Abrechnung/GOZ

Stiftaufbau: Exot in der Abrechnung?

En vogue ist diese Versorgungsform im klassischen Sinne vielleicht nicht mehr, aber auch nicht gänzlich obsolet – der gegossene Stiftaufbau in einem Zahn nach Nr. 2190 GOZ.


Obwohl die Versorgung mit einem gegossenen Stiftaufbau mittlerweile nicht mehr das Standardprozedere ist, bleibt sie trotzdem im Praxisalltag weiterhin relevant ‧– auch bei der Abrechnung. Böll


Die komplette Leistungsbeschreibung „Vorbereitung eines zerstörten Zahnes durch gegossenen Aufbau mit Stiftverankerung zur Aufnahme einer Krone“ impliziert dabei gleich zwei Voraussetzungen:

  1. Diese Therapie ist eine Maßnahme, die einen zerstörten Zahn, das heißt eigentlich dessen substanzgeschädigte, defekte klinische Krone, so weit rekonstruiert, dass er noch erhaltungsfähig bleibt und prothetisch versorgt werden kann.
  2. Die Formulierung der Leistungsbeschreibung „zur Aufnahme einer Krone“ impliziert bereits, dass die definitive Versorgung des betreffenden Zahns kein Inlay und auch keine plastische Restauration sein kann.

Bestätigt wird dies in einer zugehörigen Berechnungsbestimmung; dort heißt es unter anderem: „Die Leistungen nach den Nummern 2180, 2190 oder 2195 sind neben den Leistungen nach den Nummern 2150 bis 2170 nicht berechnungsfähig.“

Auch sind weitere Ausschlüsse in den betreffenden Berechnungsbestimmungen zu finden: „Die Leistung nach der Nummer 2180 ist neben der Leistung nach der Nummer 2190 nicht berechnungsfähig.“

Berechnungsfähig einmal je Zahn und nicht je Wurzelkanal oder je Einzelelement

Außerdem: „Die Leistungen nach den Nummern 2180, 2190 und/oder die Leistung nach der Nummer 2195 sind je Zahn nur jeweils einmal berechnungsfähig.“

Eindeutig aus diesen Bestimmungen zu schließen ist zunächst die Tatsache, dass die Nr. 2190 GOZ maximal einmal je Zahn und nicht je Wurzelkanal oder je gegossenes Einzelelement berechnungsfähig ist. Auch klargestellt wurde vom Verordnungsgeber, dass der gegossene Stiftaufbau nicht zahn- und sitzungsgleich neben der Nr. 2180 (Aufbaufüllung/ Stumpfaufbau mit aushärtendem Material) angesetzt werden kann.

Einzelfälle entsprechend auf der Rechnung transparent darstellen

Nicht ganz so eindeutig ist jedoch, ob der gegossene Stiftaufbau neben dem konfektionierten Stift aus gebührenrechtlicher Sicht zahngleich ausgeschlossen ist. Wirft man einen genauen Blick auf sämtliche Berechnungsbestimmungen zu dieser Leistung oder auch auf die amtlichen Begründungen von Bundesregierung und Bundesrat, so findet sich keinerlei Hinweis, dass sich beispielsweise die Nummern 2190 und 2195 gegenseitig am selben Zahn (Molar) ausschließen. Falls beide Leistungen jeweils nur einmal angesetzt werden, erscheint dieses Vorgehen auch gar nicht mal so abwegig, zum Beispiel zusätzlich zum gegossenen Aufbau nach 2190 GOZ in einem Wurzelkanal mit einem konfektionierten Stift nach 2195 GOZ in einem anderen, divergierenden Wurzelkanal als (vernieteter, durchsteckbarer etc.) Zusatzstift. Zahnmedizinisch nachvollziehbar sollte indes sein, dass sich beide Stiftaufbauten nicht im selben Wurzelkanal wiederfinden können. Hilfreich bei der transparenten Darstellung eines solchen Einzelfalls wäre sicher ein entsprechender Hinweis in der Rechnung.

Nach Darstellung der gebührenrechtlichen Ausschlüsse stellt sich aber auch die Frage, welche Leistungen sitzungs- und ortgleich neben der 2190 berechnet werden können.

Zusätzliche Berechnung der „adhäsiven Befestigung“ ist möglich

So ist beispielsweise die zusätzliche Berechnung der Nummer 2197 „adhäsive Befestigung“ neben der Nummer 2190 „gegossener Aufbau“ nach spezieller Konditionierung möglich. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass es sich auch tatsächlich um einen gegossenen Aufbau (aus Metall) handelt. Wird jedoch etwa ein CAD/CAM-gefertigter Keramikaufbau mit Wurzelstift eingegliedert, so wird dieser zwar auch adhäsiv befestigt, kann aber nicht nach Nummer 2190 GOZ berechnet werden. Denn: Es handelt sich definitiv nicht um einen gegossenen Aufbau. Ein derartiger CAD/CAM-gefertigter Keramikaufbau ist daher als Entsprechungsberechnung im Sinne von § 6 Abs. 1 GOZ (Analogiebildung) in Ansatz zu bringen.

Auch die Art der sich anschließenden Kronenversorgung nach eingebrachtem gegossenem Aufbau wurde vom Verordnungsgeber nicht genau definiert. Definitive Kronenversorgungen nach den Nummern 2200 bis 2220 sind genauso neben der Nummer 2190 berechnungsfähig wie Ankerkronen nach den Nummern 5000 bis 5020, 5040 GOZ. Aber auch neben der Nummer 7080 GOZ für die provisorische, sogenannte Dreimonatskrone ist der orts- und sitzungsgleiche Ansatz der Leistung nach Nummer 2190 GOZ denkbar.

Anfallende Kosten können ebenfalls gesondert berechnet werden, dazu gehören beispielsweise

  1. das Abformungsmaterial, auch bei durchgeführter Direktabformung/-modellation,
  2. Materialkosten für einen verwendeten (angussfähigen) Verankerungsstift
  3. Materialkosten- und Laborkosten nach § 9 GOZ (zahntechnische Herstellungskosten).

Stiftaufbau noch kein „alter Hut“ der Versorgung

Bei einem tatsächlich gegossenen Aufbau erscheinen zahntechnische Leistungen gemäß § 9 GOZ zwangsläufig, weil ein derartiger Aufbau aus Metall besteht und per Gussvorgang hergestellt wird. Nicht zwangsläufig immer individuell zahntechnisch hergestellt, sondern gegebenenfalls auch konfektioniert, dass heißt industriell gefräst, existiert darüber hinaus die bereits genannte CAD/CAM-Variante eines vollkeramischen Stiftaufbaus. Dann ist die zuvor erwähnte Entsprechungsberechnung (Analogiebildung) erforderlich gemäß § 6 (1) GOZ, es fallen hier unter Umständen auch zahntechnischen Eigenlaborkosten an oder Materialkosten für konfektionierte metallische Stiftaufbauten. Um möglichen Erstattungsschwierigkeiten vorzubeugen, ist in diesen Fällen eine genauere, zutreffende Bezeichnung der eigentlichen Leistung auf der Rechnung ratsam.

Fazit: Die „traditionelle“ Versorgung mit einem gegossenen Stiftaufbau ist nicht mehr die Standardversorgung, aber in bestimmten Fallkonstellationen noch kein „alter Hut“, wie auch die technische und zahnmedizinische Weiterentwicklung dieser Versorgungsart beispielsweise in moderner CAD/CAM-Technik beweist.

 Steffi Scholl ist Betriebswirtin für Management im Gesundheitswesen, QM-Praxismanagerin, AZP und arbeitete zehn Jahre lang freiberuflich als Abrechnungsspezialistin. Seit 2011 ist sie bei der Zahnärzt‧lichen Abrechnungsgenossenschaft eG (ZA) in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung tätig.
Kontakt: sscholl@zaag.de