BVD-Fortbildungstage 2018 in Bremen

Herausforderungen für Handel und Industrie

Am 23. und 24. April veranstaltete der Bundesverband Dentalhandel e. V. (BVD) in Bremen seine traditionellen Fortbildungstage. Das Event bietet einmal im Jahr eine Plattform, wo sich Teilnehmer aus Industrie und Handel über Veränderungen, Entwicklungen, mögliche Probleme und Lösungsansätze in der Dentalbranche austauschen. Verbandsseitig steht 2018 vor allem die Modernisierung von grundlegenden Strategien im Mittelpunkt. Charismatische Gastredner rundeten das Programm ab.


BVD-Präsident Lutz Müller

BVD-Präsident Lutz Müller begrüßt die Vertreter aus Handel, Industrie, Standespolitik und Presse.


Am Montagmorgen eröffnete BVD-Präsident Lutz Müller die Veranstaltung und begrüßte die Vertreter aus Industrie, Handel, Standespolitik und Fachpresse. Mit Blick auf das folgende Vortragsprogramm thematisierte er kurz den aktuellen Wandel in der Dentalbranche und die Hürden, die sich daraus für Handel und Industrie ergeben könnten.

MVZ und Online-Händler: Die heutigen Herausforderungen

Größte Herausforderung seien laut Müller neben den neuen Datenschutzbestimmungen die Praxisketten, die sich momentan bildeten. Sie könnten es in Zukunft Lieferanten und auch Händlern schwer machen, kurzfristig zu reagieren. Ob es den traditionellen Handel irgendwann noch gibt, sei fraglich. „Es wird immer mehr Plattformen geben, die dazwischen drängen“, ist sich Müller sicher.

Im Anschluss erhielt Uwe Breuer das Wort. Der bisherige Präsident des VDZI nutze die Gelegenheit, um sich nach sechs Jahren persönlich aus seinem Amt zu verabschieden und dabei auch einige kritische Worte zu äußern. Er mahnte, die Verantwortung für die Zahnersatzversorgung nicht aus der Hand zu geben und denen zu überlassen, die den Profit über das Patientenwohl stellten, sondern stattdessen die deutsche Zahntechnikerschaft zu stärken. „Mit den zahntechnischen Meisterlaboren vor Ort haben Sie starke Partner an Ihrer Seite. Darauf können und sollten Sie in Zukunft bauen“, schloss Breuer seine Abschiedsrede.

Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer, beleuchtete die aktuellen Entwicklungen aus der Perspektive der zahnärztlichen Standespolitik . „Wir stehen vor gewaltigen Umbrüchen: Kollegen sind immer später und weniger bereit, in die eigene Niederlassung zu gehen.“ Daraus ergeben sich Herausforderungen sowohl für Kammern als auch für die Industrie. Kritisch sieht Dr. Engel ebenfalls vor allem den Trend der Medizinischen Versorgungszentren. Oftmals als Lösung für Versorgungsengpässe propagiert, bieten sie, zumindest was den unterversorgten ländlichen Bereich angeht, keine Alternative, da sie sich in der Regel in Ballungsgebieten ansiedelten. Versorgungszentren gleicher Fachgruppen könnten sich außerdem als Wirtschaftsunternehmen der Fach- und berufsständischen Aufsicht der Zahnärztekammern entziehen und förderten damit die zunehmende Kommerzialisierung der Zahnmedizin. Das könne zu Lasten der Qualität gehen und deshalb müsste man darauf reagieren. Allerdings kämen die Veränderungen teilweise so schnell, dass Verbände mit Gremienvorbehalten oftmals gar nicht die Möglichkeit hätten, mit diesem Tempo mitzuhalten, so Engel.


Moderne Strategien: Projekte des Bundesverbandes Dentalhandel

Projekte und Schritte des BVD stellten Uwe Jerathe (Vorstand und Sprecher Pluradent) und Andreas Meldau (President European Dental Group Henry Schein) vor. Grundsätzlich hat der BVD den Anspruch, mit seinen Angeboten und Aktivitäten eine umfassend genutzte Plattform für Industrie und Handel zu bilden. „Machen Sie bitte vollumfänglich mit!“, rief Uwe Jerathe in diesem Zusammenhang seine Kollegen auf und versprach: „Wir versuchen alles Mögliche, um eine einheitliche Handelsplattform bereitzustellen.“

Unter anderem plant der Verband eine Neustrukturierung der Aus- und Fortbildungsangebote, die eine Modernisierung der Prüfungsverfahren und Schulungsinhalte beinhalte. Außerdem startete der Bundesverband bereits im letzten Jahr die Neuausrichtung seiner Marketingmaßnahmen und Kommunikationsstrategien, sowohl nach intern als auch extern. Neben einer Neugestaltung der Verbandszeitschrift und der Imagewerbung soll demnächst auch die BVD-Webseite einem Relaunch unterzogen werden.

Weiterer Schwerpunkt des Vortrags waren das erfolgreiche Konzept der dentalen Fachmessen. Ausstellerzahlen, -flächen und die -zufriedenheit seien auch im letzten Jahr weiter gewachsen. Stolz präsentierte man die jüngsten Marketingmaßnahmen für die regionalen Fachmessen, die von gesteigerten Social-Media-Aktivitäten über Postkartenaktionen bis hin zu Google Adwords reichen.

Stefan Kreutzer (Geschäftsführer SPEIKO-Dr. Speier GmbH) und Joachim Klein (Pluradent) stellten anschließend das Projekt Artikelpass vor, das kurz vor der Implementierung stehe. Hierfür wurden die Datenblätter der einzelnen Kooperationspartner in ihren Kernpunkten zu einem Artikelpass kumuliert, der den gesetzlichen Vorgaben entspricht und den bürokratischen Aufwand für die Beteiligten minimieren sowie Rechtssicherheit schaffen soll. So müssen im Falle einer Neuanlage eines Produktes nicht mehr viele verschiedene Datenblätter ausgefüllt werden – es reicht nun ein einheitlicher Datensatz. Der Prozess wird dadurch standardisiert und vereinfacht. Dabei ist der Artikelpass nur der erste Schritt hin zu einer Material-Artikeldatenbank, in der alle Artikelkataloge samt zugehöriger Sicherheitsdatenblätter hinterlegt sind. Die Datenbank wurde im letzten Jahr als Initiative von den Händlern der Dental-Union, Henry Schein, Pluradent, Nordwest Dental, Müller & Weygand sowie einigen Herstellern ins Leben gerufen, um die Artikelneuanlage und -pflege zu standardisieren und damit das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu wahren.

Digitalisierung vs. Standardisierung

In seinem Vortrag „Kunden 2030: Dialog mit vielen Unbekannten?“ thematisierte Zukunftsforscher und Strategieexperte Michael Carl (2b AHEAD ThinkTank) anschließend die kommenden Herausforderungen für Unternehmen im Dialog mit den Kunden. Er riet den Anwesenden, „kein Standardprogramm“ mehr aufzurufen. Digitalisierung bedeute immer auch Individualisierung. „Es wird keine Kundensegmente mehr geben, sondern nur noch einzelne Kunden“, ist Carl überzeugt. Und um diesen Kunden der Zukunft erfolgreich ansprechen zu können, ist es wichtig, dessen Nutzungsverhalten zu kennen.

FDP-Politiker und Rechtsanwalt Wolfgang Kubicki ging am Nachmittag auf das Zusammenwirken von Politik und Industrie ein. Unter der Fragestellung „Wo steht Deutschland beim Thema Digitalisierung und was muss die Politik zur digitalen Infrastruktur beitragen?“ sprach er über die Aufgaben, die die Politik zeitnah bewältigen muss, um der Industrie in Deutschland die nötige Unterstützung für eine erfolgreiche Digitalisierung zu bieten. Er wolle „die kommenden 3,5 Jahre nutzen, das Bewusstsein für Chancen und Risiken der Digitalisierung zu stärken“. Dazu gehöre einerseits, das Entwicklungspotenzial des digitalen Wandels zu nutzen, und andererseits, den Bürger für den verantwortungsvollen Umgang mit den Technologien zu sensibilisieren. Unternehmen rät Kubicki, um zukunftsfähig zu bleiben, mit der Zeit zu gehen und auf die neuen Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter zu reagieren: Moderne Arbeitsformen, flexible Arbeitszeiten und die Mitarbeiter mit kreativem Potenzial „einfach mal machen lassen“ seien Faktoren für den Erfolg.

Menschen lesen können

Einen ganz besonderen Gast hatte sich der BVD für den letzten Programmpunkt des ersten Fortbildungstages aufgehoben. In ihrem Vortrag zum Thema Menschenkenntnis erklärte Profilerin, Diplom-Pädagogin und Autorin Suzanne Grieger-Langer, welche Typen von Mitarbeitern es ihrer Meinung nach gibt, woran man sie erkennt und wie man mit ihnen umgeht. Auf unterhaltsame Weise unterschied sie zwischen „Performern“ und „Pfeifen“ und sprach den Anwesenden Mut zu, ihren fähigen Mitarbeitern zu vertrauen und sie zu fördern.

Am Abend lud der Verband zur Abendveranstaltung im Hudson Eventloft mit Blick auf die Weser. In nettem Ambiente bei gutem Essen war dort noch einmal Raum für den persönlichen Austausch.

Modernes Marketing und starke Teams

Der zweite Veranstaltungstag startete mit einem Vortrag von Start-up-Unternehmer und Berater Alexander Müller (GEDANKENtanken). Er sprach über Sales-Automation und ging auf digitale Marketing- und Verkaufsstrategien ein. Er ist sich sicher, dass sich Umfelder wie der Dentalmarkt immer schneller entwickeln werden, auch wenn man das heute vielleicht noch nicht vermutet. Methodisch sprach Müller über Traffic-Generierung und Content-Marketing. Seine Empfehlung: „Beschäftigen Sie sich mit Start-ups und Digitalisierung und legen Sie sich den digitalen Wandel auf Platz Eins der Agenda!“ Auf eine Frage aus dem Publikum nach der Vereinbarkeit von neuen Mediakanälen und etabliertem Corporate Design konstatierte Müller, dass die Markenkommunikation der letzten 20 Jahre nicht mehr funktioniere. Den anwesenden Unternehmern und Geschäftsführern riet er, alte Strukturen und Strategien los zu lassen und neu zu denken.

Zum Abschluss der BVD-Fortbildungstage 2018 gab der Schweizer Segler Dominik Neidhardt Tipps, wie man vom „Herausforderer zum Sieger“ wird. Er selbst holte mit dem Team Alinghi den America’s Cup erstmals nach Europa und beschrieb eindrücklich anhand seiner Erfahrungen auf dem Boot, welche Faktoren innerhalb eines Teams wichtig sind, um letzten Endes erfolgreich zu sein. Diese seien vor allem eine intrinsische Motiviation der einzelnen Teammitglieder sowie das gegenseitige Vertrauen und Verständnis füreinander.