Studie der Uni Bonn

Haben Zahnspangenträger eine bessere Immunabwehr?

Das Tragen einer Zahnspange verhindert möglicherweise Nickelallergien und stärkt das Immunsystem. Das haben Forscher der Uniklinik Bonn herausgefunden.



“Nickelfrei” gilt als Qualitätskriterium bei Modeschmuck und vielen anderen metallhaltigen Alltagsgegenständen. So löst Nickel bei Hautkontakt schnell allergische Reaktionen aus und ist die häufigste Ursache von Kontaktallergien. Ein Fünftel der deutschen Frauen und fünf Prozent der deutschen Männer sind allergisch gegen das Metall.

Bei Schleimhäuten sehe das anders aus: „Bei kieferorthopädischen Behandlungen im Mundraum beobachten wir so gut wie nie Entzündungsreaktionen oder Ekzeme“, erklärt Dr. Lina Gölz, Oberärztin und Habilitandin der Poliklinik für Kieferorthopädie des Universitätsklinikums Bonn. Auch in Zahnspangen ist Nickel enthalten der durch Korrosionen mit dem Speichel abgesondert wird.

Neue molekulare Mechanismen gegen Allergien

„Wir konnten nun erstmals zeigen, dass sich die lokalen Gewebszellen der Schleimhaut selbst – die Fibroblasten – ganz anders verhalten als die der äußeren Haut“, erklärt Dr. Gölz. Bei Kontakt mit Nickel produzieren Hautzellen Interleukin-1β, das eine Immunabwehr hervorruft, die 20mal stärker ist, als das Signal dass Mundschleimhautzellen unter identischen Bedingungen aussenden. Während Botenstoffe der Haut die Immunabwehr aktivierten, werden in der Mundschleimhaut andere Botenstoffe freigesetzt. Sie hemmen entzündliche Prozesse und die massive Einwanderung von Immunzellen.

Eine Schlüsselkomponente der frühen Immunabwehr sind die dendritischen Zellen. Es war bereits bekannt, dass die dendritischen Zellen der Mundschleimhaut toleranter sind als die der Haut. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Mundschleimhaut ein Mikromilieu schafft, das diese tolerogenen Eigenschaften der oralen dendritischen Zellen begünstigen könnte“, erläutert Dr. Gölz. „Wir wollen diese interaktiven Prozesse nun genauer untersuchen.“ So lassen sich eventuell neue molekulare Mechanismen identifizieren, die sich ganz allgemein zur Bekämpfung von Allergien, der Hyposensibilisierung und der sublinguale Immuntherapie nutzen lassen.

Kleine Mengen Nickel desensibilisieren Immunsystem

Mit einer Analyse bereits veröffentlichter Studien konnte Götz zudem zeigen, dass auch eine kieferorthopädische Behandlung – etwa mit einer festen Zahnspange – die Entstehung einer Nickelallergie zu verhindern. Dieser „protektive Effekt“ war vor allem bei Menschen zu beobachten, die sich erstmals ein Piercing setzen ließen, nachdem sie sich einer kieferorthopädischen Behandlung unterzogen hatten. „Schon die geringen Nickelmengen, die von den Spangen konstant in den Mundraum abgegeben werden, scheinen das Immunsystem zu desensibilisieren“, erklärt Dr. Gölz. „Eine Zahnspange wirkt somit gewissermaßen wie eine sublinguale Immuntherapie.“

Ziel zukünftiger klinischer Studien soll sein, diesen Effekt an Patienten näher zu untersuchen.

Die Studie ist online hier abrufbar.