Zahnaufhellung

Bleaching in der Praxis

Einst verpönt, heute en vogue: Bleaching bzw. Zahnaufhellung in der Praxis. Die Nachfrage steigt; selbst das Aufhellen transluzenter Zähne gelingt. Hersteller bieten dazu In-Office- und Home-Bleaching-Varianten an. Was lässt sich am besten in den Praxisalltag integrieren? Und ist eine obligatorische professionelle Zahnreinigung vor der Zahnaufhellung tatsächlich ein Muss? Das diskutieren Experten aus der Praxis, der Hochschule und der Dentalhygiene.


Bleaching

© Wicht/Philips


Externe, also aufliegende Verfärbungen lassen sich in der Regel mit professioneller Zahnreinigung (PZR) und häuslicher Mundhygiene beherrschen. Was aber schafft die PZR nicht?
Reich: Eine PZR ist sehr gut in der Lage, auch starke Verfärbungen, die durch Tee, Kaffee und Rauchen verursacht sind, zu entfernen. Doch haben die Farbveränderungen das Dentin erreicht, lässt sich das allein durch eine PZR nicht mehr ändern.
Fresmann: Entscheidend sind die Art und die Dauer der Verfärbung sowie die Rauigkeit der Zahnoberfläche. Exogene Verfärbungen werden von außen an den Zahn herangetragen und sind in der Lage, den Zahn beziehungsweise die auf dem Schmelz befindliche organische Matrix von außen zu penetrieren. Sie treten fast immer posteruptiv auf und sind überwiegend auf den Genuss von Lebens- und Genussmitteln zurückzuführen, die besonders stark zu externen Zahnverfärbungen führen können. Dazu zählen etwa Tee, Kaffee, Rotwein, Traubensaft, Nikotin, bestimmte Gemüsesorten und Gewürze. Aber auch oral applizierte eisen- oder nitrathaltige Medikamente, Chemotherapeutika und Mundspüllösungen, die Chlorhexidin-Diglukonat oder Zinnfluoride enthalten, rufen Verfärbungen hervor. Last but not least treten bei mangelhafter Mundhygiene chromogene Bakterien auf, die nicht nur zu Karies und Parodontitis führen können, sondern zu Veränderungen der Qualität des Zahnbelags und damit zu Veränderungen der Zahnfarbe.

Apropos mangelhafte Mundhygiene: Sollte eine PZR der Zahnaufhellung stets vorangehen, wie manche Hersteller vorgeben?
Fresmann: Ja, nur ein sauberer Zahn kann aufgehellt werden. Das schafft optimale Voraussetzungen für einen nachhaltigen Behandlungserfolg. Deshalb plädiere ich dafür, vor jedem Aufhellungsverfahren neben der zahnärztlichen Kontrolle eine Prophylaxebehandlung inklusive einer PZR durchzuführen, um den Zahnbelag vorher zu entfernen.
Wicht: Aber – und das möchte ich betonen – eine PZR sollte wie jede andere Therapie bedarfsorientiert sein. Es darf keinen Automatismus geben.

Auch nicht, wenn eine Zahnaufhellung ansteht?
Wicht: Nein, auch dann nicht. Denn es gibt durchaus Patienten, die völlig plaque‧frei und ohne externe Verfärbungen sind, sich aber dennoch weißere Zähne wünschen. Warum soll ich da eine PZR machen? Das wäre eine Übertherapie. Bei diesen Patienten reichen Polieren und gründliches Putzen. Die gelbere oder dunklere Zahnfarbe hat nicht immer etwas mit mangelhafter Mundhygiene zu tun.

Kann die Zahnhartsubstanz aufgrund zu häufig durchgeführter PZR denn Schaden nehmen?
Wicht: Zuviel des Guten kann auch schädigen, keine Frage. Eine PZR sollte einfach bedarfsorientiert erfolgen, nicht obligatorisch.
Reich: Eine Überinstrumentierung sollte selbstverständlich vermieden werden. Beim Glätten der Wurzeloberflächen gilt es höchste Vorsicht und Sorgfalt walten zu lassen.
Wicht: Und daran scheint es derzeit noch zu hapern. Ich habe zum Beispiel Patienten, die extreme Zuspitzungen der Wurzeln infolge solcher Überinstrumentierungen davongetragen haben. Meistens handelt es sich zwar um nicht mehr ganz junge Parodontitispatienten, die im kurzmaschigen Recall stehen. Dennoch sollte das nicht sein, auch nicht bei PZR-Intervallen von drei Monaten.


Wie viele Wochen müssen zwischen zwei PZR-Intervallen denn mindestens liegen?
Fresmann: Es gilt: So oft wie nötig und so schonend wie möglich! Die Frequenz der Prophylaxebehandlung richtet sich nach dem Risikopotenzial des Patienten. Die Ergebnisse der zahnärztlichen Untersuchung mit ausführlicher Ana‧mnese, die parodontale Befunderhebung und die Mundhygieneindizes bestimmen die Recallfrequenz. Schädigen können wir die Zahnhartsubstanz nur, wenn zu abrasive Materialien und Geräte eingesetzt werden oder die Prinzipien der optimalen Instrumentenführung nicht eingehalten werden. Deshalb kommt der Untersuchung im Vorfeld, den Befunden und Indizes eine so große Bedeutung zu – wir müssen selektiv und mit unterschiedlich abrasiven Methoden und Geräten arbeiten, um die Mundgesundheit langfristig zu sichern.
Voss: Alle drei Monate eine PZR durchzuführen halte ich für unproblematisch. Schäden durch eine falsche Handhabung kommen sehr selten vor. Da nur definitiv saubere Zähne optimal gebleacht werden können, führen wir vor jeder Zahnaufhellung die PZR durch. Interne Verfärbungen lassen sich nachweislich nur neutralisieren, wenn die Oberflächenbeläge entfernt sind. Völlig plaquefreie Patienten haben wir so gut wie nie.

Herr Dr. Voss, anders als Ihre Kollegen haben Sie die Bleachingtherapie als Einzelmaßnahme komplett aus Ihrer Zahnarztpraxis „verbannt“ und ein separates Modell etabliert, die „White Lounge“ …
Voss: Richtig und zwar schon vor rund 13 Jahren. Bereits 2005 haben wir das Potenzial der Zahnaufhellung erkannt und mit dem White-Lounge-Konzept zahnärztliche Bleachingzentren etabliert. Das war ein echtes Novum in Deutschland damals. Heute kommen 25 Prozent unserer Patienten explizit zum Bleachen in unser Spezialinstitut, in der Regel Patienten anderer Zahnärzte.

Gibt das kein „böses Blut“?
Voss: Gar nicht, unsere Patienten kommen nicht nur aus dem Einzugsgebiet der Praxisklinik, sondern aus der gesamten Region. Viele Kollegen empfehlen uns auch als Bleachingspezialisten. Sie bieten die Zahnaufhellung in ihren Praxen gar nicht an. White Lounges haben sich in München, Leipzig, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart etabliert.

Besteht die Gefahr, dass sich trotz Existenz der Kosmetikrichtlinie Bleaching-Zentren auch ohne angegliederte Zahnarztpraxis etablieren könnten?
Wicht: Darüber kann ich nur spekulieren, da es sich möglicherweise um eine juristische Auslegung eben dieser Richtlinie handelt. Die Formulierung „grundsätzlich in der Zahnarztpraxis oder unter professioneller Anleitung eines geschulten Behandlers“ lässt nach meinem Verständnis eine Menge Interpretationsspielraum zu.
Fresmann: Sollte sie aber nicht. Zahnaufhellung gehört in die Zahnarztpraxis, und das muss der Patient wissen. Nebenwirkungen oder gar Kontraindikationen können nur dort behandelt bzw. eingeordnet werden.

Herr Dr. Voss, fürchten Sie die Konkurrenz „freier“ Bleachingzentren?
Voss: Nein, entscheidend sind gute Aufklärung und Beratung. Auf diesem Gebiet punktet der Zahnarzt, und das sollte er nicht aus der Hand geben.

Sie „werben“ aber nicht nur in der White Lounge, sondern auch in Ihrer „eigent‧lichen“ Praxis für die Zahnaufhellung?
Voss: Selbstverständlich stellen wir unser Bleachingkonzept vor. Wir haben uns schließlich auf die Ästhetische Zahnmedizin spezialisiert. Eine attraktive Zahnfarbe gehört einfach dazu.

Kommen die Patienten bereits mit dem Wunsch nach Zahnaufhellung in Ihre Klinik oder entwickelt sich das Verlangen danach eher im Anamnesegespräch?
Wicht: Wir werden quasi von Bleaching-Patienten überlaufen. Ich selbst spreche das Thema Zahnaufhellung nur selten an, etwa bei anstehenden Frontzahnrestaurationen oder einer offensichtlich sehr dunklen Zahnfarbe. In der Regel äußern Patienten ihren Wunsch nach einer Zahnaufhellung, wenn ich sie nach ihren Anliegen befrage.
Fresmann: Bei anstehenden Restaurationen sollte das Thema Zahnaufhellung meiner Meinung nach stets mit dem Patienten diskutiert werden. Denn eine Zahnaufhellung vor der Anfertigung des Zahnersatzes könnte die Farbauswahl der Restauration beeinflussen. Wir sollten nicht darauf warten, dass uns Patienten ansprechen. Grundsätzlich erkundigen wir uns bereits über den Anamnesebogen nach der Zufriedenheit der Patienten mit ihrer Zahnfarbe. Gegebenenfalls nehmen wir direkt eine Zahnaufhellungstherapie mit in die Gesamtplanung auf. Wir erleben häufig dies: Ein Patient, der gesunde Zähne hat, entwickelt ein Zahnbewusstsein und will auch hellere Zähne. Umgekehrt entwickeln Patienten mit helleren Zähnen ein Zahnbewusstsein und wollen gesündere Zähne. Zahnaufhellung ist damit mehr als eine rein kosmetische Maßnahme.
Reich: Da schließe ich mich an. Steht eine Frontzahnrestauration an, klären wir mit dem Patienten ab, welche Ästhetik er wünscht. Soll die Form verändert werden? Soll die Farbe verändert werden? Sollen die übrigen Zähne durch ein Bleichen farblich an die neuen Restaurationen angeglichen werden?

Hersteller bieten In-Office- und Home-Bleaching-Varianten an, was bevorzugen Sie?
Wicht: Eindeutig die Chairside-Variante, zum Beispiel mit Philips ZOOM. Nach eineinhalb Stunden ist alles vollbracht. Daheim braucht es dagegen eine gewisse Adhärenz, man darf die Anwendung zum Beispiel nicht vergessen, es ist aufwendig, die Schiene muss nachts getragen werden. Um den Patienten eine Behandlung in Eingenregie zu ersparen, fokussieren wir uns in der Regel auf die Chairside-Zahnaufhellung. Aufgrund der deutlich geringeren Nebenwirkungen bin ich gegenüber einer Home-Bleaching-Variante auch aufgeschlossen. Möglicherweise wird sich sogar eine Kombination aus beiden Verfahren als zukunftsträchtig erweisen.
Fresmann: Auch wir setzen das In-Office-Bleaching mit Philips ZOOM ein. Das System ist gut durchdacht. Alles, was für die Patientenbehandlung zur Abdeckung oder Isolierung benötigt wird, findet sich in dem Bleachingset. Vor- und Nachbereitung funktionieren einfach und sicher. Und – anders als beim Home-Bleaching – lassen sich so Risiken für den Patienten minimieren. Ein Home-Bleaching ist aus unserer Sicht auch nicht schonender. Denn nur beim In-Office-Bleaching habe ich die Möglichkeit, kritische Bereiche wie beispielsweise die Zahnhälse unter fachlicher Aufsicht abzudecken und so Hypersensibilitäten zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Dazu kommt: Der Patient sieht direkt das Ergebnis, was bei uns immer für einen „Aha-Effekt“ sorgt.

Sie raten vom Home-Bleaching also ab?
Fresmann: Im Grunde ja. Denn auch wenn der Patient beim Home-Bleaching-Verfahren aufgeklärt wird und die erste Sitzung in der Praxis unter Aufsicht stattfindet, wissen wir einfach nicht, ob alle Patienten unsere Empfehlungen so umsetzen, ob sie die Schienen nicht doch zu oft und zu lange tragen, um den Aufhellungseffekt schneller und intensiver zu haben. Den Aufhellungsprozess in der Gesamtheit in der Praxis durchzuführen und zu überwachen ist der Schlüssel zur erfolgreichen Aufhellung – mit möglichst wenigen Nebenwirkungen für den Patienten. Das oberste Gebot ist immer die Patientensicherheit!

Aber der Patient darf wählen?
Voss: In der White Lounge momentan nicht. Das Risiko eines ungewissen Ergebnisses oder womöglich falschen Gebrauchs ist noch zu hoch. Schließlich kann ich nicht kontrollieren, ob der Patient das alles richtig anwendet.

Kommen wir zu möglichen Kontraindikationen.
Wicht: Gingivitis, Parodontitis, undichte Füllungen und Erosionen – all diese Diagnosen stellen ein gewisses Risiko dar und darüber kläre ich vorher auf. Das medizinische Abklären steht dabei stets im Vordergrund. All das sind aber keine Kontraindikationen. Denn eine Gingivitis lässt sich in den Griff bekommen, wenn die Mundhygiene optimiert wird. Defekte Füllungen können ersetzt, Karies kann entfernt werden etc. Kurz: Ich spreche die Risikofaktoren an, erkläre, welche Risiken bestehen, was sie für den Patienten bedeuten und welche Therapien vor der Aufhellung erforderlich wären. Selbst Parodontitispatienten müssen nicht auf eine Zahnaufhellung verzichten. Wenn der Zahnarzt korrekt abdeckt und über die Risiken aufklärt, ist das kein Problem, also keine absolute Kontraindikation. Nur wenn der Patient über gar keinen Zahnschmelz mehr verfügt, bei Bulimiepatienten ist das zum Beispiel häufiger der Fall, rate ich vom Bleichen ab.

Was kann passieren?
Wicht: Dentin zu bleachen ist extrem schmerzhaft. Aber eine absolute Kontra‧indikation sind auch Erosionen natürlich nicht, denn alle Menschen haben Erosionen.

Gibt es eine Altersgrenze?
Reich: Nach oben nicht, aber bei Jugend‧lichen muss man aufgrund der zu erwartenden reversiblen postoperativen Sensibilitäten genau aufklären und abwägen, ob eine Zahnaufhellung sinnvoll ist. Wir bleachen in unserer Praxis nicht vor dem 16. Lebensjahr. Die Pulpa muss ausgereift sein.

Immer wieder werden im Zusammenhang mit Zahnaufhellungsverfahren Hypersensibilitäten beklagt. Wie gehen Sie damit um?
Wicht: Darüber klären wir auf. Auch darüber, dass es während der Behandlung mal weh tun kann. Salopp gesagt: Wer schön sein will, muss leiden.
Reich: Die Einnahme von Ibuprofen 400 (1 Tablette) hat sich in unserer Praxis bewährt. Gehen Erosionen bis ins Dentin, versorgen wir erst durch eine Füllung.
Voss: Man kann auch bereits vorab mit entsprechenden Gelen arbeiten. Zudem informieren wir den Patienten, dass die Empfindlichkeiten noch 24 Stunden nach dem Bleachen auftreten können.
Fresmann: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass niedrig konzentrierte Gele bis zu 25 Prozent mit modernen LED-Lampen eine wirksame Kombination bei weniger Nebenwirkungen sind. Hin und wieder kommt es zu Hypersensibilitäten nach oder während der Therapie – diese Empfindlichkeit verschwindet meist nach zwei bis drei Tagen oder manchmal auch schon nach wenigen Stunden. Zur Vor- und Nachbehandlung empfehlen wir das Relief ACP Oral Care Gel, das die Empfindlichkeit zuverlässig vermindert. Verantwortlich für die desensibilisierende Wirkung ist das enthaltene ACP (amorphes Calciumphosphat). Natürlich besprechen wir auch das im Vorfeld mit dem Patienten.

Wie „gefährlich“ ist das lichtbasierte Weißen für den Pulpabereich?
Wicht: Mir persönlich liegen da keine Daten über Beeinträchtigungen vor. Ich kenne nicht einmal eine Fallstudie, die darüber berichtet.
Reich: Es gibt Studien aus den USA, die Patienten über mehrere Jahre beobachtet haben und keine pulpentoxische Schäden festgestellt haben, vorübergehende Veränderungen ja, aber keine bleibenden.
Fresmann: Die Verfahren mit niedrig konzentrierten Gelen bis zu 25 Prozent und Lichtaktivierung mit modernen LED-Lampen sind heute alle sicher! Ich zitiere gerne Prof. Dr. Michael Noack von der Universität Köln, der stets betont, der „Weg mit dem Auto zum Zahnarzt“ sei das „Gefährlichste an der Zahnaufhellung“.
Voss: Alle modernen Bleaching-Systeme nutzen Kaltlicht. Das beeinflusst die Pulpa nicht.

Wie genau läuft die Aufklärung in Ihrer White Lounge?
Voss: Wir bieten eine obligatorische Erstberatung, eine Bleachingberatung. Wir starten mit einem professionellen Kurzcheck der Zähne, in der Regel mit Kameraunterstützung, damit der Laie auch sieht, wie es im Mund aussieht. Hat der Patient eine Parodontitis, erfolgt eine vorgelagerte Behandlung. Gesundes Zahnfleisch ist ein Muss. Wir teilen dem Patienten dann mit, wann die Zahnaufhellung zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden kann.
Beim Chairside-Bleaching kommen höher konzentrierte Mittel zum Einsatz als beim Home-Bleaching (25 Prozent H2O2), um das gewünschte Aufhellungsergebnis in einer Sitzung zu erzielen. Einige Zahnärzte lehnen solche Verfahren ab. Begründung: Transluzenz könne sich durch Bleaching verstärken, das Ergebnis seien „graue“, dunkel erscheinende Zähne. Beim Home-Bleaching laufe der Aufhellungsprozess langsamer, sodass die Behandlung abgebrochen werden könne.
Wicht: Auch ich habe mehrfach gelesen, dass niedergelassene Zahnärzte vom Bleachen transluzenter Zähne abraten. In der Literatur gibt es dazu jedoch keine einheitliche Meinung. Ich habe drei Arbeiten gefunden, die relativ aktuell sind. Nach Canapele 2013, um nur eine zu nennen, beeinflusst das Bleachen die Transluzenz gar nicht. Andere Paper kommen zum Schluss, dass die Zähne opaker werden oder dass sich die Zahnfarbe kaum ändert. Meiner persönlichen Erfahrung nach verstärkt das Chairside-Bleachen die Transluzenz nicht wesentlich.

Wann raten Sie ab?
Wicht: Eigentlich gar nicht. Leicht transluzente Zähne haben viele Menschen. Aber ich habe da noch nie ein Problem festgestellt. Auch gräuliche Zähne werden im Farbton nach dem Bleachen heller.
Reich: Die Erfahrung habe ich ebenfalls gemacht. Der Gesamteindruck ist nach dem Bleichen sehr positiv. Ich sehe da keine Kontraindikation. Jeder Zahn hat im oberen Schmelzdrittel eine gewisse Transluzenz, die wir auch über das Aufhellen nicht wesentlich verstärken. Ich würde in diesen Fällen keineswegs zum Home-Bleaching raten. Wegen des Risikos von Fehlanwendungen habe ich kein gutes Gefühl dabei.

Frau Fresmann, Sie sehen das kritischer …
Fresmann: Richtig, ich halte eine erhöhte Transluzenz der Zähne für eine Kontraindikation, die der Zahnarzt sorgfältig abwägen muss. Hellt man diese Zähne zu stark auf, lässt die dunkle Mundhöhle die nun noch transluzenteren Zähne dunkler erscheinen als zuvor. Aber wenn eine Zahnaufhellung bei diesen Patienten tatsächlich durchgeführt werden soll, plädieren wir für die Chairside-Variante, von einem Home-Bleaching raten wir definitiv ab. Das Risiko von Fehlern oder Falschanwendung ist einfach zu hoch.
Voss: Möchten Patienten transluzente Zähne aufhellen lassen, ist eine intensive Aufklärung nötig. Sie müssen wissen, dass sie nach dem Weißen unter Umständen keine acht bis neun Nuancen hellere Zähne bekommen. Wir prüfen in Etappen die Zahnfarbe, um zu sehen, wie die Bleachingbehandlung tatsächlich anschlägt. Die Patientenberatung muss immer sehr individuell erfolgen. Auch die Nationalität der Patienten gilt es zu beachten. Bei Asiaten und Europäern kommt es zum Beispiel zu unterschiedlichen Ergebnissen. Am besten lassen sich Zähne der Farbe A3 aufhellen.

Nach dem Motto – überspitzt gesagt – je gelber, desto besser?
Voss: So könnte man es formulieren. Wer transluzente Zähne hat, wählt besser Non-Prep Veneers, wenn es eine A1-Farbe und heller sein soll. Non-Prep Veneers sind hauchdünn, ein Beschleifen der Zahnhartsubstanz erübrigt sich. Wir verwenden in der White Lounge die Brite Veneers, nennen das auch permanentes Bleachen.

Mit welchen Methoden lassen sich auch transluzente Zähne am sichersten aufhellen?
Wicht: Wir behandeln auch tansluzente Zähne lichtbasiert mit dem Philips ZOOM-System.
Fresmann: Wir auch, aber nur mit einem 6-prozentigen Gel – und wie schon ausgeführt, nur zwei bis drei Aufhellungszyklen. Zwischen den Aufhellungszyklen schaut man sich immer das Ergebnis an und kann dann auch die Behandlung abbrechen, damit es nicht zu unerwünschten Effekten kommt.

Welche Indikationen dominieren in Ihrer Praxis, medizinische oder kosmetische?
Voss: In der White Lounge ist diese Leistung kosmetisch-ästhetisch, zu 100 Prozent. Das gilt auch für das interne Bleachen, also für das Aufhellen endodontisch behandelter Zähne. Nach abgeschlossener Therapie, die möglicherweise vor oder nach der Zahnaufhellung nötig ist – Füllungen etc. –, vermittele ich dem Patienten die Zahnaufhellung als kosmetisch-ästhetische Behandlung wie eine Gesichtsbehandlung. Im universitären Bereich mag man da unterscheiden, im Praxisalltag eher nicht.

Was ist mit fluorosebedingten Verfärbungen, Zahnentwicklungsstörungen und Zahnverfärbungen infolge von Medikamenteneinnahmen – sind das medizinische oder kosmetische Indikationen?
Wicht: Eher medizinische. Bei fluorosebedingten Verfärbungen kombinieren wir die Bleichtherapie mit einer Infiltration, um die Fluorose zu maskieren. Das ist sehr erfolgversprechend.
Fresmann: Medizinisch indiziert sind aus meiner Sicht auch kombinierte Behandlungen wie Zahnaufhellung plus anschließende Veneerversorgung – so können tolle ästhetische Ergebnisse erzielt werden. Und immer wieder gilt: Untersuchung und Beratung durch den Zahnarzt sind unerlässlich!
Reich: Vielfach handelt es sich um eine Mischung aus medizinischer und kosmetischer Indikation. Wir respektieren die Bedürfnisse der Patienten. Wir machen Füllungen aus medizinischen Gründen, achten aber darauf, nicht nur den Ton des Zahns zu treffen, sondern eine Verbesserung zu erreichen durch die richtigen Kronen und Veneers. Wir möchten unsere Patienten nicht nur medizinisch versorgen, sondern ihnen ein gutes Gefühl und ein schönes Lächeln geben.

Ein Blick ins „Bleachingland USA“. Bleibt es in Europa bei einem natürlicheren Weiß oder wird sich das in den USA beliebte „heller als A1“ auch bei uns durchsetzen?
Wicht: Mein Bauchgefühl sagt mir, in Europa überwiegt die Natürlichkeit.

Raten Sie von „heller als A1“ in Ihrer Klinik ab?
Wicht: Nein, warum auch, wenn es den Patienten glücklich macht. Es ist ja nicht schädlich, medizinisch betrachtet. Wobei B1 eher die Zielfarbe ist, die die überwiegende Mehrheit der Patienten wünschen.
Reich: Wir raten von „heller als A1“ schon ab und haben das auch noch nie durchgeführt. B1 ja – das hängt sicher vom Typ des Patienten und seiner Einstellung ab. Aber dieses „Kühlschrank-weiß“ empfinde ich als unästhetisch.
Fresmann: Ein strahlendes Lächeln ist sympathisch und macht auch selbstbewusst – und genau das möchten wir für unsere Patienten! Wir beraten unsere Patienten und schauen gemeinsam, was man erreichen möchte. Eine zu helle Farbe passt allerdings nicht zu jeder Gesichtsfarbe … es muss alles harmonisch bleiben!
Voss: Und das kann es auch mit „heller als A1“. Für die individuelle Farbberatung sehe ich mich in der vollen Verantwortung und orientiere mich am Patienten. Was passt zu einem hellhäutigen Typ? Welche Farbe zu einem dunkelhäutigen? Das A und O ist die Individualität der Beratung. Der Fokus liegt nicht nur auf den Zähnen, sondern auf dem Gesicht, auf dem Wechselspiel mit dem individuellen Weiß der Pupillen, einfach auf dem gesamten Erscheinungsbild. Die gewählte Farbe muss harmonieren. Und ja, selbstverständlich bieten wir heller als A1 an. Auch in Europa wird das heute gewünscht, und vielfach passt es auch.

Wie häufig muss die neue Zahnfarbe aufgefrischt werden?
Fresmann: Zusammen mit professionellen Prophylaxebehandlungen und regelmäßigen zahnärztlichen Untersuchungen können die Patienten das Ergebnis der Zahnaufhellung lange stabilisieren. Bei jeder Sitzung schauen wir uns die Zahnfarbe an und entscheiden zusammen mit dem Patienten, ob eine kleine „Auffrischungsbehandlung“ gemacht werden sollte – manchmal nach zwei bis drei Jahren oder auch oft in größeren Abständen.

Herr Dr. Voss, was sagen Sie?
Voss: Das Aufhellen sollte schon zwei bis drei Jahre halten. Die ästhetisch bewussten Patienten kommen in der Regel schon nach einem Jahr zur Auffrischung der Farbe im Rahmen der Prophylaxebehandlungen.

 

Die Experten:

PD Dr. Michael Wicht ist Leitender Oberarzt der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Uniklinik Köln. Zu seinen Schwerpunkten zählen u.a. minimal-invasive Präparationstechniken.

Prof. Dr. Elmar Reich ist seit 2004 niedergelassen in eigener Praxis in Biberach. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen vor allem die Parodonotlogie und die Prophylaxe.

Dr. Jens Voss ist Gründer und zahnärztlicher Leiter des Zahnmedizinzentrums Leipzig, White Lounge – Dental Beauty Spa Zahnarztpraxis Brühl.

DH Sylvia Fresmann ist Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Dentalhygieniker/-innen und leitet die Prophylaxeabteilung der Praxis Dres. Strenger in Dortmund.