Praxismanagement

Ohne MVZ-Gründung expandieren

Eine Änderung des BMV-Z stärkt nun die Freiberuflichkeit: Ein Vertragszahnarzt, der durch sein Praxiskonzept ein hohes Maß an persönlicher Praxisführung gewährleisten kann, darf künftig bis zu vier vollzeitbeschäftigte Zahnärzte anstellen – ein überfälliger Schritt in die richtige Richtung.


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Das große Thema der vergangenen Wochen und Monate in der zahnärztlichen Berufspolitik war die Frage, ob und wie sich die in den vergangenen Jahren stetig zunehmende Geschäftsaktivität von Private-Equity-Gesellschaften auf dem deutschen Gesundheitsmarkt beschränken oder verhindern lässt. Nachdem mit dem Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 die Möglichkeit zur Bildung fachgruppengleicher MVZ eröffnet wurde, nahm die Gründung insbesondere zahnärztlicher medizinischer Versorgungszentren massiv zu. Die Zahl stieg von 46 Medizinischen Versorgungszentren Ende 2015 auf mehr als 700 im März 2019. Die Bemühungen der Berufspolitik gipfelten zuletzt in den Regelungen zu Versorgungsquoten für krankenhausgetragene zahnmedizinische Versorgungszentren, konkret durch die Einführung des § 95 Abs. 1b SGB V durch das TSVG. Wenige Wochen vor der zweiten und dritten Lesung im Bundestag fand die Regelung Einzug in den Gesetzentwurf und wurde in dieser Form beschlossen. Ob sie einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält und geeignet ist, das Engagement von Investoren zu beschränken oder gänzlich zu verhindern, bleibt abzuwarten (vgl. dazu auch den Bericht Z-MVZ: das Ende der „Goldgräberstimmung“? hier)

Praktisch im Windschatten der gesetzlichen Beschränkung der Gründungsmöglichkeiten für Krankenhaus-ZMVZ hat jedoch eine aus Sicht der freiberuflichen Zahnärzte sehr vielversprechende Regelung Einzug in den Bundesmantelvertrag-Zahnärzte gefunden. Offenbar hat man auf der Ebene der KZBV und des GKV-Spitzenverbandes verstanden, dass es erforderlich ist, für Flexibilität bei den selbstständig niedergelassenen Zahnärzten zu sorgen, um so ein Gegengewicht zu investorengesteuerten MVZ-Gründungen zu bilden. Vertragszahnärzte können danach künftig regelhaft bis zu drei und in Ausnahmefällen auch vier vollzeitbeschäftigte Zahnärzte anstellen.

Budgetrelevant anstellen

Schon im Zuge der Flexibilisierungen durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz im Jahr 2007 und der späteren Aufhebung der Zulassungssperren für Zahnärzte wurde Vertragszahnärzten die Möglichkeit eingeräumt, Zahnärzte in ihrer Praxis budgetrelevant anzustellen. Je nach Umfang der Beschäftigung wurde dem Vertragszahnarzt für jeden angestellten Zahnarzt die volle degressionsfreie Punktzahl zugeschlagen. Rechtsgrundlage dafür ist die Zahnärzte-Zulassungsverordnung (Zahnärzte-ZV). Die Zahnärzte-ZV sieht jedoch vor, dass in den Bundesmantelverträgen einheitliche Regelungen über den zahlenmäßigen Umfang der Beschäftigung angestellter Zahnärzte unter Berücksichtigung der Versorgungspflicht des anstellenden Zahnarztes zu treffen sind. Diesem Auftrag sind die Partner der Bundesmantelverträge (KZBV und GKV-Spitzenverband) seinerzeit nachgekommen. Danach war es für einen in Vollzeit zugelassenen Zahnarzt möglich, zwei Vollzeitbeschäftigte bzw. ein entsprechendes Äquivalent an teilzeitbeschäftigten Zahnärzten anzustellen. Beabsichtigte ein Zahnarzt, mehr Zahnärzte in seiner Praxis zu beschäftigen, hatte er im Grunde nur die Möglichkeit, eine Berufsausübungsgemeinschaft mit einem Kollegen einzugehen, der über seine zweite zahnärztliche Zulassung wiederum weitere Zahnärzte beschäftigen kann. Nicht selten führte dies zur Gründung kritischer Berufsausübungsgemeinschaften, die teilweise die Grenze zur Scheinberufsausübungsgemeinschaft schon überschritten hatten. Alternativ kam nur die Gründung eines MVZ in Betracht. Mit Wegfall des Kriteriums „fachübergreifend“ für medizinische Versorgungszentren hat sich in diesem Punkt eine starke Dynamik entwickelt. Der expansiv denkende Zahnarzt konnte seine Praxis in ein medizinisches Versorgungszentrum umwandeln und damit Zahnärzte in unbegrenztem Umfang anstellen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die MVZ-Gründung eine Trägergesellschaft voraussetzt, die bei einer Person regelmäßig die Gründung einer GmbH erfordert, womit die Einrichtung gewerbesteuerpflichtig wird.

Die Ungleichbehandlung zwischen Zahnärzten einerseits und MVZ andererseits im Hinblick auf die Zahl der zulässigen Angestellten wurde vielfach angeprangert. So wurde von der Berufspolitik gefordert, auch für MVZ die zulässige Zahl der Angestellten zu beschränken (vgl. Antrag der Vertreterversammlung der KZBV vom 16./17. November 2016). Als dieser Ansatz nicht fruchtete, hat offenbar ein Umdenken stattgefunden. Statt MVZ im Hinblick auf die Anstellung einzuschränken, haben sich die Partner der Bundesmantelverträge dazu entschieden, die Anstellungsmöglichkeiten für freiberuflich tätige Vertragszahnärzte zu liberalisieren. Seit dem 5. Februar 2019 ist der neue § 9 Abs. 3 BMV-Z in Kraft. Im Einzelnen ist die Regelung wie folgt aufgebaut: Ausgangspunkt sind der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung und der Gedanke, dass der Vertragszahnarzt verpflichtet ist, die vertragszahnärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben. Persönliche Leistungen sind aber auch zahnärztliche Leistungen durch genehmigte Assistenten und angestellte Zahnärzte. Naturgemäß trägt der Vertragszahnarzt für diese die Verantwortung. Dies bedeutet, dass der Vertragszahnarzt auch bei Anstellung von angestellten Zahnärzten zur persönlichen Praxisführung verpflichtet ist und dass die von angestellten Zahnärzten erbrachten Leistungen als eigene Leistungen des Vertragszahnarztes gelten, die dieser gegenüber der KZV abzurechnen hat. Dabei hat der Vertragszahnarzt die angestellten Zahnärzte bei der Leistungserbringung persönlich anzuleiten und zu überwachen.

Drei Vollzeit-Anstellungen möglich

Unter diesen Voraussetzungen können neuerdings am Vertragszahnarztsitz drei vollzeitbeschäftigte Zahnärzte bzw. teilzeitbeschäftigte Zahnärzte in einer Anzahl, die im zeitlichen Umfang höchstens der Arbeitszeit von drei vollzeitbeschäftigten Zahnärzten entspricht, angestellt werden (§ 9 Abs. 3 S. 5 BMV-Z). Anstatt der bisherigen Beschränkung auf zwei angestellte Zahnärzte besteht nun also regelhaft die Möglichkeit, drei vollzeitbeschäftigte anzustellen. Kann der Zahnarzt nachweisen, dass er die persönliche Praxisführung durch besondere Vorkehrungen gewährleistet, besteht sogar die Möglichkeit, vier vollzeitbeschäftigte Zahnärzte anzustellen. In diesem Zusammenhang muss also ein Praxiskonzept dargelegt werden, das die persönliche Leitung der Praxis durch den Vertragszahnarzt gewährleistet. Wie ein solches Praxiskonzept im Einzelnen auszusehen hat, wird die Spruchpraxis der Zulassungs- und Berufungsausschüsse sowie der Sozialgerichte zeigen. Im Wesentlichen wird es darum gehen, dass der Vertragszahnarzt durch umfassende Anwesenheitszeiten in seiner Praxis die persönliche Aufsicht gewährleistet. Wenn er durch einen hohen Mitarbeiterschlüssel auch im nichtzahnärztlichen Bereich und die Beschäftigung eines Praxismanagers/einer Praxismanagerin von sonstigen organisatorischen Aufgaben weitestgehend entlastet ist und er im Übrigen keiner Nebentätigkeit nachgeht, spricht einiges dafür, dass ein tragbares Praxiskonzept dargelegt ist. An dieser Stelle wäre es wünschenswert, wenn die Zulassungsausschüsse bei der Prüfung der Praxiskonzepte Großzügigkeit walten ließen. Immerhin stellt die Vertragszahnarztpraxis mit angestellten Zahnärzten dann eine echte Alternative für die expandierende Zahnarztpraxis dar, und die Ungleichbehandlung des Freiberuflers im Vergleich zum MVZ wird jedenfalls etwas abgemildert. Bei Teilzulassungen gilt nach wie vor, dass regelhaft ein vollzeitbeschäftigter Zahnarzt angestellt werden kann. Mit Darlegung eines Praxiskonzepts ist die Beschäftigung von zwei vollzeitbeschäftigten Zahnärzten möglich.

Die Regelung stellt einen überfälligen Schritt in die richtige Richtung dar. Ein Grund, der in der Vergangenheit häufig zur MVZ-Gründung geführt hat, wird abgemildert. Der einzelne Zahnarzt kann expandieren auch ohne MVZ-Gründung, indem Zahnärzte angestellt werden. Wichtig ist bei der Entwicklung solcher Wachstumskonzepte jedoch immer die Begleitung durch einen Steuerberater. Die Regelungen des Bundesmantelvertrags haben nämlich Auswirkungen zunächst nur beschränkt auf den Bereich des Vertragsarztrechts. Die steuerliche Einordnung der Leistungen angestellter Zahnärzte und in diesem Zusammenhang die Frage, ob eine persönliche Anleitung und Überwachung auch nach steuerlichen Maßstäben gegeben ist, steht auf einem anderen Blatt. Bei der Anstellung eines oder mehrerer Zahnärzte hat der Vertragszahnarzt gemeinsam mit seinem Steuerberater geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Gewerbesteuer zu vermeiden, oder aber er muss damit rechnen, dass er gewerbesteuerpflichtig wird.

Verschärft wird die steuerliche Problematik dann, wenn der Vertragszahnarzt eine Zweigpraxis gründet. Die dafür maßgeblichen Voraussetzungen ergeben sich aus § 10 BMV-Z. Danach kann der Vertragszahnarzt Zahnärzte für die Tätigkeit in einer genehmigten Zweigpraxis anstellen. Die Dauer der Tätigkeit der am Vertragszahnarztsitz angestellten Zahnärzte in der oder den Zweigpraxen darf ein Drittel der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit am Vertragszahnarztsitz nicht überschreiten. Am Ort der Zweigpraxis kann ein Zahnarzt angestellt werden, solange die Dauer seiner Tätigkeit in der Zweigpraxis die Dauer der Tätigkeit des Vertragszahnarztes in der Zweigpraxis nicht um mehr als 100 Prozent überschreitet. Nach Auffassung des Verfassers bedarf auch diese Regelung einer dringenden Korrektur. Der Gedanke, dass der Praxisinhaber die Leistungen seiner Angestellten durchgängig persönlich überwachen und anleiten muss, ist überholt. Das Vertragsarztrecht kennt eine solche Verpflichtung zur Anwesenheit des Praxisinhabers in der Zweigpraxis nicht. Mit der Aufhebung dieser Regelung und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Versorgungsverbesserung als Genehmigungsvoraussetzung für eine Zweigpraxis auch darin bestehen kann, dass eine bestehende Praxis am ursprünglichen Vertragszahnarztsitz als Zweigpraxis weitergeführt wird, wäre ein weiterer Schritt zur Stärkung der Rechte der freiberuflichen Vertragszahnärzte getan. Bisher fehlt dazu anscheinend noch der Wille.

Insgesamt aber kann zusammenfassend festgehalten werden, dass erfreulicherweise die Partner der Bundesmantelverträge zugunsten der freiberuflichen Zahnärzte eine längst überfällige Flexibilisierung vorgenommen haben. Aus Sicht des Verfassers scheint die Stärkung der Rechte der freiberuflich tätigen Zahnärzte durch weitere Liberalisierungen bei der Berufsausübung der geeignete Weg, um ein echtes Gegengewicht gegenüber rein finanzgesteuerten Interessen zu bilden. Weitere Schritte sind möglich und nötig.

 

Der Experte

RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei michels.pmks Rechtsanwälte in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.