Expertenzirkel

Trends in der Adhäsivtechnik

Adhäsivsysteme befinden sich bereits in der siebten Generation. Im Trend liegen derzeit Universaladhäsive. Sind aufwändige Drei-Flaschen-Systeme bald überflüssig? Sollte die Technikintensität der Haftvermittler weiter deutlich reduziert werden? Darüber diskutieren Fachleute aus Praxis, Hochschule und Industrie im aktuellen Expertenzirkel des DENTAL MAGAZINs.



Seit Einführung der Dentinhaftung wurden die Bondingtechniken zunächst einmal immer komplexer, zeitaufwändiger und fehleranfälliger. Vor einfachen Systemen wurde gewarnt. Ist nun alles anders?

Noack: Ich habe die Entwicklung ganz anders empfunden. Aus meiner Sicht wurde die Technik auch in der Vergangenheit nicht komplexer, sondern einfacher, sicherer und schneller.

Die häufigsten Misserfolge von Kompositen waren und sind aber nun einmal der Technikintensität von Adhäsiven geschuldet.

Noack: Das ist schon richtig. Aber erinnern wir uns doch einmal: Früher war es unter Androhung der Todesstrafe verboten, Dentin zu ätzen. Die Todesstrafe sollte dabei zum Glück nicht am Behandler vollstreckt werden, sondern sich bei der Pulpa zwangsläufig einstellen. Man muss wohl heute zu der Feststellung kommen, dass Konservativismus uns nicht wirklich weitergebracht hat.

Im Grunde ist es ein kleines Wunder, was die Chemiker bei der Dentalindustrie in den letzten 30 Jahren im Rahmen der Entwicklung von Adhäsiven vollbracht haben. Wer allerdings vor einfachen Systemen warnt, wünscht sich möglicherweise Komplexität zum Selbstzweck. Einfache Systeme sind auch grundsätzlich weniger fehleranfällig. Dies gilt insbesondere auch für Adhäsive.

30 Jahre Adhäsivtechnologie haben sieben Generationen von Schmelzdentin-Adhäsivsystemen hervorgebracht. Das Spektrum der unterschiedlichen Produkte ist breit. Wann greifen Sie zu welcher Flasche?

Hermeler: Wir verwenden zwei Systeme:

 Drei-Schritt-Etch-and-Rinse-Adhäsive für den ästhetisch anspruchsvollem Frontzahnbereich (siehe Fallbeispiel 1 und 2, Abb. 1 bis 5).

 Im Seitenzahnbereich und bei der adhäsiven, postendodontischen Aufbaugestaltung mit Glasfaserstiften kommt ein selbstätzendes Adhäsiv zum Einsatz, z. B. Futurabond DC. Hier nehme ich in den meisten Fällen schmelzbegrenzter Kavitäten zuvor eine selektive Enamel-Ätzung vor.

Aktuell drängen Universaladhäsive auf den Markt, die sich für direkte und indirekte Restaurationen und für chemische, lichthärtende und dual-härtende Füllungsmaterialien ohne Einschränkungen eignen sollen. Wann setzen Sie solche Varianten ein?

Hermeler: Universaladhäsive bieten in der Tat breit gefächerte Anwendungsmöglichkeiten:

  •  selbstätzend ohne Phosphorsäure-Ätzung,
  •  selektiv nur den Schmelz mit Phosphorsäure ätzend oder
  •  als Total Etching.

Das von VOCO zum Testen zur Verfügung gestellte Universaladhäsiv Futurabond U wurde von mir bereits in den verschiedenen Indikationsgebieten erfolgreich eingesetzt.

Damit sind Mehr-Flaschen-Systeme Schnee von gestern?

Johann: Im Grunde ja. Das Indikationsspektrum eines Universaladhäsivs ist einfach umfassend. Futurabond U kann nicht nur einen Verbund zur Zahnhartsubstanz, sondern auch zu Komposit, Metall und Keramiken, Zirkoniumdioxid schaffen.

Entscheidet sich der Zahnarzt also für ein Universaladhäsiv, kann er auf alle anderen Bonding-Systeme verzichten?

Johann: Richtig! Diese einfachen Systeme sparen zudem Zeit und reduzieren mögliche Anwendungsfehler. Dabei sind sie ebenso zuverlässig und haftstark wie herkömmliche Mehr-Schritt-Adhäsive.

Neben guten Haftwerten möchten wir es mit unserem neuen Universaladhäsiv Futurabond U dem Zahnarzt so einfach wie möglich machen, verschiedene klinische Situationen mit der Anschaffung von nur einem Adhäsiv-System zu behandeln. Ob nun die Self-Etch-Technik oder durch zusätzliche Phosphorsäureätzung auch die Selective-Etch- oder Total-Etch-Technik angewendet wird, obliegt dem Zahnarzt und der klinischen Situation.

Futurabond U ist neben allen lichthärtenden Kompositen auch mit chemisch oder dualhärtenden Kompositen kompatibel, und das ohne Hinzumischen eines zusätzlichen Aktivators.

Prof. Noack, bei aktuellen Produkteinführungen geht es immer wieder vor allem um Zeitgewinn …

Noack: Und das ist gut so. Denn neben dem einfachen Handling ist die Minimierung der Behandlungszeit der wichtigste Prozessfaktor, sowohl aus der Sicht der Patienten als auch der Behandler. Patienten wünschen zügig behandelt zu werden, Praxisinhaber müssen verweigerte Honoraranpassungen durch Steigerung der Produktivität kompensieren und die Krankheit Karies konzentriert sich eher auf sozial schwache Patienten.

Je kürzer die Behandlungszeit, desto besser für den Zahnarzt. Aber auch für den Patienten?

Noack: Auf jeden Fall auch für den Patienten. Solange wir ca. 10 bis 15 Prozent der Patienten mit unserem Versorgungssystem nicht regelmäßig erreichen, sollten wir über schnellere, angenehmere und sozial verträglichere Zahnmedizin weiter nachdenken. Nur so erreichen wir diese Klientel. Zahnärzte müssen aber auch einfach darauf drängen, die Behandlungsmaßnahmen dank innovativer Medizinprodukte in kürzerer Zeit durchzuführen. Ein schnelles Produkt kann dabei auch ruhig etwas mehr kosten. Natürlich darf dies nicht zu Lasten der Ergebnisqualität gehen.

Sparen Sie mit der richtigen Adhäsivtechnik Zeit, Herr Dr. Hermeler?

Hermeler: Über Zeiteinsparpotenzial ohne Qualitätsverlust kann meiner Ansicht nach eher im Bereich BulkFill-Technik nachgedacht werden. Eine solide Adhäsivtechnik ist eine Conditio sine qua non für bestmögliche Ergebnisse. Die von den Herstellern angegebenen Einwirkzeiten in der Dentinkonditionierung sind als verbindliche Mindesteinwirkzeiten zu betrachten und sollten in der Praxis eher verlängert werden. Die hier investierte Zeit ist gut angelegt.

Frau Dr. Johann, auch VOCO wirbt mit dem Argument Zeitersparnis für das Universaladhäsiv …

Johann: Der Zeitgewinn stellt bei Produkteinführungen sicherlich einen wichtigen Aspekt dar. Die Arbeitszeit des Zahnarztes ist wertvoll und wenn bei der Anwendung eines Adhäsivs Zeit eingespart werden kann, umso besser. Der Bonding-Schritt ist allerdings für die Langlebigkeit einer Komposit-Restauration zu wichtig, als dass hier der Faktor Zeitgewinn allein im Vordergrund stehen sollte. Einige Sekunden mehr für den zuverlässigen adhäsiven Verbund sollten kein Thema sein, zumal die modernen Systeme generell sehr zeitsparend in ihrer Anwendung sind.

Welche Kriterien muss auch ein einfaches, schnelles Adhäsivsystem zwingend erfüllen?

Noack: Die Gesundheitsökonomen fordern eine intelligente Ressourcenallokation, wonach – vereinfacht gesagt – nur noch Honorare bezahlt werden sollen, wenn der Patient dank der Therapie länger lebt bzw. die Krankheit länger abwesend ist. Umgekehrt heißt dies für uns auch, dass wir keine Kriterien erfüllen sollten, die nicht beweisgestützt die Lebensdauer der behandelten Zähne verlängern. Insofern muss der Einsatz von Adhäsiven zu Restaurationen führen, die mindestens so haltbar sind wie der sozial akzeptierte Standard, das heißt die Lebensdauer von Amalgamfüllungen. Neuere Meta-Analysen zeigen, dass dies selbst im Seitenzahnbereich von vielen Adhäsivsystemen problemlos geleistet wird.

Hermeler: Für mich ergibt sich eine praxisrelevante Vereinfachung in der Adhäsivtechnik, wenn ein System für alle Applikationstechniken, sprich total, selektiv und Self Etch, zur Anwendung kommt. Die Dualhärtung ist für weniger gut lichtzugängliche Bereiche sinnvoll. Eine gewisse Dentin-Feuchtigkeitstoleranz macht die Anwendung durch den Wegfall von Rewetting-Maßnahmen unkomplizierter. Unabdingbar für jedes Adhäsiv ist eine ausreichend hohe Haftkraft an Schmelz und Dentin. Hier steht die Industrie mit entsprechenden Studien in der Pflicht. Als Praktiker möchte ich nicht auf die einfache und hygienische Einmal-Applikationsform verzichten.

Was sagen Sie als Diplomchemikerin, Frau Dr. Johann?

Johann: Jedes Adhäsivsystem muss zwingend den zuverlässigen Verbund zwischen der Zahnhartsubstanz und dem Füllungskomposit sicherstellen. Erreicht werden kann das nur durch eine gute Ätzwirkung, um ein mikromechanisches Retentionsmuster zu erhalten. Das Adhäsiv sollte ein gutes Benetzungsverhalten zeigen, um perfekt in das durch das Ätzen geschaffene Retentionsmuster anfließen zu können. Im Falle einer Dentinätzung muss zudem das freigelegte Kollagenfasergeflecht durch das Adhäsiv durchdrungen sein und die Zapfenbildung in den Dentintubuli stattfinden, um das Auftreten von postoperativen Hypersensitivitäten zu verhindern. Jeglicher Kompromiss bei dieser Kernforderung ginge zu Lasten des Ergebnisses und damit zu Lasten des Patienten.

Etch-und-Rinse-Systeme stellen sicherlich den Goldstandard dar. Sind Single-Bottle-Systeme in puncto Haftung, Dichtigkeit und postoperativen Hypersensitivitäten mit Mehr-Flaschen-Systemen vergleichbar? Was sagen Sie, Prof. Noack?

Noack: Ja, etliche Studien und einige Meta-Analysen haben gezeigt, dass selbstätzende Systeme nur unwesentlich schlechter abschneiden hinsichtlich der Überlebensrate als Etch-and-Rinse-Adhäsive, die sicherlich noch den Goldstandard darstellen.

Im Praxisalltag ist es für mich übrigens nicht so wichtig, wie viele Flaschen ich aus der Schublade holen lasse, sondern ob ich den Schmelz ätzen und absprühen muss oder nicht.

Wie gehen Sie in Ihrer Klinik/Praxis vor?

Noack: Wir bieten beides an: eine wirtschaftliche Grundversorgung mit selbstätzenden Adhäsiven und eine aufwändigere Füllungstechnik, die auch eine höhere Zuzahlung erfordert. Die rechtlich geforderte Gewährleistungsdauer von zwei Jahren wird von allen Materialien problemlos erfüllt.

Hermeler: Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Futurabond DC und dem neuen Universalbond U von VOCO gemacht. In beiden Systemen werden zwei Komponenten durch einfachen Druck vermischt und im Anschluss auf die Kavitätenfläche einmassiert.

Durch die SingleDose-Technik ist die Applikation nicht aufwendiger als die sogenannter „One-Bottle“-Systeme. Studien zeigen bessere Messwerte für Bonding-Systeme, in denen Komponenten gemischt oder nacheinander aufgetragen werden, als für sog. „Single-Bottles“ ohne Mischen.

Futurabond DC und das Universalbond sind dualhärtend und können somit ohne zusätzlichen Aktivator auch in der adhäsiven Befestigung von Glasfaserstiften und bei der Befestigung indirekter Restaurationen eingesetzt werden. Bei der Versorgung tiefer und ausgedehnter Dentinläsionen und der Verwendung reiner Etch-and-Rinse-Adhäsive steigt durch ein nicht oder unzureichend durchgeführtes Rewetting die Gefahr postoperativer Hypersensibilitäten.

In diesen Fällen benutzen wir ein Self-Etch-Bonding und umgehen damit die für Patient und Behandler unangenehme „Nanoleakage“-Folge durch Kollagenfaserkollaps. In der Praxis hat sich diesbezüglich das neue „Universaladhäsiv“ Futurabond U gleichermaßen bewährt.

Der zusätzliche Vorteil dieses Bonding-Systems anders als bei bisherigen Self-Etch-Produkten: Bei selektiver Schmelz- und versehentlicher Dentin-Ätzung verschlechtern sich die Haftwerte nicht, anders als bei reinen Self-Etch-Produkten in diesem Fall.

Ein-Flaschen-Systeme sind also etabliert und haben sich in der Praxis behauptet?

Johann: Exakt, würden diese nicht wie Mehr-Flaschen-Systeme eine ausgezeichnete Haftung und Dichtigkeit aufweisen, wäre das sicherlich nicht der Fall (Blunck 2008, Torres 2011, 2012). Der Markt hätte – wie bei allen schlechten Produkten – längst reagiert und die Produkte wären unverkäuflich.

Bereiten postoperative Hypersensibilitäten Probleme, gibt es einen Unterschied?

Johann: Auch hier schneiden die Ein-Flaschen-Systeme mindestens so gut ab wie Mehr-Flaschen-Systeme, denn es gibt bei deren Anwendung kein „Over-Etching“.

Der Ätzschritt wird durch das Adhäsiv selbst limitiert und verläuft milder als bei der separaten Anwendung von Phosphorsäure.

Der oft unterschätzte Spülschritt zum Entfernen der Phosphorsäure entfällt bei den Ein-Flaschen-Systemen, zudem verbleibt keine Restsäure auf der Zahnsubstanz mit nachteiligen Folgen für die weiteren Arbeitsschritte.

Lassen sich durch den Gebrauch einer SingleDose aufgrund geringerer Technikintensität Verarbeitungsfehler/Behandlungsfehler ausschließen?

Hermeler: Der Gebrauch einer SingleDose ist so ideal wie simpel (Abb. 6). Das Mischungsverhältnis beider Flüssigkeiten wird bei jeder Anwendung exakt eingehalten, das ist bei Flaschensystemen nicht immer gegeben, der Druck beim Austropfen und der Füllstand der Flaschen spielen hier eine Rolle. Die Handhabung der SingleDose ist im Praxisalltag völlig problemlos, die Einmalverwendung ist hygienisch, einfach und sicher.

Noack: Diese vereinfachten Adhäsivsysteme eignen sich vor allem für schwierige klinische Situationen, z. B. für die Kinderbehandlung oder für die Behandlung von älteren Patienten. Diese Situationen lassen sich nicht so standardisieren, dass randomisierte Studien möglich sind. Anhand der Streuung der Resultate von In-vitro-Versuchen kann man aber bei einigen Produkten indirekt auf eine geringere Fehlerrate schließen.

Wie sieht es mit Verarbeitungsfehlern aus?

Johann: Die lassen sich natürlich nie ganz ausschließen. Wenn ein Anwender die Gebrauchsinformation nicht befolgt oder seine eigene Methode anwendet, besteht selbst bei dem Gebrauch der SingleDose die Gefahr von Anwendungsfehlern. Als Hersteller sind wir aber bestrebt, dem Anwender ein Produkt anzubieten, das so wenig fehleranfällig wie möglich ist.

Nennen Sie bitte weitere Vorteile des Einzel-Dosis–Prinzips.

Johann: Die SingleDose, in der auch unser top-aktuelles Adhäsiv-System Futurabond U angeboten wird, minimiert durch die reduzierte Anzahl von Arbeitsschritten Anwenderfehler. Die Vorteile gegenüber Ein- oder Mehr-Flaschen-Systemen liegen auf der Hand. Kreuzkontaminationen werden verhindert, da für jeden Patienten ein neuer Blister verwendet wird. Das Verdampfen des Lösungsmittels ist nicht möglich, da die SingleDose erst kurz vor der Behandlung geöffnet wird. Mischfehler, die bei Mehr-Flaschen-Systemen leicht auftreten können, gehören auch der Vergangenheit an. Durch die Aktivierung der hinteren Kammer wird die Flüssigkeit in die vordere Kammer gepresst und die beiden Flüssigkeiten sind im exakten Mischungsverhältnis vereint. Auch der Dental Advisor war 2009 dieser Meinung und bewertete die Single-Dose-Applikation von Futurabond DC mit fünf von fünf Sternen. Dabei überzeugte das Produkt die Testzahnärzte des Dental Advisors neben dem zeitsparenden Vorgehen auch durch eine gute Konsistenz bezüglich der Viskosität und des Benetzungsverhaltens. Außerdem gefielen den Anwendern die kompakte Verpackungsform, die leichte Aktivierbarkeit, die adäquate Füllmenge im Blister und die anwenderfreundliche Lagerung bei Raumtemperatur.

Der Erfolg in der Adhäsivtechnik ist nur zu 40 Prozent vom Material bestimmt, aber zu 60 Prozent von der richtigen Anwendung. Das erklärte Prof. Dr. Roland Frankenberger noch vor einigen Jahren provokant auf Fortbildungsveranstaltungen.

Noack: Im Prinzip ist das völlig richtig, obwohl man über den relativen Anteil spekulieren kann. Der Kollege Frankenberger hat sich aber mit diesem Statement nicht nur auf die eigene Erfahrung, sondern auch auf eine Publikation der Genfer Arbeitsgruppe bezogen, die das erstmals in einer Studie belegt hat [Ciucchi et al., 1997]. Glaubt wirklich irgendjemand, dass es für das OP-Resultat eines Chirurgen wichtig ist, welche Firma sein Skalpell herstellt? Die Frage für jeden einzelnen Zahnarzt muss daher eher lauten: Liegen meine persönlichen Misserfolgsquoten in einem Bereich, wie er in der Literatur dokumentiert ist? Wenn die Misserfolge höher sind, muss man nach individuellen Ursachen fahnden und kann dabei auch an ein besseres Adhäsiv denken. Wer wirklich eine gute Qualität anstrebt, muss daher die Resultate der häufigsten Therapieformen systematisch in der Praxis erfassen, um daraus zu lernen.

Geschick und Sorgfalt des Zahnarztes sind also ausschlaggebend?

Hermeler: Absolut, ein Bonding-Material kann nur so gut sein wie die Gewissenhaftigkeit des Zahnarztes in der Anwendung der Systemkomponenten. Die Gebrauchsanweisung zu einem Adhäsivsystem ist eine Pflichtlektüre für jeden Anwender. Das Adhäsiv kann nur sein volles Wirkpotenzial entwickeln, wenn es absolut korrekt verarbeitet wird.

Zahnärzte haben einen enormen Anspruch an sich selbst und an ihre Arbeit …

Johann: Manchmal führt das sogar in die falsche Richtung. Als Beispiel nenne ich Desinfektionslösungen, die in der Endodontie sinnvoll sind, aber in der adhäsiven Zahnheilkunde Probleme bereiten. Der Grund: Natriumhypochlorit (NaOCl) oder auch Wasserstoffperoxid (H2O2) reduzieren die Haftkraft von Adhäsiven an der Zahnhartsubstanz beträchtlich und stellen im Vorfeld der Anwendung der Adhäsivtechnik ein echtes Problem dar. Die Idee der Kavitätendesinfektion steht hier in krassem Widerspruch zu der erfolgreichen Anwendung der adhäsiven Füllungslegung.

Kommen wir zum von vielen wenig geliebten Spanngummi. Ist Kofferdam für die erfolgreiche Anwendung der Adhäsivtechnik ein Muss?

Noack: Kofferdam wird zwar immer wieder gefordert, aber der Nutzen konnte in wissenschaftlichen Studien bisher nicht überzeugend belegt werden. Dazu müsste in einer randomisierten klinischen Studie unter Praxisbedingungen gezeigt werden, dass unter Kofferdam gelegte Füllungen länger halten.

Nun hat aber eine aktuelle Meta-Analyse gezeigt, dass Seitenzahnfüllungen dank Kofferdam länger halten [Heintze and Rousson, 2012].

Noack: Ja, allerdings wurden dort vor allem publizierte klinische Studien zusammengefasst, die eher unter Idealbedingungen als unter praxisüblichen Bedingungen abliefen.

Die Frage ist daher meiner Meinung nach nicht, ob Kofferdam gelegt wird oder nicht, sondern wie viel Aufwand notwendig ist, damit die „Suppe“ nicht in die Kavität läuft. Für eine Behandlung des gesamten Quadranten spart man sicher Zeit und Aufwand, wenn man das Behandlungsfeld mit Kofferdam isoliert. Kompliziert ist übrigens alles, was man ganz selten macht.

Die Zukunft von Kofferdam sehe ich daher eher darin, die Vorteile für Behandler und Patient in den Vordergrund zu stellen.

Und die wären?

Noack: So konnten meine Kollegen aus Bern aktuell sehr schön zeigen, dass z. B. Kinder bei der Behandlung unter Kofferdam weniger Stress empfinden [Ammann et al., 2012]. Kofferdam ist vielleicht eher ein Produkt, das die Behandlung für beide Seiten angenehmer macht.

Stimmen Sie zu, Herr Dr. Hermeler?

Hermeler: Ja, es kommt nicht primär auf die Art der Trockenlegung an, sondern auf eine sichere Blut- und Speichel-Kontaminationsvermeidung. Bei entsprechender Lage und Ausdehnung der Füllung kann durch eine korrekte Teilmatrizen- und Keil-Technik eine suffiziente Abdichtung der Kavität erreicht werden. In vielen Fällen ist die Trockenlegung mit Kofferdam – vor allem im unteren Molarengebiet – die einfachere und effizientere Technik.

Was sagen Sie, Frau Dr. Johann?

Johann: Kofferdam ist die Methode der Wahl für die absolute Trockenlegung. In der letzten Zeit sind Untersuchungsergebnisse veröffentlicht worden, die die relative Trockenlegung zumindest nicht mehr als vollständig obsolet darstellen. Wie viele Zahnärzte keinen Kofferdam verwenden und trotzdem erfolgreich Füllungen mit der Adhäsivtechnik legen, wäre interessant zu erfahren. In der Medizin, auch in der Zahnmedizin, gilt die Regel „wer heilt, hat recht“. Ich glaube, dass es zu weit geht, das Legen einer Füllung ohne Kofferdam als Behandlungsfehler zu bezeichnen. Ein eingespieltes Team aus Behandler und Assistenz mit genauer Kenntnis der angewendeten Produkte und Methoden wird auch mit relativer Trockenlegung ausgezeichnete Ergebnisse erzielen. Es gilt wieder, je schneller und einfacher das Behandlerteam arbeiten kann, desto weniger Kontamination ist bei „lediglich“ relativer Trockenlegung möglich. Und genau hier kommt wieder das „einfache“ Bonding-System ins Spiel. Für die Applikation von Futurabond U mittels SE-Technik werden lediglich 35 Sekunden benötigt, es ist somit schnell, einfach und sicher anzuwenden, was bei relativer Trockenlegung entscheidende Faktoren sind.

Prof. Noack, Adhäsivtechnik heute und morgen – wie lauten Ihr Fazit und Ihre Prognose?

Noack: Wir müssen uns grundsätzlich von dem Gedanken lösen, Adhäsive seien dazu da, zu verhindern, dass die Füllung herausfällt. In Wirklichkeit sichern Adhäsive den klinischen Erfolg der Restauration vor allem dadurch, dass das Dentin und insbesondere das kariös veränderte Dentin versiegelt wird. Mit welchem chemischen oder biochemischen Verfahren wollen denn die Bakterien durch eine polymerisierte Hybridschicht hindurch kommen? Mit Milchsäure? Adhäsive sorgen für eine sichere Barriere und schützen die Pulpa vor weiteren Folgen des kariösen Angriffs. Daher versorge ich kariöse Läsionen, wo immer es möglich ist, ausschließlich mit Adhäsivtechnik.

Zusammenfassung:

  • Das Indikationsspektrum der neuen Universaladhäsive ist breit: Nicht nur der Verbund zur Zahnhartsubstanz wird geschaffen, sondern bis zu einem gewissen Grad auch zu Komposit, Metall und Keramiken.
  • Noch stellen die Etch-and-Rinse-Systeme den Goldstandard der Adhäsivtechnik dar. Doch etliche Studien zeigen, dass selbstätzende Systeme hinsichtlich der Überlebensrate kaum schlechter abschneiden.
  • Ein-Flaschen-Adhäsive haben sich etabliert und in der Praxis behauptet. In puncto postoperative Hypersensibilitäten schneiden sie mindestens so gut ab wie Mehrflaschen-Varianten. Entscheidender Vorteil: Es gibt kein „Over-Etching“.
  • Neben dem einfachen Handling ist die kürzere Behandlungszeit einer der wesentlichen Pluspunkte einfacher Systeme.
  • SingleDose-Systeme wiederum gelten als sicherer als One-Bottle-Variantenn, sind allerdings auch teurer. So entfallen etwa Mischfehler, Keuzkontaminationen werden verhindert. 
  • Kofferdam ist für die erfolgreiche Anwendung der Adhäsivtechnik kein Muss. Bestimmte Patientengruppen empfinden die Behandlung unter Kofferdam aber als entspannter. Das gilt vor allem für Kinder wie aktuelle Untersuchungen belegen. 
  • Adhäsive schützen die Pulpa vor den Folgen des kariösen Angriffs. Sie dienen nicht allein der Haftung.