Mitarbeiterführung

Mitarbeiterführung: Delegieren – aber richtig

Wer eine eigene Praxis betreibt, trägt Verantwortung – für seine Mitarbeiter, seine Patienten und für sich selbst. Eine Vielzahl kleiner und großer Aufgaben muss täglich bewältigt werden. Deshalb sollte jeder Aufgabenbereich klar definiert sein und einer dafür qualifizierten Mitarbeiterin zugewiesen werden.


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Zahnärzte, die sich dazu berufen fühlen, alles selbst in die Hand zu nehmen, weil es dann „schneller geht“ oder „so gemacht wird wie gewünscht“, werden über kurz oder lang nicht nur massive Zeitprobleme bekommen, sondern vermutlich auch ihre Angestellten vergraulen. Denn nichts ist schlimmer als ein Praxischef, der Verantwortungsbewusstsein mit Kontrollzwang verwechselt und seinen Helferinnen permanent auf die Finger schaut, ganz gleich, ob es um den Terminkalender, den Hygieneplan oder das Recall-System geht. Dass es nicht leicht ist, im eigenen Unternehmen Verantwortungsbereiche zu delegieren, liegt auf der Hand, aber „Mädchen für alles“ zu werden ist sicher nicht Sinn und Zweck zahnärztlichen Arbeitens …

SOS aus dem Admin-Dschungel

Früher war alles besser. Was die Großmutter schon wusste, tut heute auch so mancher Zahnarzt reiferen Jahrgangs kund. Noch vor dreißig Jahren galt der zahnärztliche Beruf als Garant für Wohlstand bis ins hohe Alter. Die Konkurrenz aus dem Ausland war faktisch nicht vorhanden, die Patienten waren zufrieden, die Mitarbeiter loyal und klare Hierarchien prägten den Praxisalltag – so zumindest sieht es in den rosigen Erinnerungen aus. Abgesehen vom üblichen Weichzeichner beim Blick in die berufliche Vergangenheit hat sich für niedergelassene Zahnärzte jedoch tatsächlich einiges geändert. Der Aufwand an Verwaltung und Dokumentation muss nicht nur finanziell aufgefangen, sondern auch zeitlich in den Workflow der Praxis integriert werden.

Welche Rolle dieser Aufgabenbereich inzwischen bei den täglichen Abläufen spielt, zeigt die Tatsache, dass das Statistische Bundesamt momentan im Auftrag der Bundesregierung eine Befragung zum Bürokratieaufwand in Zahnarztpraxen in Sachsen, Bayern und Westfalen-Lippe durchführt. Gegenstand der Studie sind 13 Dokumentationspflichten, wobei die teilnehmenden Praxen beispielsweise den Aufwand für Mehrkostenvereinbarungen, privatärztliche Behandlungsschritte, den Bereich Röntgen oder die Aufbereitung von Medizinprodukten bewerten sollen. Unabhängig vom Ergebnis der Befragung werden die Pflichten in diesem Bereich in absehbarer Zeit eher mehr als weniger. Zahnärzte, die weiterhin nach dem Motto agieren: „Wenn du sicher sein willst, dass etwas getan wird, dann erledige es selbst“, müssen sich schon klonen, um allen Ansprüchen gerecht zu werden.

Mitarbeiterführung ernst nehmen

Fakt ist: Ein Praxischef ist auf die zuverlässige Unterstützung kompetenter Mitarbeiter angewiesen, wenn er nicht unter Papierbergen begraben werden möchte oder einen Dauerclinch mit den zuständigen Behörden anstrebt. Sinnvolles Delegieren erfordert aber vor allem eines: Der Zahnarzt muss seine Aufgaben, was Führung und Motivation betrifft, ernst nehmen, anstatt sich mit unzähligen Pflichten zu verzetteln, die ihm sein Personal abnehmen könnte. Es ist Aufgabe des Chefs, die täglichen Arbeitsabläufe klar zu definieren und zuzuordnen, und alle Mitarbeiter müssen sich aufeinander verlassen können. So mancher mag jetzt denken „leicht gesagt!“, aber wenn der Praxischef seine Ziele entsprechend kommuniziert und seine Angestellten aktiv mit ins Boot holt, funktioniert der Plan.

Abgesehen davon hat der Zahnarzt ohnehin keine Wahl. Ohne seinen fachlichen Einsatz können keine Umsätze generiert werden. Wenn ihm seine Mitarbeiter aber den Rücken frei halten sollen, müssen Informationen fließen. Kommt es zu einer Informationshäufung beim Praxischef, gewinnt dieser als „Allwissender“ im schlimmsten Fall den Eindruck, seine Mitarbeiter seien grundsätzlich inkompetent – und baut deshalb einen immer größeren Kontrollzwang auf. Im Rahmen unserer täglichen Arbeit in der OPTI Zahnarztberatung GmbH stellen wir leider immer häufiger diesen ungünstigen Verlauf bei Praxen, die um eine Analyse ihrer Probleme bitten, fest. Wir geben dann entsprechende Hilfestellungen zum Bereich „Führung und Personal“. Ignoriert man diese Dissonanzen, steht am Ende der Entwicklung oft das Ergebnis, dass der Zahnarzt noch mehr Zeit in nicht-behandelnde Tätigkeiten investiert und nur noch rund 55 Prozent seiner „Ressourcen“ für seine eigentliche Aufgabe am Behandlungsstuhl verwendet.

Das zeigte schon eine Umfrage der Firma Dampsoft Software Vertrieb GmbH unter den Anwendern im Jahr 2007. Die Auswertung ergab, dass die teilnehmenden Zahnärzte rund 18 Prozent ihrer Wochenarbeitszeit für Praxisorganisation aufwenden und rund 12 Prozent für weitere, delegierbare Tätigkeiten außerhalb der eigentlichen Behandlung von Patienten. In vielen Fällen führte diese ineffiziente Organisationsstruktur dazu, dass ein wirtschaftlich erfolgreiches Arbeiten kaum mehr möglich war.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Die Auswertung der Umfrage lieferte jedoch noch ein weiteres signifikantes Ergebnis. Die Praxen, die wegen unzureichender Organisation in finanziellen Schwierigkeiten steckten, praktizierten meist einen autoritären Führungsstil mit verhärteten Fronten zwischen Chef und Mitarbeitern. Dass solche destruktiven Zustände leider in vielen Praxen zum Alltag gehören, belegt die Umfrage ebenfalls: Nur rund 28 Prozent der befragten Zahnärzte nutzen ein System zur Mitarbeiterbewertung, während fast 72 Prozent der Teilnehmer ihren Angestellten keinerlei Feedback-Möglichkeiten einräumen. Das heißt, dass zwei Drittel der Befragten die Chance, das Potenzial ihrer Mitarbeiter strukturiert zu verbessern und weiterzuentwickeln, nicht nutzt.

Diese Art des autoritären Führungsstils beinhaltet aber noch eine andere wichtige Komponente. Der Praxischef signalisiert seinen Mitarbeitern damit, dass er ihnen nichts zutraut. Diese fühlen sich nicht ernst genommen, nicht wertgeschätzt und zweifeln irgendwann selbst an ihrer Kompetenz. Wenn der Chef ständig kontrolliert, ob der Termin von Frau Schröder richtig eingetragen wurde, der Sterilisator korrekt kalibriert oder das Röntgengerät geprüft ist, gewinnt sein Team den Eindruck, man könne es ihm ohnehin nicht Recht machen. Doch der Zahnarzt schadet sich mit diesem Verhalten doppelt. Hier ein Beispiel: Zahnarzt Dr. Zweifel gibt seiner Helferin Gabi den Auftrag, ein Datenblatt an das zahntechnische Labor weiterzuleiten. Eine halbe Stunde später stellt er fest, dass das Fax noch nicht abgeschickt ist. Er fühlt sich bestätigt, dass er sich eben doch nur auf sich selbst verlassen kann. Was er dabei nicht bedacht hat, ist die Folge seiner ständigen Kontrollen. Diese kosten ihn nicht nur Zeit, die ihm am Behandlungsstuhl fehlt, darüber hinaus schleicht sich beim Praxisteam eine dauerhafte Grundnachlässigkeit ein, weil sich jeder darauf verlässt, das der Chef wie gewöhnlich noch einmal nach dem Rechten sieht. Diese Wechselwirkung ist ebenso absurd wie kontraproduktiv. Würde Dr. Zweifel seinem Team mehr Verantwortung übertragen und so Vertrauen signalisieren, wäre dieses auch motiviert, seine Pflichten sorgfältig und zuverlässig zu erfüllen – denn Vertrauen schafft bekanntlich Vertrauen.

Kompetenzen der Mitarbeiter fortbilden

Wir sprechen hier natürlich nicht von blindem Vertrauen. Selbstverständlich muss der Chef die Aufgaben gemäß den Fähigkeiten und Neigungen seiner Mitarbeiter delegieren. Es nützt wenig, wenn die Dokumentation der Instrumenten-Sterilisation einer Helferin auferlegt wird, die von Hygienevorschriften oder dem Medizinproduktegesetz so viel Ahnung hat wie ein Frosch vom Fahrradfahren. Hier ist der Zahnarzt wieder als Chef gefragt. Die Kompetenzen der Mitarbeiter durch entsprechende Fortbildungen weiterzuentwickeln, sei es durch einen Kurs in zahnärztlicher Abrechnung, eine Fortbildung zur Prophylaxehelferin oder nur ein Telefon-Training, gehört eindeutig zu seinem Verantwortungsbereich – genauso wie die Aufgabe, seinem Team zu kommunizieren, wie wichtig es für ihn ist, dass er sich auf dessen Unterstützung verlassen kann. Dann kann der Zahnarzt auch mit ruhigem Gewissen zum eigenen Nutzen delegieren.

Dipl.-Kfm. Christian Henrici ist Mitbegründer und Geschäftsführer der OPTI Zahnarztberatung GmbH. OPTI hat sich auf Betriebswirtschaft, Organisation, Marketing sowie Führung Personal für die Zahnarztpraxis spezialisiert. Er schreibt regelmäßig Fachbeiträge und ist Autor des Buchs „Wer braucht schon gutes Personal?“.
Kontakt: henrici@opti-zahnarztberatung.de