Eingeschränkte Beihilfefähigkeit von zahnärztlichen Leistungen

Provisorien in Verbindung mit Beihilfe werden zum Ärgernis in der Abrechnung

Ein Runderlass des Finanzministeriums NRW zum zahnärztlichen Gebührenrecht macht für Zahnärzte das Thema Provisorien und Beihilfe zu einem Ärgernis der besonderen Art.


Provisorien

Provisorien in Verbindung mit der Beihilfe werden zunehmend zu einem Ärgernis in der Abrechnung. © Michael Tieck/Fotolia


Berge von Papier, gefüllt mit unzähligen Textbausteinen – man kennt sie, diese Form der „Leistungszusage“ einer Beihilfestelle, und das sicher nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Ein vermeintliches Detail wird im Praxisalltag zunehmend zu einem Ärgernis der besonderen Art: der Runderlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalens vom 16. November 2012 (B 3100 – 3.1.6.2.A – IV A 4). Dieser listet zahlreiche Punkte zum zahnärztlichen Gebührenrecht auf, wodurch die Beihilfefähigkeit von erbrachten und abgerechneten zahnärztlichen Leistungen erheblich eingeschränkt wird. Und das Fatale: Nicht nur den meisten Beihilfeberechtigten, auch vielen Zahnärzten ist der Inhalt dieses eigentlich nicht mehr ganz aktuellen Runderlasses nicht bekannt. Auseinandersetzungen im Erstattungsgeschehen sind vorprogrammiert.

Herstellung im Labor

Ein Beispiel: Unter Punkt zwölf „Zu den GOZ-Nummern 2260 und 2270“ heißt es: „Kosten für die labortechnische Herstellung provisorischer Kronen und Brücken sind nur dann beihilfefähig, wenn es sich um Langzeitprovisorien nach den Nummern 7080 und 7090 GOZ handelt, nicht jedoch in Verbindung mit den Nummern 2260, 2270 sowie 5120 und 5140 GOZ.“ – Was „labortechnische Herstellung“ mit einer konfektionierten provisorischen Hülse/Kappe (2260) zu tun hat, ist nicht ersichtlich. Dieser beihilferechtlichen Einschätzung könnte der GOZ-Kenner gegebenenfalls sogar zustimmen, denn mit der GOZ-Novellierung 2012 hat sich hinsichtlich der Berechnung von zahntechnischen Leistungen im Zusammenhang mit den GOZ-Ziffern 2260, 2270, 5120 und 5140 etwas geändert:

Für die direkte, intraorale zahntechnische Herstellung eines Provisoriums mithilfe einer Abformung können keine Laborkosten gemäß § 9 GOZ in Ansatz gebracht werden, denn die Leistung heißt „Provisorium im direkten Verfahren mit Abformung“. Das bedeutet, eine einheitliche Laborleistung für die gesamte Herstellung des Provisoriums ist nicht mehr berechnungsfähig wie beispielsweise noch gemäß der GOZ’88 (unter anderem mit der BEB-Ziffer 1401 „Provisorische Krone“): Das direkte Herstellen des „Provisorienrohlings“ ist etwa in der Nummer 2270 enthalten. So verbirgt sich hinter der Formulierung „Provisorium im direkten Verfahren mit Abformung nicht mehr als die „Herstellung und Direkteingliederung“ eines Provisoriums.

Was ist „einfach“?

Doch ist tatsächlich jegliche Berechnung möglicher zahntechnischer Leistungen nun ausgeschlossen? Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hält sich in ihrem Kommentar dazu eher bedeckt und konstatiert lediglich: „… Die einfache Ausarbeitung (eines Provisoriums – Anmerkung der Autorin) erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Berechnung nach § 9 GOZ.“

Das wirft direkt die nächste Frage auf: Wie ist eine „einfache“ Ausarbeitung“ eines Werkstücks – eines Provisoriums im zahntechnischen Werdegang – beschrieben und ab wann wird Ausarbeitung kompliziert?

Fakt ist: Eine „einfache“ Ausarbeitung eines Werkstücks ist in der zahntechnischen Literatur nicht definiert; die Bearbeitung eines Werkstücks kann sich sehr unterschiedlich darstellen, von extrem umfangreich und schwierig bis hin zu erfahrungsgemäß durchschnittlich. Eine „Richtschnur“, was zeitlich gesehen durchschnittlich ist und was nicht, bieten die Planzeiten der BEB.

Nacharbeiten im Labor

Ob nun doch zahntechnische Leistungen im Zusammenhang mit den GOZ-Ziffern 2260, 2270, 5120 und 5140 in Ansatz gebracht werden dürfen, erklärt die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe etwas genauer in ihrer Stellungnahme vom 29. Januar 2013: „Eine zahntechnische Leistung gemäß § 9 GOZ ist möglich, wenn im Labor nachgearbeitet wird (zum Beispiel Hochglanzpolitur am Poliermotor des Eigenlabors oder feinanatomische Gestaltung im Eigenlabor). Einfaches Entgraten und Gummieren löst keine Berechnung nach § 9 GOZ aus.“

Heißt konkret: Laborkosten können durchaus zusätzlich zum „direkten Verfahren mit Abformung“ – daran anschließend – anfallen zum Beispiel für die „Gestaltung, Umformung und Politur“ eines Provisorienrohlings und gegebenenfalls „Oberflächenversiegelung oder -veredelung“. Darüber hinaus ist die Herstellung eines Modells beziehungsweise Teilmodells und darauf eines Tiefziehformteils für eine intraorale Abformung der präparierten klinischen Situation mit den dadurch anfallenden Material- und Laborkosten ebenfalls berechnungsfähig.

Patienten vorab informieren

So gilt es zu bedenken: Erst wenn ein Werkstück (hier konkret der Provisorienrohling) fertiggestellt ist, wird es zum zahnärztlichen, einsatzbereiten Behandlungsmittel. Und dieser Prozess der Fertigstellung kann unterschiedlich aufwendig sein, je nach individueller Ausgangssituation, sei es aufgrund sehr komplexer Bissverhältnisse oder auch extrem hoher Anforderungen an die Stabilität der provisorischen Versorgung. Dies darzustellen ist auch mit der novellierten GOZ 2012 möglich. Das Augenmerk sollte dabei neben der detaillierten Dokumentation der Behandlung auf der korrekten Bezeichnung und Bewertung der erbrachten zahntechnischen Maßnahmen liegen. Dabei besteht für den Zahnarzt durchaus die Möglichkeit, wenn keine geeignete BEB-Ziffer vorhanden ist, eine eigene, geeignete Leistung zu definieren und entsprechend zu benennen.

Eine Beihilfefähigkeit dieser erbrachten zahntechnischen Maßnahmen ist dennoch nicht zu erwarten, geschweige zu gewährleisten: Somit ist es ratsam, den Patienten vor Behandlungsbeginn auf diese beihilferechtliche Besonderheit zumindest in NRW hinzuweisen – und ihn gegebenenfalls vorher zu seinen Ansprüchen und Erfordernissen an eine provisorische Versorgung zu befragen.

Steffi Scholl
ist Abrechnungsspezialistin und arbeitet seit 2011 bei der ZA Zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaft AG in
Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung.
sscholl@zaag.de