Expertenzirkel

Digitaler Workflow in der Zahnarztpraxis

Über kurz oder lang werden sich digitale Prozesse in sämtlichen Bereichen der Zahnmedizin durchsetzen. In diesem Punkt sind sich alle Experten einig. Die Vorteile liegen auf der Hand: Fehlerquellen reduzieren sich, die Kommunikation zwischen Zahnarzt und Zahntechniker und der Workflow verbessern sich erheblich. Der Anfang ist bereits gemacht. Doch nach wie vor ist der Beratungsbedarf enorm. Rechnet sich der Umstieg von analog zu digital wirklich? Wo hapert es noch? Das diskutieren Fachleute aus Praxis, Hochschule und Fachhandel.



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Der Trend zum digitalen Workflow scheint klar, doch der Einzug der optischen Abformung in die Praxis kommt nicht richtig in Schwung. Warum?

Reinstein: Die höheren Anschaffungskosten für digitale Systeme lassen sich nicht immer adäquat auf die zahnärztlichen Leistungen umlegen. Das nimmt so manchem die Lust, sich mit den neuen technischen Möglichkeiten zu befassen. Dazu kommt die knappe Zeit im Praxisalltag. Vor allem Zahnärzte in Einzelpraxen zögern deshalb, mit neuen Systemen zu experimentieren.

Mehl: Der digitale Workflow im eigentlichen Sinne, also das dreidimensionale Scannen der intraoralen Situation und das anschließende Versenden der Daten an das Labor, macht nur Sinn, wenn bei einem der folgenden Punkte ein entscheidender Vorteil gegenüber der herkömmlichen konventionellen Abformtechnik vorliegt:

  • Wirtschaftlichkeit,
  • Zeitersparnis,
  • eindeutige Verbesserung in der Qualität und/oder
  • Zusatznutzen.

Beim derzeitigen Stand ist das für die „normale“ Praxis noch bei keinem der Punkte richtig erfüllt. Es fehlt die Integration in den Praxisablauf mit entsprechenden Dokumentationsmöglichkeiten. In den nächsten Jahren dürften dazu aber die entscheidenden Schritte bei der Weiterentwicklung der intraoralen Scansysteme umgesetzt werden. Das ist bereits jetzt abzusehen.

Erst in den nächsten Jahren? Vergrault man damit nicht potenzielle „Umrüster“?

Herzog: Der Schlüssel liegt in einer besseren Information potenzieller Nutzer über die bereits bestehenden Möglichkeiten der Anwendung und des Workflows. Die Vorteile, die in dieser Technologie stecken, muss der Behandler erkennen. Dieser Aufgabe stellen wir uns speziell in unseren Beratungen, Fortbildungsveranstaltungen und Workshops innerhalb unseres ConnectDental-Konzepts.

Liegen offene Systeme im Trend?

Dotzauer: Ja, sowohl in den Praxen als auch in den Laboren. Offene Systeme bei Intraoralscannern, neue Schnittstellen zum Labor und die digitale Fertigung in Fräszentren haben neue Möglichkeiten geschaffen, die sinnvolle Arbeitsteilung von Zahnarzt und Zahntechniker beizubehalten und dennoch digital abzuformen. Damit wird das Scannen interessanter.

Auch für den „normalen“ Zahnarzt?

Dotzauer: Ja, es sind nicht mehr nur die „Fans“, die sich für digitale Konzepte begeistern, sondern auch die Generalisten, die modern und zukunftsorientiert arbeiten und zudem am traditionellen Berufsbild von Zahnarzt und Zahntechniker festhalten.

Herzog:  Die Umstellung von analog auf digital sollte ein Zusammenspiel von Zahnarzt und Zahntechniker sein.

Die Nutzung eines intraoralen Scanners allein löst nur den reinen Abformprozess ab. Datenübertragung, Datenkompatibilität und Fertigungsmöglichkeit der gewählten Laborpartner müssen darauf abgestimmt sein. Kurz: Es gilt den gesamten Prozess unter mehreren Beteiligten sicherzustellen.

In den Laboren ist die Digitalisierung weiter vorangeschritten als in den Praxen. Wie ist das zu erklären?

Mehl: Der Zusatznutzen eines CAD/CAM-Systems war schon von Anfang an klar: Nur mit solch einem neuen Verfahren konnte das zahntechnische Labor Werkstoffe wie Zirkonoxid oder auch andere Keramiken sinnvoll verarbeiten und seinen Kunden anbieten. Da sich auch Mess- und Frästechnologie einfacher unter den Bedingungen des Labors umsetzen ließen, waren die Prozesse auch schon früher ausgereift, so dass inzwischen in puncto Wirtschaftlichkeit, Zeitvorteil und Qualität die konventionellen Prozesse kaum noch mithalten können. Da die technische Umsetzung von Systemen für die Vermessung im Mund und die direkte Anwendung in der Praxis deutlich anspruchsvoller ist, stehen wir hier erst am Anfang dieser Entwicklung.

Dotzauer: Die Digitalisierung im Labor lässt sich deutlich einfacher realisieren als in der Zahnarztpraxis. Intraoralscanner können nur mit großem Aufwand mit Scannern im Laborbereich qualitativ Schritt halten. Die Herstellung einer digitalen Abformung im Mund ist sehr viel schwieriger als das Scannen eines Modells. Ich gehe jedoch davon aus, dass dies eine Frage der Zeit und der zur Verfügung stehenden Technologie ist. Vergleichen Sie nur die CEREC-Systeme der ersten Generation mit der heutigen Technik. Dazu kommt: Die Digitalisierung bringt in der Zahntechnik deutliche Qualitätsverbesserungen und hat das Arbeiten mit den modernen Werkstoffen erst ermöglicht.

Wie stehen Zahntechniker zur digitalen Abformung durch den Zahnarzt? Welche Erfahrungen machen Sie hier als eines der größten Dentaldepots?

Herzog: Die Einbindung intraoraler Scandaten wächst mit der Anzahl der Nutzer auf Zahnarztseite. Viele Labore haben erkannt, dass sie die technische Entwicklung unmittelbar beeinflussen, und sie in der Bereitstellung der technischen Ressourcen zur Nutzung eines digitalen Workflows durchaus auch eine Vorreiterrolle haben. Sie schaffen die Möglichkeiten dazu und nutzen dabei auch unsere Kompetenz, ihre Zahnärzte durch In-House-Veranstaltungen über die neuen Möglichkeiten und Chancen der Zusammenarbeit zu informieren.

Könnte man nicht auch einfach die Abdrücke einscannen?

Herzog: Das Einscannen der Abdrücke ist sicher eine Variante, um in Praxis und Labor einen Einstieg in den digitalen Workflow zwischen Praxis und Labor zu finden, es kann in puncto Indika‧tionsvielfalt mit den intraoralen Scannern jedoch nicht mithalten. Und: Für den Patienten geht der Komfort der Abformung ohne Einsatz eines Abdrucklöffels natürlich verloren.

Warum fällt die Umstellung von der analogen zur digitalen Abformtechnik Zahnärzten immer noch so schwer?

Mehl: Es handelt sich um eine nüchterne Abwägung der Zahnärzte. Sie sehen derzeit einfach keine Notwendigkeit und auch keinen Vorteil darin, den digitalen Workflow in den Praxisalltag zu integrieren.

Fehlt bei den Zahnärzten der „Leidensdruck“?

Herzog: Das könnte sein. Schließlich lassen sich mit konventioneller Technik sehr gute, ästhetische und präzise Versorgungen erstellen. Verbunden mit notwendiger Umstrukturierung des bewährten Workflows, Schulungs- und natürlich auch Investitionsbedarf wird schnell klar, dass nicht sofort jeder auf den berühmten neuen Zug aufspringt. Dazu müssen die Vorteile, die sich aus dem digitalen Workflow für alle Beteiligten ergeben, klar herausgearbeitet und ersichtlich gemacht werden. Die Möglichkeiten eines optimierten Workflows mit dem Hauptziel der Steigerung von Qualität, Wirtschaftlichkeit und Patientenkomfort lassen sich dabei am besten mit Referenzen schon realisierter Projekte vermitteln.

Ihr Tipp?

Herzog: Umfassende Beratung, die alle notwendigen Bestandteile umfasst, ausgehend von einer Bestandsanalyse über die Zielstellung, die direkt zum individuellen Konzept zwischen Zahnarztpraxis und Labor führt. Sind dabei alle Beteiligten von Anfang an involviert, ist das sicher die beste Variante und Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung.

Herr Reinstein, Sie haben sich bereits vor mehr als fünf Jahren für die Umstellung von analog auf digital entschieden. Wie haben Sie die bewältigt? Gab es besondere Hürden?

Reinstein: Ganz einfach war es nicht. Der erste Umgang mit einem Intraoralscanner wirkte auch auf mich nicht gerade wie eine Arbeitserleichterung. Ich nenne nur die oftmals sehr schwierigen Lichtsituationen und das gefühlvolle Einpudern. Die Geräte waren zunächst einmal unhandlich. Die Hygienemöglichkeiten – Desinfektion, Sterilisation – ließen und lassen teilweise zu wünschen übrig. Dazu kommen die vergleichsweise hohen Kosten, Abformmasse ist einfach deutlich günstiger. Auch die Abrechnungsverfahren sind nicht ohne.

Hat sich der Umstieg gelohnt?

Reinstein: Definitiv: Nach meiner anderthalbjährigen Nutzungserfahrung mit der CEREC AC Omnicam von Sirona unter vollständigem digitalem Workflow wurden zum Beispiel die Kosten für Abformmassen drastisch reduziert.

Werden Sie eventuell bald ganz auf Abformmasse verzichten?

Reinstein: Nein, bei der Funktions- und Überabformung, also etwa für Teleskopprothesen, muss es die konventionelle Abformung sein. Da hilft die Übergangstechnologie, herkömmlich abformen, Modelle scannen …

Das wird doch seit Langem umgesetzt.

Reinstein: Das stimmt, und solche Übergangstechnologien bringen Vorteile vor allem für die Labore. Bis auf die genannten Ausnahmen favorisiere auch ich den volldigitalen Workflow. Das nutzt dem Patienten und der Praxis am meisten.

Inwiefern?

Reinstein: Die Qualität verbessert sich, die Kosten sinken, denn:

  • Die Technikrechnung ist deutlich reduziert, Kosten für Transport, Modellherstellung, für Spezialmodelle, für Einartikulation bei Kronen und Brücken entfallen.
  • Direkte Wege und die schnelle Reproduzierbarkeit bei Miss‧erfolgen verkürzen die Wartezeiten.
  • Das Restaurationssngebot lässt sich wie in meiner Praxis um Veneers, Dauerprovisorien aus gefrästen PMMA-Kunststoffen, metallfreie Restaurationen, Einzelkronen, Brücken, abnehmbare Brücken, Teilkronen, Inlays, Abutments und Suprakonstruktionen, metallfreie Primärteleskope und feste Geschiebeteile erweitern.

Wie sehen Sie das, Herr Dotzauer?

Dotzauer: Ähnlich, natürlich kann man als Übergang herkömmlich abformen und das Modell scannen. So arbeiten wir ja heute bereits Tag für Tag. Fakt ist:

  • Digitale Konstruktionen über spezielle CAD-Programme bieten grundsätzlich Vorteile, egal ob nur das Modell gescannt oder intraoral abgeformt wird. Denn:
  • Ein Übermodellieren der Kronenränder kommt so nicht mehr vor. Denn digitale Konstruktionen lassen sich live zwischen Zahnarzt und Zahntechniker besprechen.
  • Die Restaurationen werden aus homogenen, industriell gefertigten Rohlingen hergestellt.
  • Dies führt zu einer höheren Biokompatibilität und besseren Qualität.

Auch beim Röntgen läuft noch längst nicht alles digital. Die Hälfte der Zahnärzte röntgt nach wie vor analog. Worauf führen Sie das zurück, Herr Reinstein?

Reinstein: Unter anderem auf die sehr haltbaren analogen Altgeräte mit überschaubaren Reparaturen und Nachfolgekosten. Für das Auswechseln eines Sensors zahlt man locker 8000 Euro. Und: Neue Geräte setzten Praxisnetzwerke voraus, die die komplexe Sicherung der Daten über Jahre garantieren.

  • Alle Bilder müssen nachweisbar und auffindbar archiviert werden. Denn auch Datenspeicher verlieren unter Umständen Informationen.
  • Darüber hinaus fehlen finanzielle Anreize, Altgeräte durch Neuanschaffungen zu ersetzen. Das digitale Röntgen ist quasi ein „Hobby“ der durchführenden Zahnärzte und wird aus Überzeugung angewendet. Die Kosten für den Mehraufwand muss der Zahnarzt anderweitig erwirtschaften.

Wird sich in diesem Bereich die weitere Digitalisierung erst durchsetzen, wenn die nächste Zahnärztegeneration an den Start geht?

Herzog: Moderne Technik wird nicht unmittelbar nur von jüngeren Zahnärzten genutzt. Eine Röntgenausrüstung gehört zur Standardausstattung einer Zahnarztpraxis. Eine defekte, veraltete oder in einer neuen Praxis neuinstallierte Anlage wird mittlerweile kaum noch konventionell ausgestattet. Hier haben sich die Vorteile der digitalen Systeme bereits durchgesetzt und sind nicht mehr wegzudenken. Auch dieser Prozess ging nur schrittweise, und es war notwendig, den Gesamtnutzen zu erkennen. Speziell aus wirtschaftlicher Sicht lässt sich dieser nicht nur durch reine Abrechnungspositionen darstellen.

Dennoch, rund 50 Prozent der Zahnärzte röntgen analog …

Herzog: Insgesamt registrieren wir aber eine deutliche Zunahme der Digitalisierung. In fast jeder modernen Praxis steht heute zum Beispiel ein digitales Röntgengerät. Immer mehr Zahnärzte, vor allem Implantologen, setzen DVT-Geräte für ihre Planungen ein.

Reinstein: Die Vorteile der digitalen Röntgensysteme liegen in der schnellen Bereitstellung der Bilder, die Entwicklung und die gesundheitliche Belastung des Personals entfallen. Außerdem reduzieren sich die Fehlerquellen, zum Beispiel dass die Temperatur oder Haltbarkeit des Entwicklers nicht beachtet wurden. Digitale Bilder lassen sich zudem per E-Mail versenden. Dazu kommt: Die Strahlenexposition ist geringer und Optimierungen am PC sind möglich.

Bleiben wir bei der kommenden Generation: Wie steht es mit der Digitalisierung, also dem Scannen, an den Universitäten? Lernen die Studenten bereits nach neuen Konzepten?

Mehl: Es beginnt langsam ein Umdenken, und die Möglichkeiten der digitalen Technologie werden in der Ausbildung zumindest vorgestellt und besprochen. Bei uns wird schon seit vielen Jahren im Phantomkurs die Chairside-Technologie praktisch geübt. Die Studenten müssen anschließend in den klinischen Behandlungskursen einige der Restaurationen mittels der CAD/CAM-Technik selbst anfertigen. Im letzten Semester gibt es dann noch eine Ringvorlesung unter Beteiligung mehrerer Abteilungen der Zahnklinik. Diese Ringvorlesung bietet einen aktuellen Überblick inklusive Übungen zur CAD/CAM-Technik.

Herr Reinstein, Sie beschäftigen seit 2007 Ausbildungsassistenten in Ihrer Praxis, was wissen die Newcomer übers Scannen?

Reinstein: Es wird mehr. Seit 2007 bilden wir in der Praxis Ausbildungsassistenten weiter, aber erst seit 2012 gab es seitens der Assistenten Vorkenntnisse aus fakultativen Kursen. Der Schwerpunkt lag dabei eher auf der praxisinternen Herstellung von Kronen und Brücken mittels CEREC-Anwendung – Schleifanlagen für Praxisherstellung –, aber nicht in der praxisseitigen Datenübertragung zum Dentallabor. Positiv: Alle Absolventen hatten Vorkenntnisse und sind von den neuen technischen Möglichkeiten leichter zu überzeugen als gestandene Kollegen.

Herr Dotzauer, welche Erfahrungen machen Sie in diesem Zusammenhang?

Dotzauer: Wir stellen fest, dass junge Zahnärzte dem Thema Digitalisierung sehr aufgeschlossen gegenüberstehen. Nach meinem Wissen ist diese neue Form der zahnärztlichen Behandlung in einigen Universitäten fester Bestandteil der Ausbildung. Ich wünsche mir, dass dies für die zahntechnische Ausbildung im gleichen Maße zutrifft. Zwar bemühen sich VDZI und Zahntechnikerinnungen, die Digitalisierung zum Ausbildungsbestandteil zu machen. Doch im Rahmenlehrplan der Auszubildenden und als Pflicht in der Meisterausbildung findet sich dieses Thema nicht. Dabei werden die Digitalisierung und die damit verbundene Veränderung der Fertigungsprozesse das Berufsbild des Zahntechnikers noch gravierender verändern als das des Zahnarztes.

Nur wenn man delegieren kann, rechnen sich digitale Konzepte. Das meint Prof. Dr. Bernd Wöstmann, Gießen. Herr Prof. Mehl, ist das Delegieren über kurz oder lang ein Muss?

Mehl: Nein, eindeutig nicht: Wenn zum Beispiel ein Quadrantenscan in 40 s durchgeführt werden kann, braucht man nicht zu delegieren. Andererseits ist klar, dass die Bedienung und der Einsatz der Scanner so einfach und reproduzierbar werden müssen, dass die Scans von jedem durchgeführt werden könnten. Fotografieren kann ja schließlich auch jeder. Daher sollte entsprechend natürlich auch das Delegieren möglich sein, und ich sehe auch keinen Grund, der dem entgegenstehen sollte.

Herr Herzog, was sagen Sie?

Herzog: So direkt kann ich mich dieser Aussage auch nicht anschließen. Denn speziell bei der digitalen Abformung ist immer das Ziel, höchste Präzision bei maximalem Patientenkomfort und bestmöglichem Workflow zu erreichen. Wird dieses Ziel erreicht, wirkt es sich direkt auf den gesamten Praxiserfolg aus und führt zu einer Gewinnsituation für alle Beteiligten, sprich für die Patienten, die Zahnarztpraxen und die Dentallabore.

Wie der Arbeitsablauf letztlich gestaltet wird, hängt immer von der Situation der entsprechenden Praxis ab. Eine ausgebildete Assistenz kann hier mehr Freiraum in die Organisation des gesamten Behandlungsablaufs einbringen und dem Behandler einen gewissen zeitlichen Spielraum verschaffen. Die technisch einfache Handhabbarkeit der digitalen Abformung ist einer Arbeitsteilung zwischen Zahnarzt und Assistenz, unter Berücksichtigung der geltenden Regelungen, durchaus zuträglich. Auch die vorbereitenden Maßnahmen vor digitaler Abformung, ein wichtiger Baustein für den späteren Scanerfolg, können bei entsprechender Schulung delegiert werden.

Herr Dr. Reinstein, was delegieren Sie an Ihre Assistenz?

Reinstein: Delegieren ist aus der Sicht der Behandler immer rechtlich kritisch zu betrachten und stößt oftmals an rechtliche Grenzen. Die Passwörter des Dental Connect Portals zur Datenübertragung gebe ich zum Beispiel definitiv nicht an mein Team weiter.

  • Es sollte nach der Einführung neuer Verfahren klare Definitionen geben und es sollten Handlungsanleitungen geschaffen werden, damit der Behandler weiß, was er delegieren kann.
  • Nach meinen Erfahrungen stellt zum Beispiel die opto-elektronische Abformung für einen geübten Anwender allerdings ein gutes Zeit-Leistungs-Verhältnis bereit. Auch die digitale Dialogführung der Auftragsformulare ist übersichtlich und schnell erledigt. Diese könnten sicher von Assistenten vorbereitet werden. Allein die Kontrolle des Scans obliegt zweifelsfrei dem Behandler und sollte keinesfalls delegiert werden.

Soll das heißen, dass sich das Scannen auch dann rechnet, wenn der Zahnarzt es nicht delegiert?

Reinstein: So sehe ich das. Vorteile des digitalen Workflows sind schließlich die Sofortkontrolle, das Nacharbeiten wie Beschneiden des Scanareals und das Anzeichnen der Präparationsgrenze sowie die automatisch Okklusionsüberprüfung.

Folgende Parameter müssen dafür erfüllt sein:

  • Internetanschluss, Praxisnetzwerk, Erarbeitung eines eigenen Praxiskonzepts, denn digital ist nicht konfektioniert, sondern individuell gestaltbar.
  • Geschultes Personal, Know-how im Umgang mit Intraloral‧scannern (Workshops, Hands-on), Übersicht über Gerätemarkt, Dialog mit Dentallaboren und oder Fräszentren.
  • Delegieren erfordert auch Mitarbeiterschulung und Weiterbildung für entsprechende Mitarbeiter.

Schließen Sie Sich an, Herr Dotzauer?

Dotzauer: Ja, ich halte das Delegieren grundsätzlich zwar für wichtig, die Abformung selbst – ob digital oder analog – muss aber in der Hand des Zahnarztes bleiben. Delegationsmöglichkeiten sehe ich auch für Zahntechniker, die sich die Investition in eine eigene, teure Fräsanlage sparen und die Fertigung Fräszentren überlassen. So kann sich auch der Zahntechniker auf seine Schwerpunkte konzentrieren. Diese werden künftig immer stärker im Bereich der Dienstleistung und des Service gegenüber dem Zahnarzt liegen. In dieser Kombina‧tion liefert der digitale Workflow für alle Beteiligten große Vorteile.

Herr Prof. Mehl, Sie zählen zu den Protagonisten der digitalen Abformung. Wo sehen Sie künftig die Haupteinsatzgebiete der Scanner?

Mehl: Die Hauptanwendung für die intraoralen Scansysteme sehe ich in der Zukunft neben der restaurativen Therapie vor allem in der Befundaufnahme und Diagnostik plus Verlaufskontrolle.

Bitte konkretisieren Sie das.

Mehl: Das Fallbeispiel, Abbildungen 13 bis 16, zeigt eine Ausgangssituation und die entsprechende klinische Situation acht Monate später. Allein durch visuelle Beurteilung, etwa bei Gipsmodellen, würde man keine Unterschiede sehen. Durch Überlagerung der Aufnahmen bekommt man ein Differenzbild, das hochaufgelöst an jeder Stelle des Scans die Unterschiede zeigt. Auffallend ist der Rückgang der Gingiva mesial am Zahn 47, den man ansonsten selbst bei zirka 1 mm nahezu übersehen hätte. Für die eigentliche Frage, ob in den acht Monaten wesentliche Abrasion stattgefunden hat, erhält man dagegen das klare Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist. Man hätte wahrscheinlich sonst den Fortschritt der Abrasion anhand des klinischen Bildes überschätzt. Die Quantifizierung der Veränderungen bei der klinischen Verlaufskontrolle bietet also eine neue objektive Basis für die Diagnostik und damit für weitergehende Therapieentscheide.

Herr Prof. Mehl, noch immer ist der Erklärungsbedarf enorm. Was braucht es, um die Systeme zu optimieren?

Mehl: Mehr Abstimmung der Hochschulen untereinander bei der Bewertung von bestimmten Eigenschaften der Scansysteme, zum Beispiel der Genauigkeitsmessungen. Zurzeit verwirren zu viele unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe und Verfahren. Darüber hinaus muss die Integration der Scandatensätze bei diagnostischen Fragestellungen und damit auch für eine bessere Quantifizierung von Behandlungserfolgen und Therapieentscheidungen verstärkt werden. Mit der intraoralen Messtechnik können viele andere Bewertungen, etwa Sondenmessungen von Rezessionen, visuelle Abrasionsbeurteilungen, Zahnbewegungen und auch die qualitativen USPHS-Kriterien, durch deutlich bessere metrische und objektiv erhobene Werte ersetzt werden.

Hochschulen sollten insgesamt im Bereich der CAD/CAM-Technik oder computergestützten Zahnmedizin eine größere Kompetenz mit entsprechenden Abteilungen aufbauen.Nahezu alle Entwicklungen kamen und kommen in diesem Bereich bisher aus der Industrie, der man wirklich hohe Anerkennung für die bisherige Leistung und Umsetzung zollen muss. Daher wünsche ich mir ein weiteres Vorantreiben der angefangenen Entwicklungen, eventuell mit Beschleunigung durch Aufstockung der Forschungsausgaben. Es ist sicher auch darauf zu achten, neben der Qualität vor allem auch die Benutzerfreundlichkeit der Systeme zu verbessern.

Zusammenfassung

  • In den kommenden Jahren werden sich intraorale Scansysteme immer besser in den Praxisablauf integrieren lassen.
  • Offene Systeme bei Intraoralscannern, neue Schnittstellen zum Labor und die digitale Fertigung machen das Umstellen von analog auf digital auch für den „ganz normalen Zahnarzt“ interessant.
  • An den Universitäten beginnt langsam ein Umdenken. Digitale Technologien werden zumindest vorgestellt.
  • Das Ziel der digitalen Abformung ist höchste Präzision bei maximalem Patientenkomfort.
  • Das Scannen rechnet sich für den Zahnarzt auch, wenn sich nur vorbereitende Maßnahmen delegieren lassen.
  • Auch wenn derzeit noch etwa die Hälfte der Zahnärzte analog röntgt – die Zukunft ist digital

Die Experten

Dipl.-Stom. Thomas Reinstein
ist seit 1991 niedergelassen in eigener Praxis in Zwickau. Seine Schwerpunkte liegen in der Ästhetischen Zahnheilkunde. Seit 2013 arbeitet er mit Intraoralscannern.
Kontakt: info@zahnarztpraxis-reinstein.de



Dipl.-Ing. Uwe Herzog
ist seit 2008 als Vertriebsmanager CAD/CAM-Systeme bei Henry Schein Dental Deutschland sowie Produktmanager ConnectDental.
Kontakt: uwe.herzog@henryschein.de



Roman Dotzauer
ist seit 1991 Inhaber und Geschäftsführer der Dotzauer Dental GmbH, Chemnitzund seit 2010 Inhaber des Fräszentrums white digital dental e. K., Chemnitz.
Kontakt: roman-dotzauer@dotzauer-dental.de


Prof. Dr. Dr. Albert Mehl
ist wissenschaftlicher Leiter der Abteilung für computergestützte restaurative Zahnheilkunde der Universität Zürich. Er gilt als CAD/CAM-Spezialist.
Kontakt: Albert.Mehl@zzm.uzh.ch