Experteninterview

Telematikinfrastruktur: Welche Probleme drohen Praxen ohne Anschluss?

Der Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) war nicht erst im vergangenen Jahr ein großes Thema. Obwohl die Frist zur Durchführung schon im Sommer 2019 abgelaufen ist, sind längst nicht alle Praxen verbunden. Uwe Eibich, Vorstandsmitglied der CompuGroup Medical SE, gibt im Interview einen aktuellen Überblick zum Stand der Dinge.


Telematikinfrastruktur Probleme

Bisher „konnte“ die TI nur das Stammdatenmanagement. Im Jahr 2020 kommen einige medizinische Mehrwerte hinzu. © CGM


Wie viele Praxen sind mittlerweile erfolgreich an die Telematikinfrastruktur angeschlossen worden?

Eibich: Die deutschlandweiten Installationszahlen aller Anbieter sind uns nicht bekannt. Die CGM hat insgesamt rund 55.000 Arzt-, Zahnarztpraxen und Krankenhäuser erfolgreich an die Telematikinfrastruktur angeschlossen und die CGM-TI-Produkte ermöglichen einen einwandfreien Betrieb in allen Zahnarztpraxen.

Welche Probleme mit der Telematikinfrastruktur tauchen in der Kommunikation mit den Praxen auf?

Eibich: Es sind stets die gleichen Fragen, die rund um die TI-Anbindung auftauchen: Was ist unter einem sicheren Standort für den Konnektor zu verstehen? Wie lange dauert die Installation der TI-Komponenten in der Praxis, und kann mein Praxisbetrieb während der Installation weitergehen? Wann und wie erhalten wir die Förderung zur Anschaffung der TI-Komponenten? Mit einem sicheren Standort für den Konnektor ist gemeint, dass dieser zulassungsbedingt in einem Praxisbereich platziert wird, der vor dem physischen Zugriff Unbefugter schützt. Dies wird bspw. durch einen abschließbaren oder zutrittskontrollierten Ort gewährleistet. Um Probleme zu vermeiden, empfehlen wir unseren Kunden vor dem Anschluss an die Telematikinfrastruktur zu prüfen, ob die Hinweise des Datenschutz- und Datensicherheits-Leitfadens der BZÄK und der KZBV umgesetzt sind.

Und was ist mit der Installationsdauer?

Eibich: Zur Installationsdauer: Das Installieren der TI-Komponenten durch einen zertifizierten Techniker dauert in der dafür vorbereiteten Praxis durchschnittlich ungefähr 90 Minuten. Da der Techniker die einzelnen Komponenten zunächst abseits des Praxisgeschehens vorbereiten kann, ist der laufende Praxisbetrieb in der Regel nur kurz betroffen.

Gibt es Änderungen im Praxisbetrieb durch den Anschluss?

Eibich: Ist die Praxis an die TI angebunden, ändert sich im Praxisalltag wenig. Ein Problem in der Kommunikation mit den Praxen tritt aber tatsächlich häufiger auf: Wenn im Supportfall die Hotline angerufen wird, muss die Praxis das Konnektor-Passwort griffbereit haben. Dieses ist bei der Installation auf einem den Installationsdokumenten beiliegenden CGM-Vordruck einzutragen. Wir empfehlen immer, dieses Papier mit höchster Sorgfalt aufzubewahren und für den Support- und Updatefall griffbereit zu haben.

Gibt es derzeit Sanktionen vom Gesetzgeber für Praxen, die noch nicht an die Telematikinfrastruktur angeschlossen sind?

Eibich: Praxen, die bis Ende März 2019 ihren TI-Anschluss bestellt haben, wurde ein letzter Aufschub für die TI-Installation bis zum 1. Juli 2019 gewährt. Alle anderen Praxen, die dies nicht getan haben und noch nicht an die Telematikinfrastruktur angebunden sind, müssen bereits seit dem 31. Dezember 2018 mit einer Kürzung ihres Honorars in Höhe von einem Prozent rechnen. Zahnärzte, die ihre Praxis bis Ende Februar 2020 noch immer nicht an die TI angeschlossen haben, müssen nach aktuellem Stand des Digitale-Versorgung-Gesetzes voraussichtlich ab dem 1. März 2020 sogar eine Erhöhung der Honorarkürzung auf 2,5 Prozent in Kauf nehmen. Und: die Förderung zur Anschaffung der TI sinkt weiter. Praxen, Die bisher noch nicht an die Telematikinfrastruktur angeschlossen sind, raten wir deshalb schnellstmöglich zur Bestellung. Seit dem 1. Januar 2020 gelten neue Pauschalen für die Förderung der Komponenten der Telematikinfrastruktur (TI) in Zahnarztpraxen (nähere Informationen hier).

Telematikinfrastruktur Probleme

Im Supportfall muss das Konnektor-Passwort vorliegen.
© CGM

Welche Probleme im Praxisalltag ergeben sich für Praxen ohne Anschluss an die Telematikinfrastruktur?

Eibich: Derzeit können nicht an die TI angeschlossene Zahnarztpraxen das gesetzlich vorgeschriebene Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) nicht durchführen. Künftig werden mit den anstehenden medizinischen Anwendungen Praxen ohne TI-Anbindung zusätzlich weder am Notfalldatenmanagement (NFDM) noch am eMedikationsplan (eMP) teilnehmen können. Dies ist natürlich ein klarer Nachteil gegenüber Praxen, die ihren Patienten diese Mehrwerte anbieten. Auch KOM-LE, der sichere, TI-basierte Datenaustausch zwischen Zahnärzten, Ärzten und anderen Beteiligten im Gesundheitswesen, wird für diese Praxen definitiv nicht möglich sein. Gerade der sichere und schnelle Austausch von z. B. HKPs mit den Kostenträgern ist für eine prozessoptimierte zahnärztliche Tätigkeit ein Vorteil, auf den dann verzichtet wird. Darüber hinaus gibt es für Praxen ohne Anschluss an die Telematikinfrastruktur noch weitere Probleme. Denn sobald eine flächendeckende Anbindung an die TI deutschlandweit besteht, werden ausgewählte bisher unverschlüsselte Daten nur noch verschlüsselt auf der eGK abgelegt; mit dem heutigen stationären BCS-Kartenlesegerät sind die Daten dann nicht mehr auslesbar, und die Praxen können nicht mehr mit den Daten arbeiten. Für diese Entschlüsselung sind dann der Praxisausweis (SMC-B) sowie ein Konnektor zwingend notwendig, das Kartenlesegerät muss den eHBA und/oder die SMC-B dann auch einlesen können.

Welche Weiterentwicklungen bzw. weiteren Funktionen sind für die kurz- bis mittelfristige Zukunft geplant?

Eibich: Die Qualifizierte Signatur (QES), das Notfalldatenmanagement (NFDM), der elektronische Medikationsplan (eMP) und die Kommunikation Leistungserbringer (KOM-LE) stehen als nächste medizinische E-Health-Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) bereits in den Startlöchern und sind kurz vor dem Rollout für alle Kunden, die sich für einen TI-Anschluss der CGM entschieden haben. Voraussetzung ist die formale Zulassung unseres Konnektors zu einem sog. eHealth-Konnektor. Das Software-Upgrade, das den Konnektor KoCoBox MED+ zum eHealth-Konnektor macht, wurde durch die CGM bereits Anfang August bei der gematik zur Zulassung eingereicht. Zurzeit laufen die funktionalen Tests der gematik und die Sicherheitsüberprüfung durch die Prüfstellen bzw. das BSI. Die bisherigen Zwischenergebnisse stimmen uns optimistisch, noch in diesem Jahr eine Zulassung zu erhalten. Sobald die notwendige finale Zulassung vorliegt, kann der Feldtest zur Erprobung der oben genannten medizinischen Anwendungen starten. Die umfangreichen Vorbereitungen für diesen Feldtest sind seit Längerem durch die CGM und die beteiligten Partner abgeschlossen. In Zusammenarbeit mit der KV Westfalen-Lippe konnten wir die erforderliche Zahl von Teilnehmern gewinnen, und es kann sehr bald losgehen.

Planen Sie weitere Feldtests?

Eibich: Einen weiteren Feldtest wird es auch für die Anwendung KOM-LE geben. Der Kommunikationsstandard zum sicheren Austausch von elektronischen Dokumenten wird in Zusammenarbeit mit der KV Nordrhein sowie den KZVen Berlin, Nordrhein, Baden-Württemberg und Bayern erprobt. 50 Ärzte, 16 Zahnärzte, vier KZVen und ein Krankenhaus erproben den Austausch des eArztbriefs über KOM-LE.


Der Experte

Uwe Eibich
ist seit 2007 Vorstandsmitglied der CompuGroup Medical SE und leitet heute das Segment Telematik & eHealth-Plattformen.
info.ti@cgm.com