Expertenzirkel

Zahnaufhellung: Reine Kosmetik oder medizinisch indiziert?

Die am 1. November 2012 in Kraft getretene Kosmetikverordnung regelt und reglementiert die Abläufe bei der Durchführung von kosmetischen Zahnaufhellungsbehandlungen neu. Im Fokus stehen die Sicherung der Patienten vor unerwünschten Nebenwirkungen sowie der Ausschluss von Nichtzahnmedizinern. Auch der Verkauf von Kosmetikprodukten (zwischen 0,1 bis 6 Prozent Wasserstoffperoxid-Freisetzung) ist nur noch den Zahnarztpraxen gestattet. Sie dürfen wie Medizinprodukte nur in der Praxis angewendet werden. Die häusliche Anwendung setzt intensive Aufklärung durch den Zahnarzt voraus. Wie hat sich das auf den Stellenwert des Bleachings in der Zahnarztpraxis ausgewirkt? Welche Zahnaufhellungskonzepte haben sich in der Praxis bewährt? Wie effektiv ist die lichtaktivierte Aufhellung? Und wie berechne ich kosmetisches und medizinisches Aufhellen? Das diskutieren im aktuellen Expertenzirkel Fachleute aus Praxis, Hochschule und Industrie.



Prinzipiell unterscheidet man zwischen internen und externen Zahnverfärbungen. Welche ästhetischen Probleme können Patienten auch ohne Aufhellen in den Griff bekommen?

Noack: Externe Verfärbungen, also aufliegende Verfärbungen, lassen sich in der Regel mit professioneller Zahnreinigung und häuslicher Mundhygiene beherrschen.

Wie kommen sie zustande?

Göttfert: Eine externe Zahnverfärbung an der Zahnoberfläche wird in den meisten Fällen durch Nahrungsablagerungen verursacht. Zu den Lebensmitteln und Genussmitteln, die besonders stark zu externen Zahnverfärbungen führen können, gehören Nikotin, Kaffee, Schwarztee, Rotwein, Blaubeeren, schwarze Johannisbeeren und Gewürze.

Bitte ganz konkret, welche Präventionsmaßnahmen greifen?

Bartoschek: Eine Verhaltens- und Ernährungsumstellung, dazu zählen

  • das Vermeiden von Lebensmittel mit zu viel Fruchtsäuren und Farbstoffen,
  • die Rauchentwöhnung,
  • regelmäßige Zahnarztbesuche, regelmäßige PZR,
  • regelmäßiges Zähneputzen mit einer Schallzahnbürste und die Interdentalraum-Reinigung mit Zahnseide oder AirFloss.

Welche Verfärbungen lassen sich problemlos aufhellen?

Göttfert: Grundsätzlich lassen sich alle Verfärbungen aufhellen, vorausgesetzt, die natürliche Grundstruktur des Zahnes ist noch vorhanden.

Schütte: Das sehe ich ebenso. Avitale Zähne werden intern aufgehellt, vitale von außen. Welcher Patient eine Zahnaufhellung erhalten kann, wird immer im Einzelfall in der Ana‧mnese geklärt.

Göttfert: Auszuschließen sind zum Beispiel traumatisch bedingte Läsionen wie farbliche Veränderungen aufgrund einer Keimschädigung durch ein Milchzahntrauma oder Kalzifizierungsstörungen. Diese wirken nach einem Bleaching zunächst einmal sogar verstärkt. Schwierige Einsatzgebiete sind unter anderem auch Fluoridierungsstörungen bzw. Tetrazyklinverfärbungen.

Wann empfehlen Sie Ihren Patienten eine Zahnaufhellung?

Noack: Wir raten unseren Patienten prinzipiell nichts, sondern bieten lediglich Informationen an, die dann im Sinne einer partizipativen Entscheidungsfindung gemeinsam zu einer konkreten Therapieentscheidung führen. Dabei übernimmt auch der Patient eine eigene Verantwortung. Im Einzelfall muss ggf. geklärt werden, ob eine Zahnaufhellung sinnvoller ist als eine Veneerversorgung oder eine Überkronung. Oft wird auch gemeinsam ein Stufenplan gewählt, bei dem die Zahnaufhellung die erste Stufe mit geringster Invasivität darstellt. Insbesondere wenn einzelne Zähne bereits verschiedene Füllungen aufweisen, lassen sich mit Zahnaufhellungen nicht immer befriedigende Resultate erzielen.

Welche Indikationen dominieren in Ihrer Praxis, medizinische oder kosmetische?

Noack: Medizinische Zahnaufhellungen. Rein kosmetische Indikationen kommen bei uns nicht vor.

Bitte konkretisieren Sie das.

Noack: Praktisch alle Patienten haben Fluorose oder remineralisierte kariöse Initialläsionen, also White Spots. Diese fluorosebedingten Verfärbungen und Zahnentwicklungsstörungen sind medizinische Indikationen. Die Alternative zum Aufhellen wäre ein weitaus invasiveres Therapievorgehen.

Gibt es weitere medizinische Indikationen?

Schütte: Neben gesundheitlich oder traumatisch bedingten Zahnverfärbungen sehe ich eine medizinisch notwendige Zahnaufhellung auch bei Personen, die stark in der Öffentlichkeit stehen, wie Lehrer, Politiker oder Führungskräfte. Sie können durch Zahnverfärbungen in ihrer Berufsausübung eingeschränkt oder benachteiligt sein.

Wie sieht das in Ihrer Praxis aus, Herr Dr. Göttfert?

Göttfert: In 99 Prozent der Fälle sind unsere Bleachingbehandlungen kosmetischer Natur. Eine medizinische Begründung für jedes Bleaching zu finden ist aus meiner Sicht ziemlich schwierig. Natürlich, und da gebe ich den Kollegen Recht, steht hinter manchen deutlich verfärbten Zähnen ein gewisser Leidensdruck des Patienten.

Das Aufhellen soll Patienten zu intensiverer Mundhygiene motivieren und damit präventiv wirken, können Sie das bestätigen?

Schütte: Definitiv! Und deshalb kann ich diese scharfe Trennung des Gesetzgebers in medizinisch und kosmetisch nicht nachvollziehen. Für mich steckt in einer medizinischen Indikation auch immer eine kosmetische Komponente. Und eine primär kosmetische Veränderung hat auch einen medizinischen Aspekt. Der Wunsch nach helleren Zähnen sollte ernst genommen werden. Er signalisiert die Bereitschaft für Zahngesundheit und das Interesse an den eigenen Zähnen. Und das ist gut für die Zahngesundheit.

Frau Bartoschek, wo exakt sehen Sie den Übergang zwischen medizinischer und kosmetischer Indikation?

Bartoschek: Bei einer medizinischen Zahnaufhellung geht es um die Behandlung einer Erkrankung im Sinne des Zahnheilkundegesetzes. Die Notwendigkeit ist auch möglicherweise aus psychologischen Gründen gegeben, denn Zahnverfärbungen können auf den Patienten sehr belastend wirken. Die Aufhellung kann durchaus einen therapeutischen Aspekt haben. Eine medizinische Indikation ist in vielen Fällen gegeben.

Aus Herstellerperspektive liegt eine kosmetische Zahnaufhellung immer dann vor, wenn der Patient eine Zahnaufhellung aus rein ästhetisch-kosmetischen Gründen wünscht. Fakt ist: Der Patient fühlt sich wesentlich besser mit strahlend weißen Zähnen. Aber auch hier ist eine ausführliche Patientenaufklärung zwingend.

Und wie weiß darf es sein?

Noack: Also, wenn ein Patient mit Zahnfarbe A1 zu mir kommt und noch hellere Zähne wünscht, muss es einen plausiblen Grund dafür geben. Es ist dann auch zu prüfen, ob nicht in Einzelfällen eher ein Problem vorliegt, das auch mit Zahnaufhellung nicht zu lösen ist.

Bartoschek: Wir raten nicht von dem Superweiß ab, aber man muss im Vorgespräch mit dem Patient festlegen, welches Weiß erreicht werden soll. Zahnarzt und Patient überlegen gemeinsam, was möglich ist. Meiner Meinung nach ist der Patient der Kunde und nicht nur Patient.

Frau Bartoschek, Sie haben lange als Dentalhygienikerin in den USA gearbeitet …

Bartoschek: In Amerika ist Zahnaufhellung schon viel länger bekannt und wird häufiger angewendet. Dort möchten die Patienten immer weißere und hellere Zähne, denn weiße Zähne werden assoziiert mit einem gesunden, vitalen und schönen Menschen.

Herr Dr. Göttfert, Sie betreiben mit Ihren Kollegen eine Spezialpraxis für ästhetische Zahnheilkunde. Wie reagieren Sie auf die Farbwünsche Ihrer Kunden?

Göttfert: Wir haben dafür natürlich ein offenes Ohr. Jeder Patient hat seine persönliche Vorstellung von „schön“. Sicher beraten wir selten über A1 hinaus, doch bzgl. Zahnfarbe sind ethisch kaum Grenzen gesetzt, und die Wünsche der Patienten können fast ausnahmslos erfüllt werden.

Und was man auch nicht vergessen darf: Die Zähne behalten durch ein Bleaching ihre natürlichen Lichteigenschaften annähernd und wirken natürlich, selbst wenn sie „bleach l oder xl“ gebleicht sind. Ganz anders sieht das bei superhellem Zahnersatz aus. Hier kann das Endergebnis unnatürlich wirken. Wichtig ist in meinen Augen deshalb, Patienten aktiv zu beraten, und das vor allem präprothetisch. Denn viele kennen die fantastischen Möglichkeiten und hervorragenden Endergebnisse moderner Verfahren nicht. In der heutigen Zeit und der wissentlich extrem gestiegenen Wertschätzung der Ästhetik sollte man das präprothetische Aufhellen stets beachten, um eine dunklere Stumpffarbe nicht zahntechnisch kaschieren zu müssen oder durch andere invasive Präpara‧tionsformen den Zahn zu verletzen.

Herr Dr. Schütte, gibt es die ideale Aufhellungsstufe?

Schütte: Nein, das Aufhellen ist so individuell wie der Mensch. Wir haben die Verantwortung, das Gesamtbild zu sehen. Und meine Mitarbeiterinnen sind da sehr verantwortungsbewusst.

Kommen wir zu den Kontraindikationen. In welchen Fällen − außer etwa bei Schwangeren, Stillenden, Aids- und Krebspatienten − ist das Bleaching kontraindiziert?

Noack: Offen gesagt, halte ich die Aufzählung der Kontraindikationen für, Entschuldigung, Schwachsinn.

Warum? Immerhin sehen auch die Hersteller das so …

Noack: Warum soll ich einer Krebspatientin – insbesondere mit eingeschränkter Lebenserwartung – nicht die Lebensqualität durch Zahnaufhellung verbessern. Ich habe einige dankbare Patientinnen. Ich sehe auch keinen sachlichen Grund beim Vorliegen irgendeiner Infektionserkrankung, mein diesbezügliches Therapiespektrum einzuschränken. Im Gegenteil: Meine Erfahrungen – auch mit infizierten Patienten – zeigen, dass sich die Patienten nach der Zahnaufhellungsbehandlung mehr um ihre häusliche Plaquekontrolle kümmern als vorher.

Und die Verhinderung von intraoralen Entzündungen durch motiviertere häusliche Mundhygiene eliminiert möglicherweise auch Risikofaktoren für systemische Erkrankungen. Aber: Hersteller müssen diese Kontraindikationen angeben, da man Zulassungsstudien nicht zum Beispiel mit HIV-Patienten oder Schwangeren durchgeführt hat.

Herr Dr. Schütte, was meinen Sie?

Schütte: Eine Kontraindikation sehe ich bei sehr jungen Patienten. Wir leben in einer Zeit, in der TV-Formate wie „Germany’s next Top Modell“ falsche Ideale entwickeln. Hier müssen wir Praktiker und unsere Teams immer häufiger irrwitzige Vorstellungen und selbst auferlegte Zwänge beseitigen. Und es scheint einen Trend zu einem Zahnaufhellungstourismus zu geben. Motto: Wenn eine Praxis nicht weiter aufhellen will, gehe ich zur nächsten Praxis. Die Krux: Moderne Zahnaufhellungskonzepte wie die LED-lichtaktivierte Aufhellung liefern fast schon zu schnell und zu einfach super Ergebnisse. Für den Patienten entsteht der Eindruck, da gehe doch noch mehr. Wir Praxisteams müssen hier aber bremsen, andernfalls wirken die aufgehellten Zähne wie Fremdkörper. Und das ist keine Visitenkarte für den Behandler. Weitere Kontraindikationen sind massive Hypersensibilität der Zähne, unbehandelte Gingivitis und Parodontitis, undichte Füllungen, Karies und massiv ausgeprägte Erosionen.

Welche Nebenwirkungen können drohen?

Göttfert: Bei richtiger Durchführung hat ein Bleaching eigentlich nur eine einzige bekannte Nebenwirkung: Es kann sehr kurzfristig zu einer gesteigerten Kalt-Warm-Empfindlichkeit der Zähne führen. Dieser Effekt verschwindet aber spätestens zwei bis drei Tage nach Abschluss des Bleachings, meistens sogar schon nach nur ein paar Stunden.

Ganz wichtig ist die gründliche Inspektion durch den Zahnarzt, um Nebenwirkungen auch wirklich auszuschließen: Unbehandelte Kariesstellen oder undichte Kronenränder können dazu führen, dass H2O2 in den Zahn eindringt und den Nerv reizt. Dies muss unbedingt vorher ausgeschlossen werden, auch dann, wenn der Patient selbst mit frei verkäuflichen Materialien ein Bleaching durchführen will. Außerdem sind stark abradierte Gebisse, Erkrankungen mit Schmelz- oder Dentinfehlbildungen minderindiziert für die Zahnaufhellung jeder Art.

Zur Patientenklientel: Wie alt sind Ihre Bleaching-Kunden im Schnitt?

Schütte: Die Klischees der typischen Zielgruppen sind Vergangenheit. Zahnaufhellung macht jetzt das durch, was die Prophylaxe vor 20 Jahren erlebte. Man dachte zu wissen, wem man Prophylaxe ans Herz legt, und hat es selektiv angeboten und thematisiert. Das war falsch. Es gibt eine große Sehnsucht nach helleren Zähnen – durch alle Bevölkerungs-, Einkommens- und Bildungsschichten, egal ob Frau oder immer mehr Mann. Kein Patient wird von der Beratung ausgeschlossen. Ob er allerdings durch meine Mitarbeiterinnen eine Zahnaufhellung erhält, entscheide ich, nachdem ich eine Anamnese aufgenommen habe.

Gibt es eine Altersgrenze?

Noack: Ich behandele meine Patienten zwar prinzipiell wie Kunden, zugrunde liegt aber immer ein medizinisches Problem. Und da sehe ich bei Erwachsenen keine Altersgrenzen. Bei Jugendlichen muss man dagegen aufgrund der zu erwartenden reversiblen postoperativen Sensibilitäten genau aufklären und abwägen, ob eine Zahnaufhellung sinnvoll ist. In Ausnahmefällen, zum Beispiel bei Molar-Inzisor-Hypomineralisation (MIH) oder Amelogenesis imperfecta kann auch die Zahnaufhellung helfen, den Zeitpunkt der notwendigen prothetischen Rehabilitation hinauszuzögern, bis das Wachstum wirklich abgeschlossen ist.

Sinkt das Interesse an weißen Zähnen mit zunehmendem Alter?

Göttfert: Tendenzen lassen sich natürlich erkennen. Allerdings ist der Unterschied nicht so groß wie angenommen. Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass die Zähne im Gesicht als ästhetisches Merkmal deutlich priorisiert werden. Und dies ist altersgruppenunabhängig. Verständlicherweise streben viele junge Patienten nach dem Celebrity Hollywood Glamour. Uninteressant ist es wirklich nur in ganz wenigen Ausnahmen.

Bartoschek: Eine Altersgrenze nach oben existiert nicht. Im Gegenteil: Das Interesse an Zahnaufhellung wächst, da die Menschen jünger und attraktiver aussehen möchten. Umfragen haben bestätigt, dass der Ersteindruck sehr wichtig ist und durch gepflegte Zähne stark beeinflusst wird. Viele Patienten haben keine medizinischen Probleme mit ihren Zähnen und wünschen sich einfach nur hellere und attraktivere Zähne, egal ob sie nun 20, 40, 60 oder 80 Jahre alt sind.

Es gibt eine ganze Palette an unterschiedlichen Bleaching-Produkten. Für welches System soll sich der Zahnarzt entscheiden? Gibt es Orientierungshilfen?

Noack: Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es wohl unredlich zu behaupten, dass es wirklich dramatische Unterschiede in der Wirkung der verschiedenen Produkte gibt. So oder so wirkt immer der Sauerstoff aus den Peroxiden oder Carbamid-Peroxiden. Ich habe mich für das Philips ZOOM System entschieden, da in dem Paket alles enthalten ist, was man braucht: Von der Lippenpflege über den Lippenhalter, den Schutzlack für die Weichgewebe bis hin zum Produkt gegen Zahnüberempfindlichkeit in der Vor- und Nachsorge. Mit dem System lässt sich für mich eine einfache Qualitätssicherung in der Praxis durchführen, denn mein Praxisteam beteiligt sich doch mit etlichen unterstützenden Arbeitsschritten. Nach einer Behandlungsdauer von 35 bis 50 Minuten genießen meine Patienten das fertige Behandlungsergebnis, das in guter Servicequalität von einem geschulten und kompetenten Praxisteam durchgeführt und zu einem fairen Preis angeboten werden kann.

Schütte: Aufhellungsprodukte und -konzepte müssen in der Praxis funktionieren. Das beginnt bereits bei der Dauer von In-Office-Anwendungen. Da hat für mich die Lichtaktivierung Vorteile. Dann muss es im Handling funktionieren. Meine Mitarbeiterinnen präferieren auch das ZOOM-Konzept, da für einen Patienten das komplette Set in einer Packung sauber und übersichtlich dargeboten wird.

Ich halte fest: Hinsichtlich der Wirkung sind die Unterschiede eher gering, hinsichtlich der Anwendung gibt es Unterschiede?

Bartoschek: Das ist richtig, allerdings ist auch der pH-Wert von entscheidender Bedeutung: Zahnaufhellungsmittel müssen einen neutralen pH-Wert aufweisen, damit sie die Zähne nicht aufrauen. Denn das würde einer erneuten Verfärbung Vorschub leisten. Für den Patienten sollten sie angenehm in der Anwendung sein und zu einem schnellen Resultat führen. Es gibt mehrere Behandlungsmethoden sowie In-Office oder Take Home. Alle haben Vor- und Nachteile.

Gibt es weitere Kriterien, zum Beispiel Lichtaktivierung?

Göttfert: Schonende Verfahren sind verständlicherweise State of the Art. Gesundheit steht immer vor jedem ästhetischen Wunsch. Deshalb sollten unbedingt Verfahren mit einem möglichst geringen H2O2-Prozentsatz Einsatz finden und unbedingt die vorgegebenen Einwirkzeiten eingehalten werden.

Sichere Anwendung durch perfekt konfektionierte Bleaching Kits und eine perfekte Instruktion der Praxisfachkräfte. All das sind essenzielle Punkte, um die sichere Anwendung zu gewährleisten. Die Preisstruktur steigt logischerweise, allerdings zum Wohl unserer Patienten. Lichtaktivierte Systeme haben sich in unserer Praxis als sehr effizient herausgestellt und finden täglich Einsatz.

Welche Rolle spielen die Kosten für den Patienten?

Göttfert: Ein gängiges Sprichwort lautet: „Die Freude am kleinen Preis ist meist kurz.“ Und wir stehen in unserer Praxis für Nachhaltigkeit. Oft kommen Patienten mit dem langjährigen Wunsch nach weißeren Zähnen schon topinformiert in unsere Praxis, kennen die Kostenstruktur bestens und suchen aktiv nach der von uns angebotenen Methode.

Bartoschek: Die Kosten für den Patienten sind immer unterschiedlich, denn bei den rein ästhetisch-kosmetischen Zahnaufhellungen sind es sogenannte kostenträgerfreie Leistungen. Hier sind die gesamten Kosten vom Patienten selbst zu tragen und können mit dem Zahnarzt frei vereinbart werden. Der Patient entscheidet sich natürlich auch für die Variante, die innerhalb seines möglichen Budgets liegt. Manche Praxen bieten die Zahnaufhellung für ihre Patienten mit einer Ratenzahlung an. Den Preis für die Zahnaufhellung bestimmt allein der Zahnarzt. Er muss sich zuerst für eine oder mehrere Methoden entscheiden, die er in seiner Praxis anbieten möchte. Materialkosten und Behandlungszeit der Methoden sind sehr unterschiedlich und werden den Preis für den Patienten beeinflussen.

Welchen Stellenwert hat das Bleaching in Ihrer Praxis? Gilt es als eher verpönt?

Göttfert: Das Thema Bleaching ist großer Bestandteil unseres Praxiskonzepts. Richtig, in der Vergangenheit galt Bleaching oftmals als verpönt, aber das resultiert aus mangelnder Erfahrung und Ergebnissen oder fehlendem Einblick in die Materie. Wir informieren unsere Patienten passiv mit Fakten zum Thema Bleaching auf unserer Homepage und im Wartezimmer.

Noack: Deswegen vermeide ich das Wort Bleaching und spreche von Zahnaufhellung.

Wer spricht das Thema Zahnaufhellung in Ihrer Praxis an?

Göttfert: Aktiv informieren hauptsächlich die Ärzte im Beratungsgespräch. Natürlich stehen aber auch unsere Fachkräfte auf Nachfrage mit Rat und anschließend auch mit Tat Rede und Antwort.

Und bei Ihnen?

Schütte: Die meisten Gespräche zu diesem Thema entstehen bei uns im Rahmen unseres Prophylaxe-Programms. Diese Patienten entwickeln ein Zahnbewusstsein. Sie gehen zur PZR, die Zähne fühlen sich schon toll an – und nun sollen sie auch heller werden. Wir wissen, dass eine Praxis mit Recallsystem viel einfacher und schneller Zahnaufhellung als Leistung anbieten kann. Die Prozesse sind vergleichbar. Ich als Zahnarzt führe das Beratungsgespräch und kann aus medizinischer Sicht zustimmen. Die Umsetzung liegt dann in den Händen meiner Mitarbeiterinnen. Die haben ein echtes Händchen für die Behandlung und die Patientenführung. Ich komme dann erst wieder zur abschließenden Begutachtung der Farbe, der Hart- und Weichgewebe dazu.

Noack: In der Regel kommt man automatisch auf das Thema Zahnaufhellung im Rahmen der speziellen Anamnese und insbesondere bei der Frage, ob die Patienten mit ihrer Zahnsituation zufrieden sind.

Bartoschek: Der Zahnarzt oder die Dentalhygienikerin können es am besten ansprechen, aber das ganze Praxisteam sollte Fragen beantworten können oder sogar die Patienten auf ihre Zahnfarbe ansprechen. Printmaterialien in der Praxis, Videos in Wartezimmer oder Fragen auf dem Anamnesebogen sind sehr hilfreich, um das Interesse der Patienten für das Thema Zahnaufhellung zu wecken.

Hersteller bieten In-Office- und Home-Bleaching-Varianten an, was bevorzugen Sie?

Noack: Meine Patienten haben in der Regel einen konkreten Anlass, wenn sie nach einer Zahnaufhellung fragen. Daher biete ich praktisch ausschließlich eine Zahnaufhellung in der Praxis an, damit die Patienten nicht erst 14 Tage zu Hause eine Selbstbehandlung durchführen müssen.

Gibt es weitere Pluspunkte?

Noack: Die In-Office-Zahnaufhellung hat aus meiner Sicht die wesentlichen Vorteile, dass die Patienten keine Peroxide verschlucken können und dass die Weichgewebe abgedeckt sind. Auch wenn man mit feinsten wissenschaftlichen Verfahren den Einfluss des Sauerstoffs messen kann: Zahnaufhellung ist aus klinischer Sicht ungefährlich und sicher. Anders als das Blondieren beim Friseur ist auch bei mehrmaligen Zahnaufhellungen nicht mit klinisch relevanten Schäden in der Mundhöhle zu rechnen. Das Aufhellen mit der neuesten LED-Lampentechnologie erlaubt dazu auch ein effektives Resultat mit niedrigeren Peroxidkonzentrationen [Tavares et al., 2003], so dass auch mit weniger Nebenwirkungen zu rechnen ist [Giniger et al., 2005].

Da möchte ich kurz einhaken: Das Bleichen plus Applikation von Licht wurde in der Vergangenheit als für den Pulpabereich gefährlich erachtet. Ist das denn überholt?

Noack: Auf jeden Fall: Die einzige relevante unerwünschte Wirkung besteht nämlich in der Problematik der postoperativen Sensibilität, über die man wirklich überdeutlich aufklären muss.

Wir sagen unseren Patienten, dass sie bis zu vier Stunden nach der Behandlung mit einzelnen Schmerzblitzen rechnen müssen, was aber in keinem Fall zu einem dauerhaften Schaden führen wird. Vorteilhaft ist, ein Produkt mit Kaliumsalze im Idealfall vor und nach der Behandlung auf die Zähne aufzutragen, was zu einer Senkung der Depolarisationsschwelle der Nervenenden in der Pulpa führt, wie es auch im ZOOM Set enthalten ist. Frauen halten übrigens mehr aus als Männer. Zusammengefasst ist das Gefährlichste an einer Zahnaufhellung sicherlich der Weg mit dem Auto zur Zahnarztpraxis.

Gibt es wissenschaftliche Belege dafür?

Noack: Selbst 38 Prozent H2O2 mit Halogenlampe in vivo führen nicht zu Pulpaschäden [Kina et al]. LED-Lampen sind schonender als Halogenlampen, die einen höheren Infrarotanteil, sprich Wärme, abgeben. Allerdings bringen Lampen nichts für die Bleichwirkung bei hohen Konzentrationen von 38 Prozent. In vitro hängt das Messergebnis sehr von der korrekten Simulation ab. Eine aktuelle klinische Studie aus dem Jahr 2013 beweist, dass höhere Konzentrationen an Peroxiden mehr Sensitivität auslösen, die modernen Lampen aber o.k. sind.

Kurz: Die Kombination aus nicht hoch konzentrierten Peroxidgelen, 15 bis 25 Prozent, mit modernen LED-Lampen ist eine wirksame Kombination bei weniger Nebenwirkungen.

Zurück zum richtigen System, Herr Dr. Göttfert, Herr Dr. Schütte?

Göttfert: Unser Ärzteteam favorisiert seit Längerem die In- Office-Methode der Firma Philips. Wir haben mit diesem Produkt langjährige Erfahrung und können ein vorhersagbares Ergebnis garantieren. Anders als beim Homebleaching lassen sich eventuelle Risiken kontrollieren. Wir halten ein Homebleaching-System auch nicht für schonender, denn bei der In-Office-Methode werden empfindliche Bereiche wie beispielsweise die Zahnhälse abgedeckt und Hypersensitivitäten vermieden.

Schütte: Auch wir favorisieren dieses In-Office-Verfahren, Ich sehe die gleichen Vorteile wie Dr. Göttfert. Das Praxisteam hat den Prozess im Blick und kann je nach Bedarf den Patienten betreuen.

Liegt das In-Office-Bleaching im Trend bzw. ist das HomeBleaching out?

Bartoschek: Nein, viele Zahnarztpraxen bieten beide Varianten an. Zwar möchten viele Patienten gern ein sofortiges Resultat, das man nur mit der In-Office-Zahnaufhellung erzielen kann. Aber auch die Take-Home-Methoden bringen gute Ergebnisse. Und: Dieses Verfahren kann man auch zur Weiterbehandlung oder immer wieder zur Auffrischung einsetzten.

Kommen wir zu den Kosten: Zahnaufhellung ist eine Privatleistung, Richtschnur sind der Zeitaufwand und die Materialkosten.

Wie rechnen Sie ab?

Schütte: Wenn es sich bei der Zahnaufhellung um eine medizinisch notwendige Leistung handelt, wird nach § 6 Abs. 1 analog abgerechnet. Es wird eine „gleichwertige“ Leistung aus der GOZ mit einem „a“ als analog gekennzeichnet und entsprechend der Leistung mit Steigerungsfaktor abgerechnet – also keine pauschalen Beträge! Anders bei der kosmetischen Zahnaufhellung, diese wird als Verlangensleistung nach § 2 Abs. 3 und mit einem pauschalen Betrag abgerechnet.

Noack: Ich rechne pauschal als Analogleistung ab. Die Patienten erhalten dazu einen Kostenvoranschlag und können in Ruhe zu Hause überlegen, welche der angesprochenen Therapieoptionen favorisiert wird. Ein großer Teil der Patienten, die sich für eine Zahnaufhellung entscheiden, sind bereits seit Jahren bei mir in einem bedarfsorientierten Präventionsprogramm. Da ich nichts „verkaufe“ und keine Ratschläge gebe, sondern Informationen anbiete und gemeinsam mit meinen Patienten zu einer Therapieentscheidung komme, entstehen auch keine Probleme. Die Zahnaufhellung gilt heute als therapeutisches Mittel, auf das viele Patienten nicht mehr verzichten möchten. Nachteile aus der Anfangszeit des Bleachings sind behoben.

Wo sehen Sie noch Forschungsbedarf?

Noack: Der medizinische Nutzen der Zahnaufhellung muss in klinischen Studien präzise nachgewiesen werden. Das gilt aber auch für andere zahnmedizinische Therapien. Wir haben das Thema Zahnaufhellung zu lange denjenigen überlassen, die lediglich an kosmetischen Maßnahmen ein gewerbliches Interesse haben. Unbestreitbar ist es vorteilhaft, dass nun keine Produkte im Supermarkt zur kosmetischen Selbstbehandlung erhältlich sind, die in die Hände eines professionellen Praxisteams gehören. Allerdings können wir Zahnärzte auf Zahnaufhellungsprodukte, die über sechs Prozent Peroxide enthalten, nicht verzichten, ohne dass uns ein wichtiges schonendes Therapiemittel verloren geht.

Zusammenfassung

  • Externe, also aufliegende Verfärbungen lassen sich in der Regel mit professioneller Zahnreinigung und häuslicher Mundhygiene beherrschen.
  • Praktisch alle Patienten haben Fluorose oder remineralisierte kariöse Initialläsionen, sprich: White Spots. Zahnaufhellungen dieser Verfärbungen und Zahnentwicklungsstörungen sind medizinisch indiziert. Denn das Aufhellen ist weniger invasiv als andere Therapien.
  • Die ideale Aufhellungsstufe gibt es nicht, das ist patientenindivi‧duell. Eine Zahnfarbe heller als A1 ist aber die Ausnahme.
  • Das Aufhellen mit Unterstützung von LED-Lampen schädigt oder gefährdet die Pulpa nicht.
  • Eine aktuelle klinische Studie aus dem Jahr 2013 zeigt, dass höhere Konzentrationen an Peroxiden mehr Sensivität auslösen.
  • Es gibt eine breite Palette an Zahnaufhellungsprodukten. Rein wissenschaftlich betrachtet, existieren keine gravierenden Unterschiede hinsichtlich der Wirkung. Teams profitieren von übersichtlichen Trays pro Patient.
  • Die Kombination aus nicht so hohen Peroxidgelen, 15 bis 25 Prozent, mit LED-Lampen ist wirksam bei geringen Nebenwirkungen.
  • Zu den relevanten Nebenwirkungen zählt die Problematik der postoperativen Sensibilität, über die man intensiv aufklären sollte.
  • Kontraindiziert ist die Zahnaufhellung bei sehr jungen Patienten. Eine Altersgrenze nach oben existiert nicht.
  • Bei Jugendlichen sollte man abwägen, ob eine Zahnaufhellung nicht doch sinnvoll ist. In Ausnahmefällen kann man zum Beispiel den Zeitpunkt einer prothetischen Rehabilitation mit der Zahnaufhellung bis ins Erwachsenenalter hinauszögern.
  • Der medizinische Nutzen der Zahnaufhellung muss in klinischen Studien präzise nachgewiesen werden.
  • Unbestritten ist es vorteilhaft, dass nun keine Produkte im Supermarkt zur kosmetischen Selbstbehandlung erhältlich sind, die in die Hände eines professionellen Praxisteams gehören.

Wirkung von Bleaching

Die in Zahnaufhellungsgels enthaltenen Wirkstoffe sind Wasserstoffperoxid bzw. Carbamidperoxid. Sie reagieren während der Behandlung und erzeugen aktiven Sauerstoff. Dieser verändert dann im Zahnschmelz und Dentin die verfärbten Substanzen, so dass sie vom Licht anders reflektiert werden. Die Zahnstruktur wird dadurch nicht beeinträchtigt.

Neben den klinischen Parametern sind der Patientenkomfort und die Erwartungen des Patienten mit entscheidend. Bei In-Office- oder Chairside-Verfahren steht der Faktor Zeit an erster Stelle. Mit höher konzentrierten Mitteln bei der medizinischen Zahnaufhellung (25% H2O2) wird in der Regel schneller das gewünschte Aufhellungsergebnis erreicht – in einer Sitzung. Die Verfärbungen können durch Medikamente, Traumata oder andere Erkrankungen entstanden sein und unterliegen der medizinische Zweckbestimmung. Die Anwendung erfolgt nur in der Praxis.

Das eingesetzte LED-Licht reagiert direkt mit dem Eisengluconat im Zahnaufhellungsgel. Mittels Foto-Fenton-Reaktion wird das reaktive Eisen immer wieder erneuert, die Produktion der Hydroxylradikale fortgesetzt und das Aufhellungsergebnis wesentlich verbessert. Klinische Studien haben die Lichtwirkung dokumentiert. In einer aktuellen Studie zeigten sich um 40 Prozent bessere Aufhellungsergebnisse als bei einem Verfahren ohne Lichteinwirkung. Abhängig von der Zahnpflege hält das Ergebnis ein bis drei Jahre.

 Carol Bartoschek RDH
studierte „Dental Hygiene“ an der Universität Bridgeport in Connecticut, USA, und begann 2010 als Professional Relation Manager bei der Philips GmbH, Consumer Lifestyle. 1998 gründete sie die European Association of Regis‧tered Dental Hygienists e. V. (EARDH), deren 1. Vorsitzende sie aktuell ist.
Kontakt: carol.bartoschek@philips.com

 Dr. Florian Göttfert
ist niedergelassen in einer Gemeinschaftspraxis in Nürnberg. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die Ästhetische Zahnheilkunde, die Laserzahnheilkunde und die Endodontie. Der Master of Science Student an der RWTH Aachen – lasers in dentistry – ist DGL- und DGÄZ-Mitglied und als Autor/Referent aktiv.
Kontakt: goettfert@edelweiss-praxis.de

 Prof. Dr. Michael Noack
studierte Zahnheilkunde in Berlin und ist seit 1996 Lehrstuhlinhaber und Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Uniklinik Köln. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen vor allem in der Prävention, der Kariologie und der Interaktion zwischen systemischen und oralen Erkrankungen.
Kontakt: michael.noack@uk-koeln.de

 Dr. Peter Schütte
studierte Zahnmedizin in Göttingen und ließ sich 1995 in eigener Praxis in Frankfurt a. M. nieder. Mehr als 100 Fortbildungen lassen ihn selbst in komplexen parodontologischen, implantologischen und prothetischen Ausgangssituationen exzellente Ergebnisse erzielen.
Kontakt: mail@zahnarzt-schuette.com