eine konkrete Kostenerstattung sollten immer sachlich und offen diskutiert werden, ohne dass das Arzt-Patienten-Verhältnis darunter leidet. Nur so können die Interessen der Patienten im Sinne ihrer eigenen Gesundheit optimal vertreten werden.

Dr. Susanna Zentai
ist Medizinanwältin in der Kanzlei Dr. Zentai – Heckenbücker in Köln und als Beraterin sowie rechtliche Interessenvertreterin verschiedener (Zahn-)Ärztlicher Berufsvereinigungen tätig. Sie ist Justiziarin des BDO und der PZVD. Außerdem ist sie Lehrbeauftragte der Hochschule Fresenius (Bereich Medizinrecht).
Kontakt: kanzlei@d-u-mr.de