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Z-MVZ: das Ende der „Goldgräberstimmung“?

Schnelles Durchgreifen von Berufs- und Bundespolitik: Das neue Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) erlegt Krankenhäusern als Trägern von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) eine Gründungsbeschränkung auf. Bei sonstigen potenziellen Trägern ist diese Beschränkung jedoch nicht anwendbar.


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Das Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG) ist durch den Bundestag beschlossen und hat am 12. April 2019 auch den zweiten Durchgang im Bundesrat passiert, sodass es am Tag nach seiner Verkündung in Kraft tritt. Nachdem in den vergangenen Monaten hitzige Debatten über „versorgungsfremde Investoren“, die in die zahnärztliche Versorgung drängen, geführt wurden, haben sich die Interventionen der Berufspolitik und des Bundesrats in einer komplizierten Neuregelung in § 95 Abs. 1b SGB V niedergeschlagen. Gemäß dieser Regelung dürfen zahnärztliche medizinische Versorgungszentren von einem Krankenhaus nur gegründet oder erweitert werden, soweit der Versorgungsanteil der von diesem Krankenhaus in dem betreffenden Planungsbereich insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren gewisse Versorgungsanteile (je nach Versorgungsgrad gestaffelt zwischen 5 und 20 Prozent) nicht überschreitet. Ausdrücklich gilt diese Gründungsbeschränkung nur für MVZ in der Trägerschaft von Krankenhäusern. Auf die MVZ-Gründungsbefugnis von sonstigen potenziellen Trägern, insbesondere Vertragszahnärzten, ist die Regelung nicht anwendbar.

Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist die Befürchtung, dass Großinvestoren Zahnarztpraxen kaufen und infolgedessen eine flächendeckende zahnärztliche Versorgung nicht mehr gewährleistet ist. Die investorengetragenen MVZ würden sich danach vordergründig in Ballungszentren niederlassen und so potenzielle Versorgungsangebote aus den umliegenden Regionen weiter konzentrieren. Zudem seien investorengetragene MVZ rein renditeorientiert und es bestehe die begründete Gefahr, dass medizinische Entscheidungen von versorgungsfernen Zielvorgaben stärker beeinflusst werden. Lesenswert sind dazu die Positionen der KZBV.

Geeignete Regelungen aufnehmen

Nachdem der Gesetzentwurf der Bundesregierung zunächst keine diesbezüglichen Regelungen enthielt, hatte der Bundesrat (vgl. Bundesratsdrucksache 504/18 v. 23.11.2018, S. 17 f.) im Gesetzgebungsverfahren darum gebeten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren geeignete Regelungen in das Gesetz aufzunehmen, um den „feststellbaren und für das Versorgungsgeschehen und die Versorgungssicherheit schädlichen Monopolisierungstendenzen in der vertragsärztlichen Versorgung durch MVZ wirksam zu begegnen“. Dazu wurde gefordert, Krankenhäusern eine Gründungsberechtigung nur zuzusprechen, wenn der Krankenhausstandort innerhalb des entsprechenden Planungsbereichs liegt, in dem das medizinische Versorgungszentrum seinen Sitz haben soll oder es in einem unterversorgten Gebiet liegt. Außerdem wurde gefordert, dass Krankenhäuser MVZ nur gründen dürfen, soweit sie nach der Feststellung im Krankenhausplan einen Versorgungsauftrag in den Fachgebieten haben, die im medizinischen Versorgungszentrum vertreten sein sollen. Schon im Zuge der Vorberatungen wurden Forderungen nach einer Höchstgrenze des Versorgungsanteils für krankenhausgetragene MVZ bezogenen auf die jeweilige Fachrichtung laut. Eingang in das Gesetz hat die neue Regelung schließlich im letzten Moment, allerdings mit Beschränkungen nur für die vertragszahnärztliche Versorgung gefunden. Grundlage ist die später umgesetzte Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom 13. März 2019 (Bundestagsdrucksache 19/8351), die dann am 14. März 2019 in der zweiten und dritten Lesung mit den Stimmen von Union und SPD gegen das Votum der Opposition beschlossen wurde.

Gründungsbefugnis eingeschränkt

In einem neuen Absatz 1b zu § 95 SGB V wird die Gründungsbefugnis für Krankenhäuser im Hinblick auf zahnärztliche MVZ eingeschränkt. Ein Krankenhaus kann danach ein MVZ nur gründen, soweit der Versorgungsanteil des Krankenhauses in dem Planungsbereich, in dem die Gründung des MVZ beabsichtigt ist, zehn Prozent nicht überschreitet. Ist in einem Planungsbereich der bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten, darf unabhängig von dem Gesamtversorgungsanteil eines entsprechenden MVZ ein solches mit mindestens fünf Vertragszahnarztsitzen oder -anstellungen gegründet werden. Ist der Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten, beträgt der zulässige Versorgungsanteil eines Krankenhauses 20 Prozent. Bei überversorgten Planungsbereichen mit einem Versorgungsgrad von mehr als 110 Prozent, darf der Versorgungsanteil eines Krankenhauses hingegen 5 Prozent nicht überschreiten.

Welche Auswirkungen die Regelung konkret haben wird, bleibt abzuwarten. Ob es sich bei der sehr kompliziert erscheinenden Regelung um ein wirksames Instrument handelt, die Anbietervielfalt in der vertragszahnärztlichen Versorgung zu erhalten und die „wettbewerbsfeindliche Anbieterdominanz durch medizinische Versorgungszentren in Trägerschaft weniger Krankenhäuser zu verhindern“ (vgl. BT-Drucksache 19/8351, S. 213), kann jedoch zumindest hinterfragt werden. Immerhin kann in einem Planungsbereich mit einem Versorgungsgrad zwischen 50 und 110 Prozent ein einziges Krankenhaus einen Versorgungsanteil von zehn Prozent ausfüllen. Insbesondere bei Großstädten bedeutet dies, dass einzelne Krankenhäuser auch künftig große, ggf. auch mehrere größere Einheiten gründen können.

Auch ist es nach der Neuregelung keineswegs ausgeschlossen, dass ein Investor über mehrere Krankenhäuser in einem Planungsbereich einen höheren Versorgungsanteil ausfüllt. Da die Regelung des neuen § 95 Abs. 1b SGBV konsequenterweise auf das einzelne Krankenhaus abstellt, das nach § 95 Abs. 1a SGB V ja auch gründungsberechtigt ist, ist es durchaus auch denkbar, dass ein Fremdinvestor als Inhaber mehrerer Plankrankenhäuser höhere Versorgungsanteile in einem Planungsbereich hält.

Zuwachspotenzial in der Stadt

Erst die kommenden Monate werden zeigen, inwieweit die Versorgungsanteile tatsächlich relevant werden. Nach Einschätzung des Autors wird es jedenfalls in den meisten großstädtischen Planungsbereichen für krankenhausgetragene MVZ noch Zuwachspotenzial geben. In ländlicheren Planungsbereichen hingegen dürften die Versorgungsanteile recht schnell erreicht werden. Möglicherweise werden Krankenhäuer dort im Einzelfall schon gehindert sein, eine einzelne größere Praxis zu erwerben.

Was die in der Überschrift gestellte Frage betrifft, geht der Autor jedoch davon aus, dass die „Goldgräberstimmung“ allenfalls ein kleines Zwischentief erleidet. Sobald Einzelheiten zur Bedarfsplanung und den verschiedenen Versorgungsgraden bekannt werden und somit die Berechnung der Versorgungsanteile der jeweiligen MVZ-Ketten möglich ist, werden sich die Preise, so sie denn überhaupt einbrechen, höchstwahrscheinlich zeitnah erholen.

Jedenfalls in großstädtischen Planungsbereichen, auf die die investorgetragenen MVZ nach den Erhebungen der KZBV überwiegend abzielen, dürften die Auswirkungen der Quoten relativ überschaubar sein. Dass es deutschlandweit viele Planungsbereiche geben wird, die Versorgungsgrade von 110 Prozent und mehr aufweisen mit der Folge, dass die Fünf-Prozent-Quote greifen würde, ist eher zweifelhaft.

Schwierige Nachfolgersuche

Unabhängig davon ist fraglich, ob durch die Einführung von Versorgungsquoten für Krankenhäuser nicht wiederum falsche Anreize im Zusammenhang mit der Versorgungssteuerung gesetzt werden. Die Quoten des § 95 Abs. 1b SGB V werden im ländlichen Bereich sehr schnell erreicht sein. Dies aber sind gerade die Bereiche, in denen mittelfristig Versorgungslücken auftreten werden, weil Zahnärzte auch für lukrative Praxen keine Nachfolger finden. Sofern also seitens der Politik die „Investoren-MVZ“ unter anderem dafür kritisiert werden, dass Gründungen vorwiegend in Ballungszentren und nicht im ländlichen Bereich stattfinden, wird diese Entwicklung durch die Quotenregelung eher verstärkt als unterbunden.

Fraglich ist schließlich auch, ob die Neuregelung durch die Betroffenen hingenommen wird. So wird bereits vielfach infrage gestellt, ob die einseitige Regelung zulasten krankenhausgetragener zahnärztlicher MVZ einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten würde.

Abschließend ist festzuhalten, dass bestehende MVZ in ihrer Struktur durch die Neuregelung nicht beeinträchtigt werden, und zwar auch dann, wenn es um die Nachbesetzung von Vertragszahnarztsitzen oder -anstellungen im Rahmen bereits bestehender Versorgungsanteile geht. Die Erweiterung bereits bestehender MVZ allerdings wird künftig von der Einhaltung der Versorgungsquoten abhängig gemacht.

 

Der Experte

RA Jens-Peter Jahn ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei michels.pmks Rechtsanwälte in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt in Zahnarztrecht.