Grundkenntnisse in Investitionsmarketing

Kostspielige Behandlungen richtig vermitteln

Auch wenn manche Zahnärzte den Vergleich nicht mögen: Patienten von einer kostspieligen Behandlung zu überzeugen ist vergleichbar mit dem Verkauf eines Pkw. Grund genug, sich ein paar Grundkenntnisse in Sachen Investitionsmarketing für die eigene Zahnarztpraxis anzueignen.



Dass die Zahnmedizin von den Eigenschaften des sogenannten Dienstleistungsmarketings geprägt wird, habe ich bereits in der Septemberausgabe des „Dental Magazin“ beschrieben. Doch bei einer komplexen Behandlung wie etwa Zahnersatz müssen zusätzliche Aspekte beachtet werden, schließlich geht es dabei um viel Geld. Was kostet bei Ihnen ein Einzelimplantat im Frontzahnbereich, all-in? Zwei-, dreitausend Euro vielleicht? Und eine festsitzende Lösung auf Implantaten bei Zahnlosigkeit? Zwölf-, dreizehntausend Euro? Kann sein, dass Sie günstigere Preise haben, aber dieser Endbetrag wird, so wage ich zu behaupten, unweit der 11.995 Euro liegen, die ein fabrikneuer Opel Corsa kostet, oder bei kostengünstigeren Zahnärzten beim Preis eines Gebrauchtwagens mit Jahresgarantie.

Business-to-Business-Bereich

Eigentlich stammt das Investitionsmarketing aus dem sogenannten Business-to-Business-Bereich, wenn etwa Siemens der Deutschen Bahn neue ICE-Kombinationen, Airbus der Lufthansa neue Flieger und SAP der Adidas-Gruppe neue Unternehmenssoftware verkaufen will. Bei diesen Millionen- und Milliardenbeträgen müssen ganz bestimmte Gegebenheiten beachtet werden, um ein Geschäft erfolgreich abzuwickeln.

Gegebenheiten, die auch eine Rolle spielen, wenn man Privatpersonen ein Eigenheim, ein neues Auto oder eben eine kostspielige Dentalbehandlung anbieten möchte. Es geht dann zwar nicht mehr um -zig Millionen, aber immer noch um sehr viel Geld! Selbstverständlich gibt es Unterschiede zwischen dem Häusle-Kauf, einem neuen Pkw und der zahnmedizinischen Behandlung; trotzdem gibt es aus der Sicht des Marketings Fragestellungen, die bei allen drei Beispielen gleich und somit für die Zahnarztpraxis durchaus relevant sind.

„Der Verwaltungsrat“

Obwohl Carsten Spohr einer der wichtigsten und einflussreichten Manager Deutschlands ist, entscheidet der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Lufthansa nicht allein über die Anschaffung neuer Flugzeuge. Wie bei hohen Investitionen üblich, wird auch er die Kaufentscheidung gemeinsam mit weiteren Personen – in diesem Fall wohl dem Verwaltungsrat – fällen müssen. Und wer sich ein Eigenheim kauft oder eben ein Auto – egal ob VW Polo, Opel Corsa oder Mercedes-Benz –, wird diese Kaufentscheidung ebenfalls nicht allein, sondern zusammen mit der Familie oder Freunden fällen.

Aus unzähligen Gesprächen weiß ich, dass sich die meisten Zahnärzte zwar Gedanken darüber machen, wer denn der „Verwaltungsrat“ des Patienten sein könnte, jedoch in der Praxis nicht genügend darauf eingehen. Nicht gut, denn diese „externen Beeinflusser“ haben in der Regel einen direkten, überaus mitbestimmenden Einfluss auf den Entscheidungsprozess!

Es sollte deshalb unbedingt versucht werden, diese in der einen oder anderen Form anzugehen und zu involvieren. Konkret bedeutet dies in einem ersten Schritt, durch aktives Zuhören festzustellen, welche Person bei der Entscheidung für oder wider die Behandlung ein Wort mitzureden hat. Den Namen dieser Person sollte man unbedingt in der Patientenakte vermerken, so dass diese Information praxisintern für alle sichtbar und immer wieder aufrufbar ist.

Weiteres Beratungsgespräch

Beim zweiten Schritt geht es darum, Kontakt zu diesem externen Beeinflusser aufzunehmen, wobei es sich meistens um den oder die Lebenspartner/in handelt. Idealerweise bietet man dem Patienten die Möglichkeit an, zusammen mit dieser Person zu einem zweiten Beratungsgespräch in die Zahnarztpraxis zu kommen, auch außerhalb der normalen Öffnungszeiten. Nun höre ich schon die Leser stöhnen: Und jetzt soll ich nach Feierabend noch ’ne Stunde länger in der Praxis bleiben!?! Es stimmt, ein solches Patientengespräch bedeutet zwar Mehrarbeit, doch wie viele Patienten mit einem Kostenplan von acht- oder zehntausend Euro haben Sie im Lauf eines Monats in Ihrer Praxis? Bei dieser außerordentlich hohen Gewinnspanne dürfte sich dieses Zeitopfer zweifelsohne lohnen.

Ansonsten, und in der Regel wird es darauf hinauslaufen, unterbreitet man dem Patienten den Vorschlag, dass man dem externen Beeinflusser jederzeit und gerne die vorgeschlagene Behandlung auch am Telefon erläutern kann – selbstverständlich auch nach Feierabend.

Am Ball bleiben

Die zweite Eigenheit des Investitionsmarketings ist die langsame Entscheidungsfindung. Schließlich wollen hohe Investitionen gut überlegt sein. Denken Sie nur an Ihren letzten Pkw-Kauf. Ich nehme kaum an, dass Sie ins Autohaus reinspaziert sind, sich umgeschaut und nach kurzem Überlegen gesagt haben: Den nehme ich gleich mit! Mag sein, dass sich eine Patientenentscheidung in der Zahnmedizin nicht über Monate hinzieht wie etwa bei einem Autokauf üblich, trotzdem erfordert dieser Entscheidungsprozess eine besondere Konstanz beim Patientendialog.

Es gilt beim Patienten dranzubleiben und im richtigen Maße – nicht zu viel, denn dann wirkt man aggressiv, nicht zu wenig, denn dann könnte man den entscheidenden Moment verpassen – den Kontakt zu pflegen. Ich weiß, das ist einfacher gesagt als getan, denn einerseits ist jeder Patient anders, und andererseits absorbiert einen das Daily Business jeden Tag von Neuem. Doch auch dann lohnt sich schon aufgrund der hohen Gewinnspanne die „VIP-Behandlung“ des Patienten. Knackpunkt bei der Entscheidungsbegleitung ist die Frage nach den korrekten Abständen des Patientenkontakts. Eine exakte Antwort darauf gibt es nicht, hängt dies doch ganz von der Persönlichkeit ab, und zwar nicht nur jene des Patienten, sondern auch Ihrer als Dentalprofi. Den einen kann es nicht schnell genug gehen, die anderen müssen sich die Dinge viermal überlegen. Aber ich denke, nach einer Woche oder zehn Tagen darf man anrufen und nachfragen.

Führung beim Patientendialog

Entscheidend ist dabei nicht so sehr das „Wann“, sondern das „Wie“. Wie sagen doch die Franzosen: C’est le ton qui fait la mu¬sique! Womit wir nicht nur bei der Freundlichkeit des Patientengesprächs wären, sondern auch bei der Rhetorik. Ohne allzu tief in dieses überaus interessante Thema eintauchen zu wollen, bleibt festzuhalten, dass es wichtig ist, immer die Führung über den Patientendialog zu behalten. Es geht nicht darum, den Patienten eine Behandlung aufzuschwatzen, vielmehr soll vermieden werden, dass sich eine Antwort – egal ob positiv oder negativ – über eine halbe Ewigkeit hinzieht.

In diesem Sinne zwei kurze Ratschläge:

Erstens: Verwenden Sie beim Beratungsgespräch sogenannte Alternativfragen. Will heißen, nach dem Termin in der Praxis: „Wann darf ich Sie anrufen um zu wissen, wie Sie entscheiden werden? Ende dieser Woche? Oder besser Mitte kommender Woche?“ Mit dieser Art der Fragestellung erwirken Sie, dass der Patient eine konkrete Antwort gibt, und vermeiden eine negative Rückmeldung.

Zweitens: Der Patient sollte auf keinen Fall das letzte Wort haben. Eine Aussage wie „Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich Zeit gehabt habe, mir Ihr Angebot zu überlegen …“ darf auf keinen Fall einfach so im Raum stehen bleiben, denn dann verlieren Sie ebendiese Gesprächskontrolle! Entsprechend muss zwingend eine Gegenfrage folgen, etwa: „Bis wann glauben Sie, dass Sie zu einer Entscheidung gelangen werden?“ Ziel muss sein, dass der Patient eine Antwort mit einem Zeithorizont angibt, so dass Sie nach Ablauf dieser Frist wieder beim Patienten anrufen können, ohne sich aufzudrängen.

Egoismus versus Gemeinschaftssinn

Viele Zahnärzte sind der Meinung, dass die Konkurrenz einer kostspieligen Behandlung von einer anderen Praxis ausgeht. Und in der Tat kommt es immer öfter vor, dass die Patienten eine zweite Meinung respektive eine zweite Kostenberechnung einholen, um diese gegeneinander auszuspielen. Doch oftmals kommt die Konkurrenz für oder wider eine kostspielige Dentalbehandlung aus einer ganz anderen Richtung, die man als „externe Faktoren“ bezeichnet und die die dritte Eigenschaft des Investitionsmarketings ausmachen.

Kann sein, dass Lufthansa von den neuen Airbus-Fliegern und die Bahn von den moderneren ICE-Zügen überzeugt ist und diese erwerben will, doch wenn die Bundesregierung entscheidet, man müsse zuerst die Landebahnen und Eisenbahntrassen sanieren, dann werden diese Anschaffungen warten müssen. Es geht hier also um Argumente, die zwar nichts mit der eigentlichen Investition zu tun haben, die aber einen direkten Einfluss darauf haben. In unserem Fall stellt sich die Frage, ob das Geld, das der Patient für die Behandlung aufbringen muss, nicht anderweitig gebraucht werden könnte. Außer bei finanziell gut gestellten Singles oder Dinks (Doble Income No Kids) kann es gut zu beinahe philosophischen Entscheidungen kommen: Implantate für Papi oder Skiurlaub für die ganze Familie? Nicht einfach, geht es dabei doch um Egoismus versus Gemeinschaftssinn.

Motivation herausfinden

Um einen Patienten (und seine externen Beeinflusser) von einer kostspieligen Zahnbehandlung zu überzeugen, ist es matchentscheidend, solche externen Faktoren in Erfahrung zu bringen. Auch dafür bildet das aktive Zuhören die Grundlage, geht es beim Patientengespräch doch nicht nur darum, dessen Motivation herauszufinden, sondern auch allfällige Einfluss- und Störfaktoren zu erkennen.

Erst wenn man weiß, welches der mögliche externe Faktor ist, wird man entsprechend darauf reagieren und argumentieren können. Entweder man verschiebt die Entscheidung bis nach dem Skiurlaub und schlägt einen (externen) Finanzierungsplan vor, oder man überzeugt den Patienten – und nicht nur ihn, sondern seine ganze Familie –, dass alle von einem Papa mit neuen Zähnen profitieren werden. Denn dank der Zahnbehandlung wird er ein neuer Mensch sein, nicht mehr schlecht gelaunt, sondern fröhlich!

Empathie und Emotionen

Griesgram und Fröhlichkeit, zwei Argumente, die zwar nicht von zahnmedizinischer Bedeutung, für den Entscheidungsprozess des Patienten jedoch durchaus relevant sind. Die drei aufgeführten Eigenheiten des Investitionsmarketings sind überaus wichtig, doch handelt es sich um rein rationelle Kriterien. Gerade Autoverkäufer wissen jedoch ganz genau, dass nebsen den rationalen Kriterien die emotionalen Aspekte eine überaus bedeutende Rolle spielen. Empathie und Emotionen beeinflussen eine Kaufentscheidung wesentlich nachhaltiger als ein reiner Faktencheck.

Was selbstverständlich klingt, ist es in der Zahnmedizin nicht immer: Der Patient unterzieht sich nicht einer kostspieligen und schmerzhaften Behandlung, einfach weil er „bessere Zähne haben möchte“, sondern weil er damit ein ganz konkretes Ziel erreichen möchte: wieder an einer Schweinshaxe nagen zu können oder die Attraktivität seines Auftretens zu steigern. In diesem Sinne ist es entscheidend, nicht nur die drei beschriebenen Eigenheiten des Investitionsmarketings zu beachten, sondern auch auf die Gefühlswelt des Patienten einzugehen.


© privat

Daniel Izquierdo Hänni
ist Marketing- und Kommunikationsprofi, Referent und Autor im Bereich der Zahnmedizin und Gründer von www.swissdentalmarketing.com
info@swissdentalmarketing.com